Zeit für ein kleines Fazit bis hierhin...
das leider deutlich länger ausgefallen ist, als ich zu Beginn plante. Man möge mir also verzeihen, wenn ich allzu episch in die Breite ging, doch war es mir wichtig einmal kund zu tun, was mich beim Lesen so umtreibt, gelegentlich holt mich auch meine Vergangenheit als Hobby-Feuilletonist ein und so darf der geneigte Leser das folgende auch gerne als kleinen Essay begreifen (und zur Not auch ignorieren):Ich gebs unumwunden zu, ich habe eine Weile gebraucht mit der Geschichte warm zu werden und bin mir immer noch nicht ganz schlüssig.
Woran das liegt?
Zwei, drei Dinge gibt es, die zuverlässig verhindern, dass ein Text mich in sich hineinsaugt, mich aufnimmt und sich mir damit aufzwingt.
Zum einen sind das Geschichten im Präsens, den ich als Zeitform für eine Erzählung als ungeeignet empfinde. Jeder der nach der sechsstündigen Filmfassung von „Das Boot“ Buchheims Vorlage dazu in die Finger gekriegt, an der quälenden Langweiligkeit des Buchtextes gekaut hat und –wie ich- daran gescheitert ist, wird das vielleicht verstehen.
Zum zweiten: Texte in der „Ich“-Form irritieren mich. Mag sein, dass das an mir liegt. Ich habe –und da bin ich nicht allein- häufig Abgrenzungsschwierigkeiten zwischen Protagonisten und Autor. Hier darf ich als prominentes Negativbeispiel auf Karl May zurückgreifen, der zum Schluss wohl selber nicht mehr wusste, ob er Kara Ben Nemsi oder Old Shatterhand ist. Seine Leser ließ er lange glauben, er sei beides und vertrieb sogar schwunghaft Autogrammkarten mit sich selbst als Westman und Araber.
Ein dritter Punkt: Texte die matriarchalisch geprägte d/s Verbindungen beschreiben entsprechen so gar nicht meiner eigenen sexuellen Präferenz. Ich kann damit meist nichts anfangen und reduziere sie in der Regel auf die sexuellen Handlungen, die ich mangels (oder wegen zu starker) Vorstellungskraft als abturnend empfinde. Merkwürdigerweise ist das Gegenteil davon, nämlich die patriarchalische Dominanz mir durchaus nicht wesensfremd, wenngleich ich es nicht als hervorstechende Charaktereigenschaft bezeichnen möchte. Gelegentlich habe ich sogar selbst die eine oder andere Geschichte mit inhaltlich ähnlicher Struktur veröffentlicht.
Z.B. hier: Homepage "Kopfkino: Short Message" von Der_Patrizier
Es gäbe noch weiteres aufzuzählen, für den Augenblick reicht das aber sicher, um mein temporales Fernbleiben von dieser Geschichte zu erklären. Damit könnte man es nun auch gut sein lassen.
Warum äußere ich mich nun trotzdem und dann auch noch so umfänglich?
Kommentare oder Nicht-Kommentare in Internetforen folgen oft einer einfachen Frage: Mag ich den Autor, oder mag ich ihn nicht. Schaut man sich einmal mit offenen Augen, nicht nur in diesem Geschichtenforum, um, bleibt einem nicht verborgen, dass Autoren mit einem gewissen Beliebtheitsgrad und einem breiten Background an virtuellen Freundschaften relativ häufig (freundlich) kommentiert und sogar dann gelobt werden, wenn sie gelegentlich Dummfug verfassen. Dahingegen verschwinden schlecht vernetzte ebenso häufig, in diesem Zusammenhang sprichwörtlich kommentarlos, in der Versenkung. Nein, ich habe das nicht erfunden, sondern mehrfach getestet.
Nun bin ich also mit dieser anyma nyx nicht nur virtuell befreundet, sondern hatte sogar das unverdiente Glück, sie anlässlich einer Lesung persönlich kennen zu lernen. Ich schätze ihre Texte, die häufig von großer Bildhaftigkeit sind und geschliffenen, brillanten Umgang mit Sprache darstellen, außerordentlich. Es muss ihr wohl aufgefallen sein, dass ich um diesen Text mehr oder minder begeisterungslos herumgeschlichen bin und mich nur einmal kurz zu Wort gemeldet habe. Der Grund es nun dennoch etwas ausführlicher zu tun ist einfach: Sie hat mich um meine Meinung gebeten und schon allein dadurch fühle ich mich gebauchpinselt. Es gibt wenig, was ich für eine(n) Freund(in) nicht tue und so kommt es nun – knüppeldick.
Nach dem die ersten drei Teile es nicht so richtig schafften, mich in ihren Bann zu ziehen, Gründe siehe oben, irritiert mich im vierten der Wechsel zwischen den Zeiten, Im- und Plusquamperfekt, Präsens, mitunter weiß ich gar nicht so recht, wo ich nun bin. Der Stoff, ich wiederhole mich, ist nicht meins und erinnert mich daran, dass es immer wieder Bücher in meinem Leben gab, die ich nicht zu Ende gebracht habe. Marguerite Duras´ „Der Liebhaber“ ist so ein Ding, oder Dumas´ Lady Hamilton. Ich werde mit dem Subordinationswunsch des Antagonisten nicht warm und tue mich schwer, mich in seine Denkweise zu versetzen. Gleichzeitig rutsche ich wieder in jene Unschärfe bezüglich des Blickes auf die Hauptdarstellerin.
Weiter: ich kann nicht umhin, die sprachliche Brillanz zu loben, den gnadenlos präzisen Umgang mit Worten, die zu bunten Bildern werden und mich dazu zwingen, immer wieder einmal inne zu halten und wirken zu lassen. Dabei fällt mir auf: Der nach der Peitsche lechzende Unterwerfungswillige wird mir mehr und mehr egal. Es ist die Sprache, die sich hier verselbständigt und ich lese sie um ihrer selbst willen. Das muss es wohl sein, der Anthagar erwähnte es schon in einem Kommentar, was die Literatur vom simplen Geschriebenen unterscheidet. Mehr und mehr wird der Text für mich zum Selbstzweck. Das Gesamtbild, das er zeichnet ist unwichtig. Ich verliebe mich in die Details.
Wie ein Kind möchte ich die Finger ausstrecken, unfähig zu jeder Zurückhaltung, schon den Speichelfluss des Appetits im Mund, als sei ich eine Vierjährige vor der Bonbonière mit den Kulleräuglein auf rot…
Dieses Zitat drückt vielleicht am ehesten aus, was mich umtreibt. Ein männlicher Hintern im Großformat, etwas das mich, der ich keinerlei Hang zum Gleichgeschlechtlichen verspüre, eher abschreckt, wird mir egal. Frauenlektüre, denke ich. Oder auch nicht, eingedenk der großen Zielgruppe devoter Herren in den einschlägigen Internetforen. Die sind aber als Leser sicher die falsche Zielgruppe, denn feinsinnige Texte rund um das Ziel der Begierde interessieren diese Klientel nach meiner Erfahrung eher nicht. Feuchtglänzendes Bildmaterial dafür umso mehr.
Ich lese weiter, nun selbst begierig geworden, erwische mich aber immer wieder beim Selektieren, genieße solch scheinbare Nebensächlichkeiten wie das Paternoster Abenteuer, verschwende einen träumerischen Blick nach innen, auf nach oben entschwindende, seidenbestrumpfte Beine um mich unversehens dabei zu ertappen, wie die Szenerie sich zu weißen Zähnen wandelt, die sich in würzigen Parmigiano schlagen um mich alsbald im Kondensstreifen eines Airbus im indigoblauen Himmel zu verlieren. Himmel… und lande unsanft auf dem eigenen Allerwertesten bei
Mein Arsch, mein Schw... und meine Eier wubbern vor Geilheit.
Nun, ein Text, insbesondere ein solcher der sich mit BDSM Inhalten beschäftigt darf hin und wieder vulgär werden. Vielleicht muss er das sogar. Auf mich wirkt es nach dem Ausflug in die Stratosphäre allerdings wie eine kalte Dusche. Ich bin wieder ein Opfer des selektiven Lesens geworden. Die sexuellen Handlungen, die dem Obigen vorausgingen sind irgendwie an mir vorbeigeglitten. Also zurück. Nochmal. OK. Nun geht’s wieder.
Ich stolpere über meinen eigenen Kommentar, den ich im Oktober schrieb und fühle mich bestätigt. Unglücklicherweise hatte ich in der Zwischenzeit das Genießen der Gerichte auf die allzu leichte Schulter genommen, was bei meinem Übergewicht gar nicht einfach war. Nunja, ein paar faule Ausreden, wir waren auf Lesereise, ich war mit Bickelmann beschäftigt, Weihnachten stand vor der Tür. Genug. Das muss reichen.
Der sprachliche Umgang zwischen Herr(in) und Sklave(in) wird mir wohl ein ewiges Mysterium bleiben. Ich kann ihm nicht folgen und ein wenig stößt er mich auch ab.
“ Oh! Was sehe ich da? Ich sehe deine dreckigen, kleinen Eier tanzen. Das geht so nicht. Halt gefälligst still, sonst erlaube ich dir niemals, mich mit deiner schmutzigen Zunge zu lecken.”
Und wenn ich der Spur der hüpfenden Eier folge, entlocken sie mir ein schallendes Lachen, das den Antagonisten in der Realität sicher die Erektion gekostet hätte. Ich rufe mich zur Ordnung. Genauere Inspektion des Kapitels entwirft ein Bild von großer sexueller Anziehungskraft und Lust, die einmal mehr zunächst an mir vorbei gewandert ist.
Der Satz
Ich werde dich reiten wollen und das Verlangen spüren, dass du mich jetzt, am Ende der heutigen reizenden Reise mit all deiner Kraft und Leidenschaft nimmst.
erinnert mich an eine Szene meines eigenen Lebens: „Ich glaube ich muss dich noch mal ficken!“, in der Hitze der Nacht ausgesprochen, bevor sie sich auf mich schwang…
Ich verdränge diese Gedanken und widme mich dem vorerst letzten Kapitel, dem handgreiflichen, in dem die Ambivalenz zwar deutlich spürbar ist, doch nichts verhindert und das augenscheinlich auch nicht will. Tagträume, Luftschlösser werden selten wahr. Sollte dem doch einmal so sein, kann der Träumer, oder auch die Träumerin es oft nicht fassen und glaubt zu träumen. Wer weiß, was in jedem Einzelnen von uns Menschenkindern an Sehnsüchten und Verborgenem schlummert, welche Gegensätze in uns tief verschüttet sind und möglicherweise nie, möglicherweise aber ganz plötzlich durch eine Initialzündung ausbrechen.
Nachdem ich nun alle Kapitel noch einmal gelesen und meine persönliche Essenz für mich gesaugt habe, bleibt, neben dem sinnlichen Vergnügen, die Ehrerbietung vor der sprachlichen Gewalt mit der –scheinbar mühelos- eine Geschichte gewebt wird. Inhaltlich, soweit es den Plot angeht, bin ich immer noch nicht warm damit. Dafür trägt, das ist meine feste Überzeugung, die Autorin keine Verantwortung, sondern das ist meinen persönlichen Präferenzen geschuldet. Vor der Verarbeitung, dem Handwerk, ziehe ich den Hut. Das ist große Kunst.
Kürzlich schrieb ich in einer anderen Geschichte über „Das literarische Polytett“, über den Neid, mit dem sich große Geister untereinander gern einmal bepflasterten, die degoutant ebenso gerne jedem Konkurrenten von Herzen einen Misserfolg wünschten. Mir gehts da genau umgekehrt.
In diesem Falle ist jedes einzelne Danke ehrlich verdient und es betrübt mich nur eins, nämlich dass ein unscharfes, schlechtes Mösenbild ein Mehrfaches an Beachtung findet, als ein unter Mühen und Kämpfen und schwerem Ringen entstandenes literarisches Werk von hoher Intellektualität und beispiellosem Vergnügungspotential, vorausgesetzt, Mann kann sich darauf einlassen.
Das Trostpflaster: Für Mösenbilder gibt’s keinen Nobelpreis. Für Literatur schon. Nicht für dieses Werk, aber vielleicht mal für ein anderes. Das Talent dafür wäre da. Zu dick aufgetragen? Achwas. Das verstaubte Preiskommitee muss jetzt schon auf alterschwache Protestlyriker zurückgreifen. Da wünsche ich mir einen frischen Wind.