Ui... Mal wieder ein Thread mit Sprengkraft!
Na, dann will ich doch auch mal etwas Feuer in den Dynamitstapel reinwerfen (sorry, ist ein was längerer Rant):
Natürlich ist Prostitution unethisch, zumindest im hiesigen und allgemeinen Verständnis der Ethik. Inwiefern das wünschenswert ist, ist die andere Frage, aber auch da dürfen wir uns nicht als die allgemein geltende Grundlage verstehen, eben wegen der Subkultur, die wir sind: Kaum jemand hier würde die politische und gesellschaftliche Anarchie in der Praxis haben wollen, nur weil die Autonomen das gern so hätten (mal so als kleines simplifiziertes Beispiel...). Eine bestimmte Subkultur als repräsentativ hinzustellen, ist Beschiß. Noch dazu, da es auch hier eine Riesenmenge an unterschiedlichen Gedanken zu dem Thema gibt, die sich auch teils diametral gegenüber stehen.
Und: auch wir unterwerfen uns den allgemeinen Moralvorstellungen, selbst wenn wir das vehement verneinen! Ein "Job wie jeder Andere" ist Prostitution nicht mal in den Köpfen von uns ach so sexuell offenen, die das in diesem Thread behaupten, denn:
Daß es immer Arbeiten geben wird, die man selber nicht gern machen will, ist klar; andererseits, wenn sich die Frage stellt, was für ein Job zumindest zeitweise in Frage kommt, um eine akute Ebbe im Geldbeutel abzustellen, oder was der Nachwuchs in den Monaten zwischen Abschluß und Ausbildungsbeginn macht, um sich den Roller/das Auto/den Malleurlaub zu finanzieren, dann darfs auch mal die "Scheißarbeit" sein.
Darum finde ich, jeder, der hier behauptet hat, Prostitution als "Job wie jeden Anderen auch" zu sehen, sollte das nochmal kritisch hinterfragen, ob dem auch wirklich so ist: Würde er/sie dem Töchterchen ohne größere Bedenken als bei $UNANGENEHMER_ODER_DRECKIGER_JOB raten, das doch für die paar Monate nach dem Abi oder in den Semesterferien zu machen um das Bafög aufzubessern? Und wenn nicht, sind die Gründe denn nicht eigentlich doch eher der ethisch-moralischen Sphäre zuzuordnen als den handfesten, gegen den Job sprechenden Fakten?
Und: Prostitution hat durchaus ne Jobkennziffer beim Arbeitsamt, nur die bei jedem anderen Job üliche Praxis, eine Weigerung, die angebotene Arbeit in Erwägung zu ziehen, mit Leistungskürzung zu sanktionieren, hat gerade vor einigen Monaten einen Skandal losgetreten und würde das auch hier in der Community tun! Vorm "Grüner-Punkt-Müllsortierer" oder "Windelwechsler" im Altenheim braucht sich aber keiner versuchen zu drücken, es sei denn, er habe da RICHTIG gute Gründe für, und ich bekämme durchaus Leistungen gestrichen, wenn ich es für unzumutbar hielte, in einem Affenkostüm für ne Bananenfirma vor Leuten das Hänneschen zu machen. Würd ich mich
da weigern, nur weil ich die Arbeit nicht mag, dann wäre ebenfalls der Aufschrei groß: "Dem gehts noch viel zu gut, Ich arbeite hier und der macht sich mit der Stütze ein laues Leben! 'Nicht angemessen', pah, wer Hartz IV kriegt, soll nicht mit meinen Beiträgen wählerisch sein, da kann der noch so viel studiert haben!" Nicht wahr?
Mal abgesehen davon, ob es überhaupt mit der Menschenwürde vereinbar ist, jemanden zu zwingen, aus finanzieller Not für eine hundsmiserable Bezahlung irgendeinen wie auch immer gearteten Job zu machen, sähe ich - außer der Moral - allerdings keine konkret anwendbaren Gründe, gerade die Prostitution aus diesem System herauszunehmen! An der schlechten Bezahlung kann es ja nicht liegen, auch Arbeitsschutz ist inzwischen bei Prostituierten an der Tagesordnung, und wer glaubt, daß das Gesundheitsrisiko höher ist als in anderen Jobs, dann fragt mal einen Textilarbeiter, der mit 45 wegen Staublunge Frührente einreichen darf. Pflegearbeiten können auch richtig eklig sein, psychische Belastung gibt es dazu, trotzdem ist das ein (relativ) angesehener Beruf. Und ich weiß nicht, wie viele Eltern ihren Kindern raten, zur Armee zu gehen, obwohl dieses Berufsbild trotz Studium und guten Ausbildungen im Grunde "Berufsmörder" bedeutet (deutsche verteidigungspolitische Heuchelei mal außer Acht gelassen), potentiell lebensgefährlich ist, und mit sich bringt, Dinge zu tun, welche zu denken im "Normalfall" allein schon "lebenslang geschlossene Anstalt" bedeuten würde.
Daß auch dieses Post wieder nur eine persönliche Meinung darstellt ist hoffentlich klar, aber eine moralische Wertung vorzunehmen, der man sich selbst nicht unterstellen würde, ist (bezogen auf
andere Leute!) hier ja schon als heuchlerisch und Doppelmoral bezeichnet worden, und das zu Recht. Proklamierten ethischen Standards sollte man sich auch selbst unterwerfen, oder aber ehrlich genug sein zuzugeben, daß man selbst doch nicht so progressiv ist, wie man sich selbst gern sähe! Eine Hure nicht wegen ihres Berufs zu ächten ist zugegeben schon ein erster Ansatz zur Entdiskriminierung, aber mehr auch nicht!
Just my 2 cents
Micha