Die Frage nach dem "Warum"
Seitdem ich BDSM-Romane schreibe, ist mir diese Frage schon oft begegnet. Schreib, was die Protagonisten antreibt, warum sind sie so, wie sie sind? Warum stehen sie auf SM-Spiele?, sagt man mir.Warum soll diese Frage so wichtig sein? frage ich mich dann immer.
Ich lese selbst auch viele Romane in diesem Genre und die Antworten, die Autoren auf diese angeblich so wichtige Frage geben, überzeugen mich selten. Im Gegenteil, meistens blinkt eine 2000 Watt-Lampe in meinem Kopf mit den Leuchtbuchstaben: KLISCHEE!
Nehmen wir z. B. das viel geliebte und gehasste 50 Shades of Grey. Der selbstsichere, dominante Christian Grey, war in früher Kindheit schwerer psychischer Misshandlungen ausgesetzt, deshalb erträgt er die Berührung anderer Menschen nicht. Also wird er Dom, denn als Dom darf er seiner Sklavin verbieten ihn anzufassen, oder noch besser, er fesselt sie, dann fällt es gar nicht auf, dass er sich nicht anfassen lässt. Pling: KLISCHEE!
Es gibt auch noch andere Beispiele von Erklärungsversuchen in BDSM-Romanen und immer sind es negative Erlebnisse oder Beobachtungen in der Vergangenheit der Protagonisten. Es würde zu weit führen, hier alles aufzuführen. Diese Erklärungsversuche lassen mich als Leser grundsätzlich unzufrieden zurück, denn immer blinkt meine KLISCHE-Lampe im Kopf, wenn ich sie lese.
Oder sollte ich mich irren? Wie schaut es aus, ihr lieben Doms und Subs da draußen? Steht ihr auf SM, weil ihr als Kinder psychisch oder physisch misshandelt wurdet? Nein!! Ich vermute doch mal ganz stark, dass ist nicht der Fall!!
Ich bin zu einem gewissen Grad devot und maso. Wieso bin ich so? Ich weiß es nicht.
Meine Eltern haben es geschafft mich großzuziehen, ohne mich zu verhauen und psychisch ist bei mir alles im grünen Bereich, soweit ich das beurteilen kann. Trotzdem haben diese Neigungen schon sehr früh in mir geschlummert, auch wenn mir das erst im Nachhinein klar geworden ist.
Schon in der Pubertät hatte ich diesen Traum. In dem Traum gab es eine örtliche Grenze in der Stadt. Ein Tor, wie ein Stadttor im Mittelalter. Ich wusste, wenn ich durch dieses Tor gehe, gebe ich meinen freien Willen ab und jeder, der Lust darauf hat, kann mit mir machen, was immer er will. Ich habe mir vorgestellt, gefesselt und wehrlos und fremdbestimmt zu sein. Es war kein Traum von wilden Orgien oder sowas... nein... dieser Traum hätte durchaus eine FSK 16 Freigabe bekommen. Es war subtiler.... eher das greifbare Spüren des Machtgefälles, das ich damals im Traum erlebt habe. Ich bin ganz bewusst durch dieses Tor gegangen und habe mir ausgemalt, was alles geschieht. Und es hat mich, obwohl ich so jung war, nicht erschreckt, mir keine Angst gemacht. Im Gegenteil.
Ich bin ziemlich behütet aufgewachsen. Damals hatte ich keine Ahnung, dass es SM überhaupt gibt. Ich weiß z. B. noch, dass mich der Song von den Ärzten '"Manchmal haben Mädchen ein kleines bisschen Haue gern" vollkommen schockiert hat, weil ich diese Aussage als gewalttätig empfunden habe. Ich wusste es halt damals nicht besser. Meine Neigungen habe ich erst viele Jahre später verstanden und angefangen auszuleben.
Aber zurück zu der Frage nach dem Warum....
Warum bin ich so?
Warum ist ein Homosexueller homosexuell?
Warum steht jemand auf Lack, Leder, Nylons was auch immer?
Warum stehe ich auf ein kleines bisschen Haue?
Keine Ahnung. Vielleicht weil ich den Mut hatte, auszuprobieren, was die sogenannten Normalos so sehr entsetzt, dass sie es gar nicht erst versuchen? Tja schade, das die so viel verpassen! Vielleicht bin ich so, weil ich neugierig, experimentierfreudig und ehrlich zu mir selbst bin? Vielleicht nur aus Zufall? Gute bzw. schlechte Gene? Als Baby mit der Flasche gefüttert worden?
Tatsache ist: Ich bin wie ich bin und ich mag mich so wie ich bin und außerdem bin ich vollkommen normal.
Warum seid ihr so, ihr Doms und Subs dieser Welt?
Und warum ist die Antwort auf diese Frage eigentlich so wichtig?