Hallo Herrin 8 | Grüner Pfeffer und rote Zimmer
Einige Zeit ist inzwischen ins Land gegangen bis ich den Faden – oder sollte ich in diesem Fall besser gleich „Seil” sagen und auf Bondage anspielen? – nun wieder aufnehme. Eine etwas längere Rekursion mit mehr als nur einem Satz erscheint mir daher angezeigt.
Erlaubt mir bitte ebenfalls diese kleine Erinnerung: Die vorangegangene Episode „Sessionregeln und blanke Gier” – Hallo Herrin – enthält den ersten Teil der „Spielregeln”, der zweite folgt nun.
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„Keine Sorge”, antworte ich, „es wird sehr subtil, ein Spiel mit feinen Reizen. Nicht heftig in puncto (Schlag-)Fakten, nur heftig in der Wirkung (nämlich scharf). Das ist ideal für dich, denn ich bin ein Spieler, wie Du weißt. Meine Phantasie ist nahezu grenzenlos. Und! Ich liebe nur ‚krasse’ Wirkungen, keine krassen Sachen.” Ich grinse angesichts meiner forcierten Dreistigkeit und unterzeichne mit Lady A.
„Danke Herrin. Die Spannung steigt.” Eine Minute später: „Sie sagten, Sie bringen etwas zu trinken mit und ihre spezielle Musik. Ich besorge wie gewünscht frische Erdbeeren und Salzgebäck, Sie mögen ja nichts Süßes. Soll ich die Erdbeeren vorher waschen? Wie soll ich auf Sie warten? Was möchten Sie, dass ich anziehe?”
Hallo Herrin 8 | Grüner Pfeffer und rote Zimmer
„Guten Morgen. In Ordnung, Sklave, das Organisatorische also zuerst. Besorg die Erdbeeren bitte erst am Sonnabend – frisch ist nichts von vorgestern und Einkaufen bekanntlich keine schwierige Übung. Die Erdbeeren waschen? Aber ja. Nur eben erst kurz vorher, Matschfrüchtchen können wir schließlich selbst herstellen.
Den Crémant bringe ich mit. Ebenfalls Kerzen, meine Sessioncompilation und zusätzlich zu jenen Spielzeugen, die reichlich vorhanden sind, natürlich auch meine eigenen. Du holst um 16:00 wie verabredet die Schlüssel ab und checkst auch gleich, ob es Sektgläser gibt und ob der CD-Player muckt. Denk auch bitte an deine eigene Musik – wir werden nach ein paar Stunden fürs Erste genug haben und eine Entspannungs- und Plauderpause brauchen. Dann würde ich sie mir sehr gerne anhören. Nein, nicht dein neues Latexshirt, auch wenn es noch so gut aussieht. Ein schwarzes oder weißes Hemd wäre mir am genehmsten.
Das genaue Szenario teile ich dir noch mit. Du wirst jedenfalls eine gute halbe Stunde vor mir dort sein und mit verbundenen Augen auf mich warten, wenn ich um 19:00 das rote Zimmer betrete ...”
„Verstanden Herrin!”, meldest du und: „Ich werde alles zu ihrer Zufriedenheit erledigen. Ein schwarzes Hemd hab’ ich. Ich muss noch schauen, was ich zum Augen verbinden benutzen kann. Ich denke, ich nehme meinen schwarzen Schal, wenn das für Sie in Ordnung ist. Bekomme ich heute noch eine Aufgabe?”
„Wenn es nicht dein dickster Wollschal ist, kein Problem. Eine Aufgabe?
Nun gut. Meine heutige Aufgabe für dich ist die folgende: Geh in Gedanken in das besagte Zimmer. Sieh dir alles genau an. Das spezielle Mobiliar, die Ketten, die Werkzeuge ... Spür sie. Was löst ihr Anblick in dir aus? Beschreib es.
Widersprich nicht! Schreib.
1 Herrin, ich träume schon lange ...
2 Herrin, ich stelle mir vor ...
3 Herrin, bitte benutzen Sie ...
Wenn du beim Schreiben rote Ohren bekommst, machst du alles richtig. Ich werde dich im Laufe der Zeit mit der Nase in jeden einzelnen geilen Wunsch stoßen und dich mitsamt deinen sogenannt ‚schmutzigen’ Phantasien vorführen, dass es dir die Schamesröte ins Gesicht treibt und dich zugleich das Bewusstsein deiner eigenen Versautheit in kaum beherrschbare Höhen deiner Lust katapultiert. Und es wird mir eine explizite Freude sein.
Muss los nun. Hab einen heißen Tag.
Lady Anreiz.”
*
Jenes rote Studio, das ich als den idealen Ort für eine erste ausgiebige Session auserkoren habe, bringt mich selbst in Gedanken zum Vorglühen.
Der eine von den zweien ist ein adretter, stilsicher eingerichteter Raum mit Kingsize-Bett. Auf der bequemen Liegefläche – wie meist hatte ich mich als Liebhaberin harter Matratzen schon bei der Besichtigung mit Schwung darauf geworfen – sind Kissen in cremeweiß, hellgrau und schwarz drapiert. Vor der blutrot gestrichenen Wand an der Stirnseite ergibt dies zusammen mit den modernen Lampen ein stimmiges Ensemble. Gegenüber des eher hohen Bettes nehmen eine gepolsterte Sitzbank und ein Spiegel mit glänzend schwarz lackiertem Rokoko-Rahmen, der unter Garantie eine üppige, goldene Vorlage hatte, fast die gesamte Wand ein. Vor dem Fensterband mit ebenfalls schwarz lackierten Fensterläden – den klassischen, mehrflügeligen, wie man sie nur noch selten in Altbauten findet – steht ein gepolsterter Sessel in Anthrazit. Der Duschbereich hinter einer sandgestrahlten Glaswand ist großzügig, wirkt hell und clean. Es gibt weiße Handtücher im Überfluss, was ich unnötig, aber angenehm fürsorglich finde, eine Küchenecke mit Kaffeemaschine und Kühlschrank, eine Garderobe und diverse Ablagen. Durchdacht, nicht zu pompös, die Kontrastsetzungen erzeugen ein behagliches Gesamtbild.
Dieser Raum grenzt an ein sogenanntes „Spielzimmer” mit jeder erdenklichen Ausstattung des ‚einschlägigen’ BDSM-Genres, das passend zum ersten, jedoch viel dunkler und fast ausschließlich in Schwarz und Rot gehalten ist. Beim ersten Betreten Unbedarfter löst sein Anblick unweigerlich ein hörbares Herunterklappen der Kinnlade aus – wirkt es doch wie eine Mischung eines Verlieses aus dem Reich der Phantasie und einem Boudoir der Lüste.
Dieses rote Zimmer verhehlt seine erotische Bestimmung nicht eine Sekunde!
Ich fühlte mich auf Anhieb wohl, mochte die Zweiteilung und die gepflegte, fast luxuriöse Atmosphäre sehr. Besser konnte es kaum sein für einen Abend ohne jeden Zeitdruck und Open end, abseits von unser beider Alltag und unseren normalen Pfaden. Wir waren uns schnell einig: Dies war der ideale Ort.
Damit rückt unser Plan nun in greifbare Nähe, nimmt Gestalt an und nicht nur das Szenario finde ich ausgesprochen reizvoll ... Auch dich mit deiner jungenhaften Experimentierfreude, dein vorsichtiges Herantasten an deine geheimsten Wünsche und deine anscheinend nie zur Ruhe kommende und zu jeder Tages- und Nachtzeit überbordende Lust. Was wir in wenigen Tagen miteinander würden anstellen können und anstellen werden, dürfte sich in unser beider Gedächtnis einbrennen ... Dessen bin ich mir nahezu sicher.
Meine Konzentration für alltägliche Belange ist demzufolge derzeit nicht die beste. Ein Umstand, der mir ebensogut hätte Sorgen bereiten können, denn auch ich befinde mich bereits in einem nicht ganz unbedenklichen Zustand andauernder Erregung. De facto haben wir uns längst soweit, dass wir beim geringsten Reiz fast platzen.
*
Am frühen Morgen hatte ich auf der Terrasse in der ersten Sonne gestanden und mir die restlichen fünf Erdbeeren, die nicht im Frühstück gelandet waren, eine nach der anderen in den Mund geschoben. Dabei dachte ich versonnen lächelnd an dich und zuckte zusammen. Ahhrg! Zu viel grüner Pfeffer auf dem eben vernaschten Früchtchen. Schlucken und flach einatmen. Die köstliche Süße schmecken und die deutlich mehr als nur ergänzende Schärfe hier nun schlicht: aushalten.
Es würde ein ungewöhnlich warmer Tag werden, der Himmel war von einem klaren, hellen Blau, das Tal lag nicht wie so oft noch unter einem watteweißen Nebelsee. Ich konnte die Silhouette der Stadt und den Turm des Münsters bereits gut erkennen.
Mit einem Blick in den Kalender beschloss ich, mir über Mittag zwei Stunden an einem kleinen See zu gönnen. Ich entschied mich für ein leichtes Leinenkleid, stopfte Bikini, Badelaken und eines der Bücher, das ich gerade lese, in meine große Strandtasche und schnappte mir ein Jackett. Ich würde etwas zu spät kommen, aber das störte mich heute nur mittelmäßig und war nun ohnehin nicht mehr zu ändern. Die Sonnenbrille landete allerdings mit etwas mehr Nachdruck auf der Nase und ich mogelte mich ziemlich forsch durch die morgendliche Blechkistenkette.
Natürlich entwickelte sich der Tag anders als gedacht, die Mittagspause entfiel und es war schon nach fünf als ich endlich loskam, aber immerhin. Es war ein heißer Tag, es war noch früh und ich konnte mir nun so viel Zeit lassen, wie ich wollte.
*
Eine Stunde später liege ich bäuchlings im Gras. Die Abendsonne befingert mit ihrer warmen Hand meinen Hintern. Ich nehme die Beine ein klein wenig weiter auseinander. Und scheinbar absichtslos noch etwas. Ich habe mir eine ganz ruhige Stelle gesucht, allerdings bin nicht alleine am See und das Letzte ,was ich will ist, mich irgendwelcher Ansprachen erwehren zu müssen. Möchte bloß hier liegen, mich von der Sonne bezirzen und durchglühen lassen und meinen Gedanken nachhängen.
Das rote Zimmer beschäftigt mich.
Ich sehe dich darin. Nackt im Licht einiger Kerzen. Die geschwärzten Ketten baumeln im Moment noch lässig hinter dir ...
Deine Augen leuchten, dein Blick irrt umher. Einige Schweißtröpfchen in deiner Halsbeuge zeigen mir zudem, wie nervös du bist. Wie schwer es dir fällt, die erwartungsvolle Anspannung auszuhalten ...
Ich kannte die Räumlichkeiten ja bereits und die Fotos hatten auch dich angesprochen. Mit einem Schmunzeln nahm ich zur Kenntnis, dass du selbst die etwas harmloser und wohnlich-normaler wirkende Alternative des „blauen Salons” nur kurz in Betracht gezogen hattest. Mehr noch, ich konnte geradezu spüren, wie dir der Atem stockte und das Blut zirkulierte angesichts des rotschwarzen Spielzimmers, wie sehr schon alleine der Anblick dich verrückt macht, deine Neugierde anstachelt und deine Wünsche entfacht wie Glut.
Das erotische Mobiliar, vom Sklavenstuhl bis zur Streckbank oder die Lustschaukel an ihren dunkel glänzenden Ketten, treibt dir den Puls in die Höhe, sobald du nur daran denkst und dieses Zimmer vor dir siehst. Die akkurat aufgereihten Werkzeuge gegenüber des Andreaskreuzes laden, in mildes Licht getaucht, geradezu zum Anfassen und Benutzen ein. Vorgestern sagtest du, es jage dir auch ein wenig Angst ein und du habest Respekt vor deiner eigenen Courage. Verstehe dich gut! Du bist derjenige, der sich ausliefern möchte. Du lieferst dich mir aus. Das überträgt eine hohe Verantwortung auf meine Person und es ist meine Pflicht, dir die Unsicherheit – jedoch keinesfalls die vorfreudig lüsterne Spannung – zu nehmen.
Das Display meines Handys leuchtet auf. Deine bildliche Morgengabe neulich, das Foto deines entzückenden Arsches, erscheint.
„Guten Tag, Herrin. Bekomme ich jetzt noch den zweiten Teil Ihrer Regeln, die ich beachten muss, bitte?”
Ich lächle über diese telepathische Verbindung, sind doch meine Gedanken ebenfalls gerade bei dir.
„Aber ja, das passt gerade sogar sehr gut. Setz dich hin und lies sie dir aufmerksam durch. Du bestätigst mir auch hierbei wieder Punkt für Punkt. Einverstanden?”
„Ja! Gerne. Ich werde tun, was Sie sagen.”
„Warte ...”
„Nun denn:
Sessionregeln, Teil II
Außerhalb der Spielsequenzen, auch ‚Sessions’ genannt, halten wir uns an nichts als an die normalen Umgangsformen. Es wird geplaudert, gelacht, herumgealbert und jeder ist, wie er eben ist, außer du wünscht einen ‚Dauerdienst’, dann beginnt dieser an der Eingangstür und endet auch dort.
1. Während der Session sprichst du nur, wenn ich es dir gestatte.
2. Jede deiner Äußerungen enthält mindestens ein Mal das Wort ‚Herrin’ oder eine vergleichbare höfliche Anrede und Respektsbezeugung.
3. Wende ich mich dir zu, ist ein ‚Danke, Herrin’ die Mindestausführung.
4. Wenn du unbedingt meinst, etwas sagen zu müssen, dann frag' korrekt und äußere dich, wenn ich es dir gestatte, in ganzen und verständlichen Sätzen.
5. Bemüßige ich mich, mich um dich zu kümmern, erwarte ich bei jeder Aktion eine Reaktion.
Ein klares Feedback besteht aus körpersprachlichen Zeichen wie lustvolles Winden, Zucken, Aufbäumen, Fluchtreflexe oder Hervorstrecken der erotischen Wirkflächen, so weit es in der entsprechenden Haltung möglich ist. Eine ablesbare Reaktion kann auch ein Lustschrei, ein Stöhnen, ein ‚Ah, Oh, Au, Stopp, Ja, Mehr etc.’ in der entsprechenden Tonlage sein.
Dies ist Begleitmusik, die nicht als Ansprache zählt.
6. Alles was zwischen uns gesprochen, geschrieben oder getan wird, unterliegt der absoluten Diskretion. Fotos oder sonstige Bild- und Tonbelege von realen Treffen sind tabu. Es wird nichts an Dritte weitergegeben, ganz gleich in welcher Form.
7. Während einer Session herrscht eine konzentrierte und ruhige Atmosphäre. Die Mobiltelefone sind stumm gestellt und bleiben draußen. ‚Zeit’ ist unwichtig nun. Sie kann rasen wie dein Herz oder sich ins Unermessliche dehnen wie deine Lust.
Schlussbemerkung: Du bedankst dich für meine Kunst in angemessener Form.
Lies dies bitte sehr genau und sage mir in einer Stunde, ob auch diese erweiterten Vorstellungen uneingeschränkt deine Zustimmung finden.”
*
Äußerlich liege ich noch immer seelenruhig da und strecke den Po in die Sonne. Rekle mich. Recke ihn etwas mehr empor. Spüre die warmen Strahlenfinger an der Innenseite meiner Schenkel und genau im Schritt. Konzentriere mich auf diese begnadete Wärme, fühle das inwändige Pulsieren. Drücke die Hüftknochen etwas tiefer in den Boden und hebe dabei das Becken an. Das wird kritisch werden. Hier und mitten auf der Wiese am See. Einen Zentimeter noch. Ahh! Außerdem ... Selbst schuld. Was röste ich meine Lüsternheit mit jedem Gedanken an dich und das geplante Szenario auch über den ganzen Tag auf kleiner Flamme? Kein Wunder, dass sich da so einiges anstaut und ich den Garpunkt längst erreicht habe! Ich stöhne so leise wie möglich. Nehme die Schultern ein wenig zurück, gerade so, dass ich mit den Brustspitzen das Tuch berühre und mich verfluche, dass ich kein raueres genommen habe. Bewege mich leicht aus der Taille heraus und entlocke dem Stoff sogar etwas, das man als Reibungsqualität bezeichnen könnte. Angenehmerweise drückt sich dabei auch mein Venushügel ins Gras und macht die Bewegungen fast zwangsläufig mit. Ich lasse meine Becken- und Pomuskeln spielen, lege den Kopf unwillkürlich in den Nacken, habe die Augen geschlossen.
Lecke mir über die Lippen und fühle plötzlich eine Hand zwischen meinen Beinen, die eindeutig nicht die meine ist.
6.2017©nyx
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