Hmm, klingt mir schon wieder zu viel nach "du bist dick? Jammer nicht, tu was".
Was, wenn nicht das eigene Gewicht das Problem ist, sondern, wie andere auf einen reagieren oder wie man erlebt, dass andere auf einen reagieren?
Ich bin mit meinem Körpergewicht bisher gesundheitlich sehr gut klargekommen, war in 40 Jahren nie in irgendeiner Weise schwer erkrankt (wohingegen viele "Sportskanonen", die ich kenne, mit kaputten Knien, kaputtem Rücken und irgendwelchen Sportverletzungen herumlaufen), bin sportlich, aktiv und körperlich fit, leide ingesamt also unter keinerlei gewichtsbedingten körperlichen Einschränkungen oder Gesundheitsschäden.
Wenn ich also "jammere" bzw. es schade finde, von so vielen Menschen von vorneherein durch mein Körpergewicht abgewertet zu werden, halte ich den Ratschlag "dann nimm halt ab" irgendwie für wenig zielführend, vor allem, wenn ich bereits ausgeführt habe, dass das nicht immer nur eine Frage der "Willenskraft" ist (was wiederum ein Vorurteil schürt, Dicke seien willensschwach).
Was unterscheidet mich, wenn ich seit zig Jahren mein Körpergewicht halte, von jemandem, der das mit 30 Kilo weniger tut? Esse ich mehr als derjenige? Habe ich weniger Disziplin? Nein.
Mein Bruder hat sein Leben lang weitaus mehr als ich gegessen und war immer gertenschlank, egal was er gegessen hat. Mit reiner "Willenskraft" hat das also nicht immer was zu tun. Sehe ich meine Kinder an, sehe ich genau, wer seinen Körperbau von welcher Familienlinie hat. Da setzt der eine mit stämmigerem Oberkörper sofort jedes Gramm an und der andere kann essen, was er will und bleibt schlank.
Seltsam, dass wir uns bei unserem Körpergewicht einreden, wir hätten die vollständige Willenskontrolle darüber. Bei Körperbehaarung, Risikoerkrankungen oder der Körpergröße machen wir das ja auch nicht (obwohl in Foren wie diesem Dinge wie Schwanzgrößen oder das Alter auch sehr schnell zu automatischen Ausschlusskriterien werden).
Leider hat sich der Schlankheits- und Fitnesswahn inzwischen so sehr in die Köpfe vieler Menschen gefressen, dass man sich dessen nicht mehr bewusst ist. Vor 2000 Jahren war es üblich, den Menschen die eigene Schuld an ihren Erkrankungen zuzuschreiben: Wer krank wurde, musste gesündigt haben und eine Strafe der Götter erleiden, anders konnte man sich das ganze gar nicht erklären.
Ich habe manchmal das Gefühl, dass wir langsam wieder an einem ähnlichen Punkt angekommen sind.
(Ich schweife ab, Entschuldigung).
Wie gesagt, ich glaube, das Problem ist nicht, dass einfach die Geschmäcker verschieden sind. Das Problem ist die automatisierte Wertung schlank = gut/überlegen, dick = schlecht/minderwertig.
Auch wenn man die biologischen Ursachen dahinter versteht, scheint das Verhältnis in dieser Hinsicht (auch zwischen Anspruch und Wirklichkeit) stark auseinander zu gehen.
Aber ich wiederhole noch einmal: Das Ganze spiegelt nur meinen persönlichen Eindruck und muss nicht unbedingt stimmen.