So, ich klinke mich dann auch mal wieder ein.
Herzlich lachen musste ich bei dem Beispiel mit der Tür. Besser lässt sich nicht dokumentieren, wie groß die Schwierigkeiten für AS sein können! Nicht jeder hat dieses Problem des Nichterkennens von Redewendungen, aber doch auffällig viele. Ich habe es nicht so, mische aber unbewusst oft Redewendungen, wenn ich eine verwenden möchte, weswegen ich es inzwischen nur noch selten versuche. Es kommt ja doch nur was Merkwürdiges bei raus
Zur Thematik Männer und Frauen: Die Literatur ist sich bislang zwar weitgehend einig, dass 90% davon Männer seien, ich glaube aber ebenfalls, dass es eher daran liegt, dass Frauen seltener "enttarnt" werden. In der AS-Selbsthilfegruppe, an der ich teilnehme, ist das Verhältnis jedenfalls 50/50. Und dort ist es in der Tat so, dass man bei Frauen erst auf den zweiten Blick mitbekommt, dass da etwas "anders" ist. Weswegen ich es mir bei ihnen noch schwieriger vorstelle, denn je später klar wird in einer Beziehung, dass jemand grundlegend anders denkt und / oder fühlt, desto größer sind dann ja auch die Konflikte, bzw. häufiger unnötige Konflikte, denn wenn man es weiß, lässt sich vieles umschiffen.
Zum Sex selbst: Ich mag körperliche Nähe sehr und finde Sex auch wunderschön, habe aber lange gebraucht, Frauen (damals: Mädchen) an mich heran zu lassen. Berührungen musste ich tatsächlich "lernen". Als ich Anfang 20 war, sagte ich mal jemandem, dass wenn ich eine Frau berühre, in mir drin "eine Atombombe hochgeht". Ich hatte immer das Gefühl, übergriffig zu sein.
Die Frauen hat das natürlich irritiert. Ist ja nicht so, dass sie ein Interesse meinerseits nicht bemerkt hätten, aber warum rückt der mir nicht nahe, so wie alle anderen Männer, die sich für mich interessieren? Genauso, wie ich selbst auch nie bemerkte, wenn eine Frau mich angeflirtet hat. Es war deswegen kein Zufall, dass ich meine erste Freundin mit 25 erst hatte und meinen ersten Sex mit meiner zweiten Freundin mit 28. Zu dem Zeitpunkt hatte ich mich schon längst per Therapie selbst dran gemacht, dieses Problem zu lösen, denn ansonsten war und bin ich ein ganz normaler Mann: Mit sexueller Lust, Gelüsten, Begehren und der Fähigkeit, mich zu verlieben und zu lieben. Ich musste eben "nur" lernen, dass körperliche Berührungen, dass intime Berührungen nichts Übergriffiges sind, wenn sie es selbst ebenso gerne möchte wie ich.
Die Frage nach der sexuellen Attraktivität habe ich natürlich auch schon gestellt. Man unterhält sich ja hin und wieder auch mal darüber, was der/die andere an einem so toll findet.
Da kam übereinstimmend jedes Mal als Antwort, dass sie es sehr attraktiv fanden, dass ich sie so nehme, wie sie ist.
Mich überrascht diese Antwort heute noch. Ist das nicht normal? Liebt man einen Menschen nicht ganzheitlich, inklusive all seiner Fehler und Merkwürdigkeiten? Offenbar wohl nicht
Wirklich oft hatte ich schon den Fall, dass da ein ernsthaftes "Du, ich muss dir da was sagen, das solltest du über mich wissen ..." kam, ich dann Wunder was erwartete, und es dann doch, für mich, Dinge waren, die ich entweder eh schon ahnte, oder mir nur ein müdes Schulterzucken abrangen. Sie hat ein Problem, vielleicht irgend eine Störung oder bestimmte Suchtmuster, und? Sie bleibt ja dennoch dieselbe. Sie hat bestimmte Tabus und benötigt bestimmte Freiräume, und? Das hat doch jeder Mensch und benötige ich auch. Sie hat Kinder, und? Soll ich sie deswegen jetzt weniger attraktiv finden, oder was? Macht doch gar keinen Sinn. Und so weiter, und so fort.
Wo ich für mich gerade dabei bin zu gucken (und darum auch erst jetzt wieder mein Einstieg hier, ich hatte einiges zu tun ...) ist der Umstand, den offenbar viele AS ebenfalls kennen: Dass mir meine Hilfsbereitschaft, auch und gerade in der Partnerfrage, im Weg stehen könnte.
Es ist natürlich eine schöne Sache, jemanden zu "retten", bewusst oder unbewusst, weil deswegen meine Wertschätzung, sie einfach so zu nehmen wie sie ist, ihr entsprechend das Selbstbewusstsein aufmöbelt. Aber darum geht es in einer Beziehung doch letztlich gar nicht! Ideal ist sie, wenn beide sich lieben, aber nicht gegenseitig brauchen. Wenn beide ihr Glück für sich schon gefunden haben und dieses dann nur noch verdoppeln, gefühlt vervierfachen dann, wenn sie sich gefunden haben.
Und da wären wir gleich beim nächsten Kommunikationsproblem: Wenn ich sage "ich brauche dich nicht, ich liebe dich", dann ist der erste Halbsatz sehr wohl ein Kompliment, das den zweiten verstärkt! Für mich bedeutet er, dass ich sie um ihrer selbst willen liebe, nicht weil ich sie als Partnerin "brauche", um mich "ganz" zu fühlen. Das bin ich sehr wohl schon vorher
Ich weiß aber inzwischen, dass "Ich brauche dich nicht" eher als Beleidigung aufgefasst wird. Weswegen ich mit diesem Satz vorsichtig geworden bin.
Das macht dann AS wiederum, vermute ich, dann wieder ein gutes Stück unattraktiv: Diese gnadenlose Ehrlichkeit, die manchmal echt gefühlskalt wirken kann, damit kann nicht jede(r) umgehen. Ist ein großes Problem, weil zumindest ich das nicht gut verhindern kann. Wenn man mich etwas fragt, dann antworte ich darauf immer die Wahrheit. Die nicht immer so schön klingt wie eine Lüge, die aus romantisch-taktischen Gründen von anderen gewählt wird. Wenn mir jemand, völlig übernächtigt, fragt, wie er/sie aussieht grade, dann geht mir ein "blendend wie immer" einfach nicht über die Lippen. Ich kann mir es natürlich vornehmen, in solch einer Situation dann tatsächlich so zu reagieren, wenn es aber soweit ist, klappt es dann aber ja doch nicht.
Es hat schon echt lange gedauert, auf die Frage "Wie geht es dir?" mit "Gut!" zu antworten, wenn es mir eigentlich nicht gut geht. Solche privaten Dinge wie Gründe dafür, warum es einem grade nicht gut geht, gehen Arbeitskollegen nun einmal nichts an.
Auf die Frage "Wirst du mich immer lieben?" kann ich auch nicht einfach mit "Ja" antworten, weil ich es nun einmal nicht weiß, was in 20 Jahren sein wird, und da ich es nicht weiß, kann ich dies nun einmal nicht versprechen. Versprechen sind für mich ein hohes Gut, ich gebe ein Versprechen nur dann, wenn ich mir dann auch sicher bin, dass ich es halten kann. Meine Antwort, egal welche, darauf, kann dann ja nur verletzend sein, wenn sie zwingend dieses "Ja" erwartet! Egal, ob ich da jetzt "Ja, bis zum Horizont" antworte oder "Ich hoffe doch" oder Ähnliches.
Frauen, die diese Art der verbalen Selbstbestätigung benötigen, sind, fürchte ich, da an der falschen Adresse bei mir.
Richtig sind sie, wenn sie indirekte Liebesbeweise wahrnehmen und schätzen.
Es scheint für AS-Menschen typisch zu sein, diese kleinen Dinge, die sie selbst auch wirklich als Liebesbeweis genau so meinen.
Wenn ich eine Wanduhr kaufe, die keine Tickgeräusche macht, dann tue ich es nicht nur aus Rücksicht darauf, dass sie dieses Ticken nachts stört, sondern auch aus Liebe! Liebe heißt für mich "ich möchte dass du glücklich bist". Wenn sie aber nachts unruhig schläft, ist sie nicht glücklich. Also sorge ich dafür, dass sie es kann.
Der Beispiele gibt es viele.
Ja, auch NT-Menschen bringen diese indirekten Liebesbeweise, das weiß ich sehr wohl. Anders ist aber, dass sie es den Frauen häufiger direkt zeigen, während Asperger es nur selten tun und manchmal auch gar nicht können. Für manche geht ihr ganzes Leben lang im Kopf "eine Atombombe hoch", sobald sie jemand umarmt. Weswegen der Stellenwert dieser indirekten Gesten einen höheren Wert hat als sonst: Da sie es sonst nicht (gut) können, zeigen sie ihre Liebe auf anderen Wegen.
Werden diese kleinen Gesten dann übersehen, geht viel verloren innerhalb der Beziehung. Sowohl an Kommunikation als auch an sich wertgeschätzt fühlen.
Ich selbst bin offenbar kein "harter" Fall: Ich mag Umarmungen, genieße sie mit dem geliebten Menschen sehr, küsse die Frau, die ich liebe, dann auch gerne und sage auch "ich liebe dich", wenn ich es empfinde. Und dennoch, mein Flirtverhalten ist nun einmal grundsätzlich anders, ich benötige direkte Ansagen und kenne keine Prioritäten, wenn mir Frau mehrere Dinge aufträgt, die ich für sie gerne machen soll. Was davon für sie die höchste Priorität hat und was für sie weniger wichtig ist, vermag ich nicht zu entschlüsseln. Sie muss es mir sagen.
Last, but not least, das ist jetzt Geschmackssache: Diese bedingungslose Treue kann ja auch als attraktiv wahr genommen werden. Ich selbst bin des Fremdgehens, selbst des Fremdflirtens, gar nicht fähig, sobald ich vergeben bin. Tatsächlich bemerke ich in dieser Situation erst recht nicht, wenn mich eine andere Frau anflirtet: Ich nehme es schlicht nicht wahr.
Das kann dann auch zu Irritationen führen: Man stelle sich vor, ich bin vergeben, und eine Freundin fragt mich, ob wir nicht gemeinsam in die Sauna gehen könnten. Ich hätte damit überhaupt kein Problem! Weil es für mich null komma null ein Flirt ist: Man geht gemeinsam irgendwo hin, wo sich alle wohl fühlen und unterhält sich dann miteinander ganz entspannt, ob nackt oder nicht, macht da für mich keinen Unterschied. Körperliche Annäherungen wird es keine geben. Wenn diejenige dann auf die Idee käme, diese Situation "ausnutzen" zu wollen oder es als Eingehen auf ihren Flirt missinterpretiert hat, wird sie mit Sicherheit aus allen Wolken fallen, wenn ich da dann klar und eindeutig die Grenze setze und spätestens dann eindeutigst signalisiere, dass sie einen intimen Kontakt auch nur irgendwelcher Art vergessen kann mit mir.
Kurz gesagt: Einem AS muss man es einfach glauben, dass es für ihn nichts anderes als Treue gibt.
In der angesprochenen Selbsthilfegruppe jedenfalls wurde dieses Problem auch schon thematisiert. Bei allen anderen, immerhin anderthalb Dutzend Menschen, ist es genauso, sich zu verlieben ist eine Entscheidung für diesen Menschen, ohne Wenn und Aber. Monogamie ist da offensichtlich automatisch eingebaut.
Ich für meinen Teil habe beschlossen, da es diesbezüglich auch schon Irritationen in der Vergangenheit gab, das künftig, sollte sich doch noch einmal eine Beziehung anbahnen bei mir, frühzeitig klarzustellen: Dass ich viele weibliche Freunde und Bekannte habe, ich aber grundsätzlich nur eine Frau küsse: Jene, die ich liebe und mit der ich zusammen sein möchte. Da gibt es für mich auch keine Kompromisse, ich war grundsätzlich ausschließlich mit einer Frau zusammen und habe nicht vor, es in meinem Leben jemals anders zu machen.