I.
Jetzt habe ich diesen Thread nach dem Lesen des selten interessanten und meines Erachtens ungemein wichtigen Themenaufrisses (allein dafür schon ein großes Kompliment an die TEs!!) schon seit Monaten auf dem Beobachtungshorizont und habe mir am just vergangenen WE endlich mal die Zeit genommen, den Pfad leserisch komplett durchzupflügen, was zu einem weiteren Kompliment an die Beitragenden führt: bis auf den komischen Vogel auf der ersten Seite, Silberhund_Lisa (gut, dass der davon geflattert ist), zeigen alle, dass sie eine positive, fördernde und auch eine reflektierte, durch den Thread sogar vertiefte Umgangsweise mit Kommunikation haben. Zwei, drei stechen für mich besonders heraus, dazu später mehr. Dreierlei beabsichtige ich nun mit meinem Beitrag:
- I. Aus meiner Erfahrung heraus die Frage nach dem Gelingen bzw. unterschiedlichen Qualitäten der Paar-Kommunikation zu beantworten
- II. Das ein oder andere Highlight im Thread zu kommentieren und in diesem Zuge auch ein paar kurze, ergänzende Bemerkungen zur Literatur zum Thema abzugeben
- III. Durch eine aktuelle Erfahrung, welches durch einen gewissen inhärenten Wandel vielleicht besonders interessant ist, ein Beispiel für jenen Fall zu liefern, in dem man nicht mit seinem Partner reden kann oder will – inkl. einer Empfehlung, was dann ratsam ist.
Zu I.
Ich habe in meinem Leben eine Handvoll Beziehungen mit durchaus unterschiedlichen Frauen gehabt. Zwei davon, die beiden letzten (die sich jeweils über fünf bis sechs Jahre erstreckten), waren besonders prägend. Die letzte verkörperte das, was ich mir immer zu wünschen vermeinte: da war dieses Unmittelbare, Direkte, Unweigerliche und Unabweisbare, dem man einfach nachgehen musste. Der Sex mit ihr war von Anfang an eine Welle, eine Flut, die sich mit der Zeit in für beide ungekannte Dimensionen der Leidenschaft steigerte. Unausweichlich, dass wir ein Paar wurden. Was heißt „unausweichlich“: nichts habe ich jemals zuvor so sehr gewollt, und sie hatte einige Opfer auf dem Weg zu uns zu bringen. Kommunizieren konnte ich auch mit ihr, sie ist eine intelligente Frau. Und doch fand ich, dass an so mancher Stelle die Kommunikation ein wenig zu wünschen übrig ließ. Meines Erachtens lag das daran, dass sie zwar plappern konnte wie ein Wasserfall, das Zuhören dagegen eher weniger ihre Stärke war. Damit hängt sicherlich zusammen, dass ein Eingehen auf die Positionen des Anderen ihrerseits auch eher selten, in einigen für mich wichtigen Punkten sogar gar nicht erfolgte. Das wird dann nicht nur ein Überhören, sondern vielmehr ein fluchtartiges Drüber-hinweg-Plappern gewesen sein, weil sie sich mit bestimmten Dingen gar nicht auseinander setzen wollte (aus wer weiß welchen Gründen: Erziehung, Kultur, etc.) Ich versuchte es auch schriftlich, weil ich ohnehin gerne schreibe, und führte ihr mein Mangelempfinden zu ihrem ausbleibenden Eingehen auf gewisse Punkte aus – ergebnislos, ich bekam weder schriftlich noch mündlich einen Kommentar dazu (und ja, sie hat den Brief sehr wohl erhalten). Mein Lieblingsbeispiel bzw. ein für mich wichtiges Thema war die Kommunikation über Sex: diese hielt sie für unnötig. Ihr Motto war: Machen statt Reden! Mit der Zeit stellte sich natürlich das Gefühl ein, dass sie sich durch mein Nachfragen eher gestört oder unnötig hinterfragt fühlte, also unterließ ich das in diesen Fällen dann auch. Wenn es überhaupt mal zu Kommunikation über Sex kam, dann war das äußerst sachlich. So ungefähr wie Bienchen und Blümchen für die Mittelstufe. (Aus welchen Gründen die Beziehung letztendlich scheiterte, gehört nicht in diesen Thread bzw. zum Thema.)
Völlig konträr dazu verlief die vorhin erwähnte, ebenfalls prägende Beziehung. Da hatte ich anfangs keineswegs dieses initiale Zündungsmoment, welches einen kopfüber und rückhaltlos ins Abenteuer stürzt. Das ist etwas, was man sehr schnell bemerkt. Und weil das ausblieb bzw. nicht da war, war ich schon geneigt, das Ganze frühzeitig zu beenden. Aber die Frau blieb dran, ich ließ mich darauf ein, immer mit offenen Karten. Was folgte, das war eine ungeahnte Entwicklung, und diese Entwicklung wurde vor allem durch gemeinsame und offene Kommunikation vorangetrieben. Wir konnten uns wirklich über alles unterhalten, und das selten gut, nämlich im Sinne des Eingehens auf einander. Wenn wir schon nicht zu allem eine Einigung erzielen konnten, so doch aber ziemlich sicher ein immer tiefer gehendes Verständnis für den anderen.
Besonders belebend und prägend, auch wenn ich das erst im Nachhinein verstand (wie so mancher Mann), war unsere sexuelle Kommunikation. Das fing mit dem gemeinsamen Schauen von Pornos an, mit Verbalisieren des Gefallens und der Szenerien, mit dem Entwickeln von gemeinsamen Phantasien, ging auch zu (selten spektakulären) Club-Besuchen über, und auch zu einem wesentlich interessanteren Öffnen der Beziehung. Die Sachen, die sie mir aus ihren variantenreichen Erlebnissen mit anderen erzählte, hatten eine ungeheuer starke und lustentfachende Wirkung auf mich: es führte stets zu in so mancher Hinsicht ausschweifendem, sehr geilen Sex, der sich vor allem immer wieder entwickelte oder neu erfand …
Noch bevor ich so recht merkte, wie sehr mich das alles anfixt – lernte ich die andere kennen.
Die Sentenz aus dem Ganzen? Natürlich der Rückbezug auf die Ausgangsfrage im Thread: ich kenne mich selbst, auch aus Fremdzuschreibungen, als ungewöhnlich offenen und kommunikativen Menschen. Versucht habe ich es (das mit der Kommunikation) in beiden Fällen, so wie ich dies immer tue. Es klappt aber offensichtlich in deutlich unterschiedlichem Maße. Mitunter liegen Welten dazwischen. An einem selbst oder an einem alleine liegt das wohl kaum: es kommt definitiv auf die Paar-Chemie oder auf die wechselseitige Passung an. Da muss es inhärente Übereinstimmungen („ähnliche Ansichten/Gemeinsamkeiten“, S. 1, TE) geben, und eine Grundvoraussetzung ist ein genuines Interesse am Anderen. (Worauf allerdings sollte man neugieriger sein als auf Menschen, und auf welche mehr als diejenigen, die einem etwas bedeuten, mit denen man seine liebste Zeit verbringt?) Aus diesem Interesse folgen dann mehr oder weniger automatisch weitere wichtige Bestandteile guter Kommunikation: Zuhören, Nachfragen, Verständnisklärung (so weit das möglich ist), Beschäftigung und Auseinandersetzung, letztendlich eine „befruchtende“ Umgangsweise miteinander.
Schwierig finde ich die mögliche, meines Erachtens im Thread noch nicht deutlich heraus gekommene Frage nach der Passung von (Kommunikations-)Typen, die definitiv zu der Ausgangsfrage gehört. Erwähnt wurden (jeweils geschlechtsneutral bzw. beider geschlechtlich möglich) „der aus sich heraus sprudelnde Typ“ und „der eher stillere, in sich gekehrte Typ“. Die TEs sind offenbar ein Parade-Beispiel für die schöne und glückliche Passung zweier offener, kommunikativer Kommunikationstypen. Aber muss das immer so sein? Genauso gut ist es möglich, dass zwei solche Typen ganz schön viel aneinander vorbei plappern. Finden sich ein stillerer und ein redseliger Mensch zusammen, mag das oftmals ganz gut passen: beide können ihre mitteilenden und aufnehmenden Bedürfnisse gut in die Beziehung einbringen. Dennoch mag auch hier irgendwann das Gefühl entstehen: bekomme ich von dem anderen eigentlich genug mit oder warum teilt er mir nicht auch mehr mit (beim Redseligen), demgegenüber bei der stilleren Person: interessiert er sich überhaupt für mich? Ganz ähnlich, schließlich und endlich, bei zwei introvertierteren Charakteren: mag sein, dass sie mit der überwiegenden Stille untereinander die meiste Zeit über ganz glücklich sind (so kann vermeintlich weniger schief gehen), vielleicht haben sie auch das Gefühl, sich im Wichtigsten ausgesprochen und im Wesentlichen verbunden zu sein – aber auch hier mag sich das Gefühl einstellen, ob da nicht doch etwas fehlt? (Entsprechend fasziniert oder „anfällig“ könnte so ein stillerer Charakter dann für so ein überbordendes, sich nur so öffnendes Plapperwesen sein).
Aber vielleicht muss man das gar nicht „Typisieren“ – kein Individuum geht vollends in einem Typen auf, die meisten sind durchaus komplexe Persönlichkeiten, und letztendlich geht es um die Passung von zwei Individuen, gerade in Liebesbeziehungen!
P.S.: Im Übrigen meine ich, dass Typen-unabhängig Reden und (verbale) Kommunikation für die Langfristigkeit einer Beziehung wichtiger als Sex sind. Das mag aber auch eine altersbedingte, opportunistische Anpassung sein: früher konnte ich länger vögeln als reden, heute ist das anders herum