Hoteldate V - Nylon
Tatsächlich kam die Unterbrechung mehr als gelegen, fast erleichtert atmeten sie aus, konnten sich nur mit Mühe aus dem soeben Erlebten lösen. Hochgefahren waren die Energie und das Verlangen. Pilars Augen funkelten, noch immer blickte sie rasch von einem Galan zum anderen, versuchte deren Gedanken und Gelüste zu ergründen, nahm wahr, wie ihr Gatte sich diskret den Schritt drückte, sah aber auch, wie sich Jacques bereits auf den Drink konzentrierte. Tat er dies, um sich abzulenken, sich zu sammeln, oder wollte er Pilar etwas beweisen? Neugierig schenkte sie ihm weiter ihre Aufmerksamkeit. Dieser Mann gefiel ihr. Wie er lässig, die Beine übereinander geschlagen, im Sessel saß, als sei er dort hineingeboren worden. Dass er es tatsächlich geschafft hatte, sich ihrer Verführung zu entziehen, imponierte ihr. Pilar wurde nicht nur neugierig, sondern sah in ihm eine Herausforderung. Fasziniert beobachtete sie ihn, wie er fast ehrfürchtig den Cocktail begutachtete. Ganz offensichtlich schenkte er im Moment dem Drink mehr Aufmerksamkeit als ihr.
Jacques nickte still, ganz in der Betrachtung des Cocktails vertieft. Die Gläser waren vorgekühlt worden, beschlagen war das Glas, an dem hauchzarte Wasserperlen herab glitten, dunkelrot und klar der Inhalt. Ein kleines Kunstwerk. Das Ehepaar überließ gern dem Gast die Führung, sie ahnten, dass er derjenige war, der sich auskannte, warteten ab. „Auch an die Cocktialkirsche haben sie gedacht“, bemerkte Jacques. „Der Bartender ist ein Profi! Sehr gut!“ Abermals nickte er andächtig und fügte hinzu: „Kein Schnickschnack, kein unnötiges Verziere, sondern einfach nur klassisch. So liebe ich es!“ Seine Begeisterung war offenkundig, auch wie er das Glas sicher in die Hand nahm, nicht an den Stil fasste, sondern den Spieß der Kirsche zwischen Zeige- und Mittelfinger einklemmte, wohlwissend, dass dieser sich beim Trinken gern gen Nasenloch bewegen wird; das Glas zum Toast erhob und seine Tischnachbarn still aufforderte, es ihm gleichzutun. Man sah sich in die Augen, prostete sich mit einer vorsichtigen Bewegung zu.
Gar köstlich entfaltete sich das Kirscharoma des dänischen Likörs, ließ auch scharfen Alkohol vernehmen und erahnen, dass dieser kleine Klassiker mit seinen gerade einmal 6 cl Inhalt, es in sich haben wird. Man nippte vorsichtig, sah sich über den Glasrand hinweg in die Augen. Gewichen war die Wollust, stattdessen stieg erneut die Koketterie, das Flirten auf. Sinnlich verführerisch Pilars Blick, den sie den Männern schenkte, weltmännisch der des Jägers und Neugierde lag in den Augen des Gatten.
Man trank, nickte bewundernd, knabberte edles Gebäck, heitere Gelassenheit hatte Einzug gehalten, und doch spürte Pilar immer wieder die taxierenden und herausfordernden Blicke des Gastes. Wie er ihr auf die Beine sah, eine Bemerkung über das entzückende Kleid verlauten ließ, auch wie fein es ihre Oberschenkel betonte, sodass Pilar dies zum Anlass nahm, ihre Füße nebeneinander zu stellen und die Knie aneinander zu drücken; sich vorzubeugen und ein paar Fischlies aus der Etagere zu nehmen. Langsam führte sie das Salzgebäck an ihre Lippen, unentwegt Jacques in die Augen schauend, überprüfend, ob er ihre Verführungsgeste verfolgte und verstand. Selbstverständ registrierte Jacques auch noch die kleinste Regung Pilars, an der Etagere trafen sich kurz darauf ihre Fingerkuppen, berührten sich und als sei elektrische Spannung hinüber geschossen zwischen zwei Polen, zuckten sie gleichzeitig leicht zusammen, während sich Pilar das kleine Salzige auf die Zunge schob und in den Mund gleiten ließ. Jacques nickte anerkennend, Pilar senkte kurz den Blick, entzückend sah sie aus, sie liebte das nonverbale Spiel des Flirtens und die kleinen erotischen Signale. Jacques hob als Zeichen seiner Wertschätzung das Glas, nickte Pilar und auch Rocco zu, nippte wohlkalkuliert, sah Pilar tief in die Augen. Seine schwarzen Haaren, seitlich grau durchzogen, und die erstaunlich blauen Augen machten Jaques hochgradig interessant. Der Jäger wusste sehr genau, wie er auf Frauen wirkte und worauf es ankam. „Auf einen wundervollen weiteren Verlauf des Abends“, sagte er und schenkte ihnen sein gekonntes, leicht überhebliches, doch auch sehr charmantes, gewinnbringendes Lächeln. Sah nicht nur Pilar tief in die Augen, sondern auch – ganz bewusst – Rocco.
Natürlich sollte der Ehemann nicht das Gefühl bekommen, einen Konkurrenten vor sich sitzen zu haben oder gar einen Nebenbuhler. Solcherlei Gedanken mussten dringendst unterbunden werden, soviel hatte Jaques im Laufe der Jahre gelernt, und so suchte er in Rocco den Verbündeten, suchte nonverbal Einigkeit und gemeinsames Vorgehen, um die hübsche halbspanische Sünde zu verzücken.
Rocco war ein sensibler Mann und verstand sofort die kleinen Signale des Gastes, bewunderte ihn für dessen Verführungsgeschick, sich selbst aber auch für sein Gespür, genau den richtigen erwählt zu haben. Denn Jacques gefiel auch ihm. Diese leichte Erhabenheit, die tatsächlich schon einen kleinen Touch von Arroganz beinhaltete, störte ihn nicht, im Gegenteil, wusste er doch sehr genau, dass Pilar genau solch einen Typus Mann für sich brauchte. Einer, der sie forderte, der es verstand mit ihrem weiblichen Geschick umzugehen, ohne sich vollends von ihr einfangen zu lassen. Kaum ein Mann konnte sich dem widersetzen. Das Netz war zwar über den Geschäftsmann geworfen worden, doch darin verfangen tat er sich keineswegs. Was für ein überaus feingewobenes Geflecht entwickelte sich hier, dachte Rocco, wer fängt hier wen? Er sah kurz zu Pilar hin. Die klebte förmlich an Jacques Lippen und an dessen Augen.
In dem Moment drückte Pilar minimal, wirklich nur ein kleines bisschen, die Knie auseinander und sah Jacques dabei unverwandt in die Augen. Und natürlich fiel der darauf herein. Er nahm die kleine Bewegung wahr, senkte den Blick, sah auf ihre Knie und den kleinen Schlitz zwischen ihren Schenkeln, der sich unter ihrem Kleid verlor. Pilar wiederholte die Bewegung, öffnete und schloss die Knie, nun jedoch ein wenig weiter auseinander und wieder zusammen. Zu spät erkannte Jacques, dass dieser Punkt an Pilar ging, und ihr Lächeln, dass sie ihm schenkte, begleitete sie nun ebenfalls mit dem Erheben ihres Glases und meinte: „Auf dass dieser Abend sehr zu unser aller Freude und Erfüllung verlaufen wird.“ Jacques legte den Kopf nach links und verneigte sich kurz und dezent nach vorne. „Touchèz madame“, fügte er der Anerkennungsgeste unumwunden zu. Alles Weitere würde sich nun von selbst ergeben. Er war mehr als bereit, denn auch ihm war es eng in der Hose geworden, seine Erektion hatte eine beachtliche Größe angenommen. Natürlich zeigte Pilars aufreizendes Verhalten Wirkung bei ihm. Die makellose Haut ihrer Arme, Schultern und Beine, die Tatsache, dass sie keinen BH trug, und dennoch ihre Brüste sich deutlich durch das Kleid abzeichneten, die Brustspitzen der Dame hart waren und dass der Saum des Kleides soweit verrutscht war, dass es wohlgeformte, nylonbestrumpfte Schenkel sehen ließ. Pilar war die pure Versuchung! Ein erotischer Vulkan, der imstande war, die beiden Männer, mochten sie auch noch so erfahrene Liebhaber sein, einem pyroklastischem Strom gleich hinfortzureißen, sollte sich das Szenario erst einmal heiß genug entzündet haben, so nahm Jacques sie wahr, so schätzte er sie ein. Ein Grund mehr, sich auf jeden Fall bestens mit Rocco zu verbrüdern.
Es war Rocco Cavaro, der den Stein ins Rollen brachte. Er rückte seinen Sessel ein wenig näher an seine Frau heran, schaute Jacques an, sodass der es ihm kurz darauf nachtat. Nun saß Pilar mehr oder weniger zwischen ihnen. Sie lächelte ihren Mann an, kannte ihn, wusste, dass seine Lust entwacht war, hatte die Ausbuchtung in seiner Hose schon längst bemerkt, ebenso wie die bei Jacques, und ließ es sich gern gefallen, dass er sie sanft am Nacken zu sich hinzog und ihr einen Kuss auf den Mund gab. Ebenso gern bemerkte sie Jacques Hand, die sich auf ihren Oberschenkel gelegt hatte und sie hauchzart streichelte.
Nein, sie durften nicht weiter auffallen, zu gut besucht war die Lounge noch immer, zu interessant das Trio an dem Cocktailtisch für andere Gäste. Contenance wahren, diskret bleiben, so lautete das Gebot der Stunde. Weder befanden sie sich in einer kuscheligen Nische, noch verbarg eine Tischdecke mögliche Handlungen, und doch … bemerkte Rocco natürlich, was Jacques da tat. Das forsche Handeln des Jägers mochte dessen Erfahrung in erotisch-frivolen Situationen geschuldet sein, auch bemerkte er, dass Pilar dies durchaus gefiel, sie nichts unternahm, um den kecken Besucher abzuweisen, im Gegenteil, sie bot ihm ihr Bein an, bog das Knie etwas nach außen, ihm entgegen. Rocco schluckte. Jacques macht Pilar an, und es gefällt ihr! Sie lässt es zu. So dachte er.
Ging es ihm zu schnell? Konnte er es zulassen, dass ein anderer Mann die Initiative übernahm? Ging es doch um gewinnen oder verlieren? Der uralte Kampf der Rivalität um die Gunst des Weibchens? Nein, dachte er entschieden und verscheuchte mit Nachdruck die destruktiven Gedanken. Es geht um ein Spiel zu dritt, gleichberechtigt zwar, in dem ich als Ehemann aber letztendlich immer das letzte Wort haben werde, so ist es mit ihr abgesprochen.
Noch bevor der Gedankenbefehl: „Mach mit! Zeig auch du ihr deine Lust!“ vollends ausgedacht war, hatte er bereits seine Hand auf ihr anderes Bein gelegt. Pilar wandte den Kopf, sah ihm in die Augen, biss sich auf die Unterlippe und bog ihm ebenfalls ihr Knie entgegen, öffnete den Männern ihre Beine, ließ es zu, dass beide sie berührten. Nach außen hin blieb sie unbeteiligt, sah sich mit schnellen Blicken im Raume um, lachte auf, um den Anschein zu erwecken, man befände sich im heiteren Gespräch vertieft, doch was weiter unten geschah, dass sollte keiner mitbekommen. Männerhände auf nylonweichen halterlosen Strümpfen unter ihrem Kleid, erregende Empfindungen, Hände, die ihre Schenkel weiter nach außen zogen, Augen, die ihr mit lüsternen Blicken auf die Brüste sahen, Worte, die sich auf ihre Nippel bezogen, Nasen, die ihr betörendes Parfum einsogen.
Jacques trank von seinem Cocktail, wirkte gelassen, er verfiel in Smalltalk, indem er das Hotel lobte und auch die ausgezeichnete Küche, seine Hand indes immer wieder langsam an der Innenseite ihres Oberschenkels hinauf gleiten ließ, den Rand ihres Halterlosen erreichte, ihn befühlte, und auch sah, wie Rocco es ihm gleich tat.
Pilar fühlte Fingerspitzten an ihrem Höschen. Waren es Roccos, waren es Jacques`? Sie vermochte es nicht zu sagen, es war ihr auch nicht wichtig. Einzig wichtig war, wie intensiv sie das Pochen in ihrem Schritt spürte, wie sehr sie diese Situation erregte, sie zwischen zwei Männern, denen sie sich hinzugeben begann.
„Herr Ober!“, rief Rocco dem Kellner zu, als dieser sich in ihrer Nähe befand. Entschlossen leerte Cavaro den verbliebenen Cocktail mit einem Schluck. Jacques zog seine Hand zurück, lehnte sich bequem in seinen Sessel und vernahm wie Rocco mitteilte, man möge bitte umgehend den Zimmerservice beauftragen, eine Flasche Champagner auf Zimmer 333 vorzubereiten, mit drei Gläsern. Erneut stieg Pilar die Röte ins Gesicht, als sie die Beine übereinander schlug, den Blick des Kellners auf sich spürend, der jedoch ganz im Stile des Bediensteten eines Grand Hotels antwortete: „Selbstverständlich! Wird umgehend erledigt.“ Jaques ließ sich die drei Cherry Blossom auf seine Zimmernummer schreiben, den Rest übernahm Cavaro, und der Angestellte eilte sich, die Anweisung an den Roomservice weiter zu reichen.
Pilar beugte sich vor und sagte mit leiser Stimme. „Mir geht’s richtig gut, Männer! Wisst ihr das eigentlich?“
Das Lächeln, das sie ihnen schenkte, war an Verlockung nicht zu überbieten und wie einem Versprechen gleich, führte sie sich die rote Cocktailkirsche zwischen die Lippen, leckte mit der Zungenspitze lasziv die verbliebenen Cherry Blossom – Tropfen ab, lutschte an der Kirsche, sah den Männern abwechselnd mit feurigem Blick in die Augen, und erst nach einer Weile nahm sie sie vollends in den Mund.
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Walhorn, September 2016