Hallo Herrin | 2
Mir ist warm und ich spüre, dass mir die Hitze einer Mischung aus Überraschung, Peinlichkeit und Wut aus dem gut, aber unwillig wie immer gebügelten Kragen meiner weißen Bluse steigt. Das Gefühl der heimtückisch sich ausbreitenden Röte verstärkt meinen Zorn und ich greife zur Tagesordnung, nehme das Blatt jedoch instinktiv nicht hoch, sondern nur leicht an, denn ich traue meinen am Abend zuvor noch gepflegten Fingern durchaus ein Zittern zu, lese konzentriert den Satz unter Punkt zwei, dessen Inhalt jedoch niemals in meinem Bewusstsein ankommen wird und versuche, ruhig und unhörbar zu atmen. Natürlich versage ich mir den Griff zur Kaffeetasse – wenngleich diese Geste mir geholfen hätte – wohl wissend, dass die Wahrscheinlichkeit mich zu bekleckern nun sicher bei 70 Prozent läge.
Kurz nach 18:00 erhalte ich erneut eine Nachricht: „Herrin, was machen Sie heute Abend?”
Ich schließe sie sofort, lasse das Smart Phone zwischen die Unterlagen in meiner Tasche gleiten und gehe mit einem Kollegen und unseren Kooperationspartnern essen.
Einen Tag später nehme ich mir am späten Abend einen meiner Lieblinge aus der Nebbiolo-Traube, einen Barolo Paesi Tuoi aus dem Piemont, und schaue der Flüssigkeit zu, wie sie sich an den Seitenwänden des bauchigen Glaskelchs entlang und als ganz dünner Film auf dem Glas fast ins Orange changierend zur Mitte rollt und sich dann als tiefes Granatrot beruhigt. Ich lege die Beine hoch und nehme einen Schluck. Mhmh herrlich! Trocken, geradlinig und leicht versetzt, Nuancen einer Kirschnote und noch zarter, die von Veilchen.
Ich antworte nun: „Dir den Arsch versohlen!”, und nehme einen zweiten Schluck. „Du schickst mir nie wieder tagsüber eine Nachricht aufs Handy. Ist das klar?!”
Die Antwort erscheint prompt: „Scheiße! Ich dachte es auch direkt nach dem Abschicken, dass es eigentlich blöd war. Entschuldige Herrin! Bitte bestraf mich ...”
Ich tippe: „Erkenntnis, immerhin. Damit hast du dir die erste Tracht Prügel sogar redlich verdient” und unterzeichne mit „Lady Gnadenlos”. Eine Minute später: „„Oh ja, bitte! Ich lerne wohl nur so. Wann und Wo?”
Darauf gehe ich nicht ein, ziehe stattdessen die Beine an, schlage sie unter und fordere einen Bericht seiner Vorstellung von dieser Bestrafung bis zum Abend des nächsten Tages.
Wie bizarr der Himmel ist! Ich stehe nackt auf der Terrasse und mein Blick gleitet über die Weite der Landschaft. Die sommerhelle Wärme hat schon nachgelassen, man kann die Dämmerung bereits erahnen.
Von der Haustüre an hatte ich mir den Arbeitstag zusammen mit der Wäsche vom Leib geschält und die Enge des Sollens und Müssens abgestreift. Mit einem wohligen Seufzer war ich über meine Schuhe gestiegen und schenkte der Spur meiner Entkleidung, die bis in die Mitte des offenen Raums reichte, keine weitere Beachtung. Es gab Wichtigeres nun und ich würde sie wie üblich später einsammeln. Es roch nach Regen und die Wolken türmten sich in farbigem Grau über der Hügelkette gegenüber. Ich atme tief ein und spüre an der zarten Kühle des Luftzugs, der über meine linke Seite streift, bereits die Feuchte der kommenden Nacht. Mein Blick gleitet an den Linien der sanften Hügel entlang und schweift ab in die Ferne. Ich blinzle, als mich ein letzter Sonnenstrahl, der eine Lücke im Wolkenfetzen nutzt, erwischt.
Mit einer Hand ziehe ich mir meinen Lieblingssessel heran – ein Bertoia „Diamond”, den ich vor Jahren in einem Secondhand-Laden fand. Zu meiner Begeisterung nur wenig ramponiert und mit noch originalem weißem Drahtgeflecht bei schwarzem und typischerweise geradezu fragil wirkendem Eisengestell. Ich breite ein Baumwolltuch darüber, hänge ein Bein über die in elegantem Schwung gebogene Seitenfläche und beginne zu lesen:
„Herrin, kaum aufgewacht liege ich da, die Augen geschlossen. Ich folge den Gedanken, die über die Nacht durch meinen Kopf geschlendert sind. Es ist noch früh. Ich spüre die frische Luft, die durch das geöffnete Fenster dringt auf meinem nackten Oberkörper. Es fühlt sich frisch an und genau wie in meinem Traum.
In diesem Traum sitze ich in einem Raum, barfuß und nur mit einer knappen Shorts bekleidet. Ein kühler Raum. Ich bewege mich nicht und habe die Augen zu, wie jetzt am Morgen. Es ist aufregend und ich warte. Ich warte, was als Nächstes auf mich zukommt. Ich werde berührt, mal zart, mal hart, mit Hand und Leder. Was passiert mit mir? Ich weiß es nicht. Aber ich weiß, dass es gut ist und richtig so. Denn es ist genau das, was ich möchte, was ich brauch’! Ich werd’ ab diesem Zeitpunkt machen, was von mir verlangt wird.”
„Nehme mir Zeit für dich, Sklave A.” beginne ich zu antworten, „Deine Phantasie ist gut, sehr gut sogar. Du kniest wie in deiner Vorstellung mit geschlossenen Augen in einem Raum. Allerdings bist du nackt.
Es ist kühl und dennoch frierst du nicht. Dein Herz schlägt laut, sonst ist es mucksmäuschenstill. Ein Hauch, eine Bewegung? Ein Zittern überzieht deine Haut und die feinen Fäden der Lust bahnen sich ihren Weg durch deinen Körper. Du wirst nicht blinzeln und die Augen nicht öffnen. Du verharrst regungslos, spürst deine Körperspannung. Was geschieht mit dir? Die atmosphärische Stille umgreift dich und raubt dir den Atem. Du erwartest ... Ja, was? Du weißt es nicht. Ich werde dich reizen. Nicht mit der Hand. Zunächst werde ich dich nicht mit meinen Händen berühren. Mit etwas. Nur womit? Was kommt auf dich zu? Und wie?
8.2016©nyx
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