Befriedigung als Indikator
Wer sich schon einmal richtig verliebt hat, der wird sich vielleicht erinnern: das Gefühl, Schmetterling im Bauch zu haben beim Gedanken an sie, der Wunsch, alles von ihr zu wissen, der Drang, immer mit ihr zusammen sein zu wollen, seit den Zeiten des Smartphones vielleicht auch: WhatsApp-Nachrichten alle 5 Minuten und viel mehr, Aufmerksamkeit, der Wunsch, ihr niemals weh zu tun, es ihr immer recht zu machen, sie zu schützen, et et et. Das ist ein schönes Gefühl, eine Sehnsucht, vielleicht von einigen Menschen als pubertär empfunden, aber in meinen Augen ein wichtiger Punkt für alles Folgende.
Wer schon einmal zu wenig Sex in seinem Leben hatte, der kennt vielleicht auch das: morgens mit einer Erektion aufzuwachen, das Gefühl, gerne einmal wieder zu berühren oder berührt zu werden, der Wunsch, mit einer Frau zu schlafen, der Drang, Sex haben zu wollen, seit den Zeiten des Internets vielleicht auch: Youporn oder xHamster alle 5 Minuten. Das ist ein drängendes Gefühl, auch eine Sehnsucht, von vielen verstanden, aber noch keine Liebe.
Beide Zustände können sich unter Umständen miteinander vermischen: Wer verliebt ist, der will sich auch sexuell in seiner Liebe ausdrücken, wer sexuell unterbeschäftigt ist (und dann ist er ja damit allein), der möchte sich vielleicht auch der Illusion hingeben, er sei verliebt (z. B., weil das die übliche gesellschaftliche Legitimation für ein sexuelles Verhältnis ist). Jedenfalls glaube ich, daß es auch für ein Individuum schwierig sein kann, diese beiden Zustände und Sehnsüchte auseinanderzuhalten. Man fühlt sich womöglich in einer Beziehung, ist aber in Wahrheit nur an sexueller Befriedigung interessiert (manche Menschen nennen womöglich auch so einen Zustand Beziehung). Noch schwieriger mag das sein, wenn ZWEI Menschen sich über diese Situation nicht wirklich im Klaren sind, der eine womöglich verliebt, der andere "untervögelt".
Der treffende Indikator um beides zu unterscheiden ist m.E. vielleicht das, was du, Gernot, als dein Gefühl und Problem beschreibst: was passiert, wenn die sexuellen Bedürfnisse (zumindest für eine Weile) ausreichend befriedigt sind? Nach einem Wochenende im Bett mit dem anstandshalber geplanten Begleitprogramm fühlt man sich plötzlich fremd, fremder, als man sich war, bevor man zu Beginn des Wochenendes übereinander hergefallen ist. Mehr noch: man fragt sich, was dieser Mensch, den man gerade noch so intim berührt hat eigentlich ausgerechnet jetzt noch im eigenen Leben zu suchen hat. Die sexuelle Spannung hat sich abgebaut und es wäre jetzt eigentlich wieder an der Zeit, den anderen alltäglichen Bedürfnissen nachzugehen, dabei empfindet man einen Fremden sogar als störend. Man ist zu Besuch oder hat Besuch von einem Fremden und einem Gast gegenüber oder als Gast benimmt man sich eben auch korrekt: man ist aufmerksamer Gastgeber, aber schläft, arbeitet, etc. ihm doch nichts vor, ohne ihn zu beachten.
Ist es aber "wahre Liebe", die der Beweggrund für das regelmäßige Beisammensein ist, dann wird doch auch sexuelle Entspannung nichts an dem Wunsch ändern, den anderen auch nach dem Wochenende am liebsten gar nicht mehr gehen zu lassen, Tränen am Zug oder Flughafen inklusive. Man ist überall zu Hause, wenn nur die Liebe da ist und muss sich bei seiner Liebe auch nicht dafür entschuldigen, daß man Alltag lebt, wenn sie da ist, schläft, isst, trinkt, arbeitet und freut sich einfach, daß sie nahe ist.
Entsprechend unterschiedlich mag sich das auch auf den selbst empfundenen Zeitaufwand der Beziehung auswirken. Für ein Sexverhältnis: so lange, wie man eben braucht um sexuell befriedigt zu sein, für eine Liebesbeziehung: so lange, wie es irgendwie nur geht.
Kann aus dem Einen das Andere entstehen, aus einer Sexbeziehung eine Liebe? Vielleicht, wenn die Fremdheit gegangen ist wird man es merken. Aus einer Liebe nur noch eine reine Sexbeziehung? Das kann ich persönlich mir nur schwer vorstellen.
Den unterschiedlichen Sinn beider Arten von Beziehung will ich gar nicht werten, vielleicht liege ich auch völlig falsch, das sind nur
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