Habt ihr auch so Sexpartner kennengelernt, wo alles auf Distanz gehalten wurde?
Ja. Vor einem guten Dutzend Jahren. Eigentlich strebten wir bloß eine kurze Affaire aus Spaß an der Freud an. Hauptsächlich ging es natürlich um Sex. Ursprünglich kam der Kontakt jedoch über unsere heftigen Debatten über Gott und die Welt zustande. Auf geistiger Ebene war er ein würdiger Gegner/ Sparingspartner. Der Auftakt unserer sexuellen Beziehung war fulminant! Dennoch war da ein spielerischer Umgang. Dann beteuerte er mir seine Liebe. Ich zögerte. Er überraschte mich durch Treffen mit seiner Familie, mit seinen besten Freunden... Da begann ich daran zu glauben. Doch sobald ich mich gefühlsmäßig auf MEHR eingelassen hatte, begann er sich zu distanzieren.
Wie habt ihr euch gefühlt?
Ausgenutzt. Missbraucht. Ausgelutscht.
Hin- und Hergerissen zwischen Hoffnungen und Realität.
Welche Vertröstungen waren besonders verletzend?
Die Zukunftsträume, die er spann, als ich keine gemeinsame Zukunft sehen konnte.
Falsche Versprechungen.
Also dieses "mich immer wieder zurückholen", wenn ich mich gerade verabschiedete. Sogar so weit gehend, mir einen Mangel aus Liebe vorzuwerfen, um mich doch noch zu überzeugen.
Und wann seit ihr abgesprungen?
Ich bin nicht abgesprungen.
Als es mir zu bunt wurde, ging ich voll in die Offensive.
Drängte ihn an die Wand.
Ließ keinerlei Ausflüchte mehr zu.
Nagelte ihn fest.
Tacheles Reden.
Wissen, was ist.
Er reagierte mit einem verbalen Rundumschlag. Da wusste ich endlich, woran ich wirklich bin.
So wurde sein Befreiungsschlag zugleich zu meinem Befreiungsschlag.
Ich war angewidert.
Angewidert von ihm.
Angewidert von meiner Neigung, an das Gute im Menschen glauben zu wollen.
Was hat euch geholfen?
Freunde. Freunde. Und nochmals Freunde.
Meine Eltern und Großeltern.
Den Arsch hoch zu bekommen und sich einem neuen Interessensgebiet/ Hobby zu widmen.
Danach wählte ich meine Sex-Beziehungen mit Bedacht.
Ich bin kein Beziehungshopper. Wenn ich nicht ganz mit mir im Reinen bin, habe ich überhaupt keinen Bock mich auf etwas ernstes einzulassen.
Es mag Menschen geben, die in einer Sex-Beziehung den möglichen Auftakt zu etwas festem sehen. Diese Ansicht teile ich nicht
Wenn ich eine Sex-Beziehung einging, ließ ich mich gar nicht mehr auf Männer ein, die als potentieller Partner in Betracht kämen. Männer, die ich als potentielle Partner erachte, mag ich nicht aus purer Lust verbrennen. Ich versuche eher den Kontakt über gemeinsame Interessen/ geteiltes soziales Umfeld aufrecht zu erhalten. Einfache Bekanntschaftsebene. Wenn ich soweit bin, schaue ich mir diese Männer noch einmal genauer an. - Falls diese in der Zwischenzeit anderweitig vergeben sind, sollte es eben nicht sein.
Aber zurück zur Sex-Beziehung:
Wenn mir ein Mann erzählt, dass es ihm bloß um Sex geht, nehme ich ihn beim Wort.
Wenn sein Wort verlogen war, wird das später zu seinem Problem!
Ich wahre die Distanz.
Freundschaftliche Gefühle? - Ja, natürlich. Lust/ Geilheit? - Ja, na klar. Ein wenig Schwärmerei? - Ja klar, auch das.
Aber Verliebtheit/ romantische Liebe? - Nö, damit habe ich dank meiner Vorauswahl in dieser Beziehungsform keine Probleme mehr.
Doch ich gebe zu Bedenken, dass eine Sex-Beziehung oft eine begrenzte Dauer hat. Die wenigsten sind sich darüber klar, worauf sie sich da einlassen. Verwechseln sexuelle Lust mit Liebe und wollen plötzlich viel viel mehr.
Für langfristige Stabilität braucht eine feste Beziehung eine fruchtbare Streitkultur. Die Beziehung lebt davon, dass sich beide Partner miteinander auseinandersetzen. Eben genau das, was man bei einer Sex-Beziehung weiträumig zu umgehen versucht. Um die Dinge unkompliziert zu halten und möglichst viele schöne fröhliche Stunden miteinander zu verbringen. Das Ausmaß der dabei empfundenen Harmonie und des "sich angenommen Fühlens" sind eine Illusion.
So viel Projektionsfläche, welche zusätzlich durch sexuelle Lust befeuert wird, kann gefährlich werden
Wenn man es zu spät merkt, bleibt einem bloß die Entwertungkiste, um sich effektiv von einem Besessenen abzugrenzen. Schön finde ich das nicht. Und ich versuche es gar nicht erst soweit kommen zu lassen. Doch in Ausnahmesituationen sind Entwertungen zur effektiven Abgrenzung das geringere Übel.
(Womöglich setzen manche Menschen Entwertungen bei jedem Sexualpartner ein, der ihnen zu sehr auf die Pelle rückt. Gewohnheit? Oder von Angst getrieben?
)
Wenn ich frühzeitig merke, dass mein Gegenüber zu anhänglich (verträumt/ verliebt) wird, suche ich einfach die "faire Auseinandersetzung". Und zwar in Situationen, in denen ich für gewöhnlich gutmütig über das Verhalten von Bekannten hinweg schaue, während ich von Freunden und Partnern ein anderes Verhalten brauche und für meine Bedürfnisse einstehe.
Motto: Die Projektionsfläche verkleinern!
Dann erkennt er, dass es doch nicht so dolle passt wie von ihm erträumt.
Wahlweise pendelt sich die Sex-Beziehung dann auf eine für beide Seiten erträgliche Distanz ein. Oder - was viel häufiger der Fall ist: Er verliert das Interesse an unserer Sex-Beziehung und die Sache läuft sich aus bevor sie überhaupt eskaliert.
So oder so: Ich habe meine Ruhe, ohne giftig werden zu müssen.
LG!
Galinthias