Die Frage "Was machst du beruflich?" sehe ich, vor allem beim Date oder bei einem Telefonat, häufig als hilflosen Versuch an, ein Gesprächsthema zu finden, denn darüber kann jeder was sagen.
Ich selber mag diese Frage überhaupt nicht. Ich stelle sie normalerweise nie und möchte es auch nicht gefragt werden.
siehe
Homepage "Bitte lesen, bevor du mich anschreibst" von sin_less
Mich interessiert der Beruf und der soziale Status sowie das Einkommen erst mal überhaupt nicht.
Mich interessiert erst mal einzig und allein der Mensch, seine Interessen, seine Gedanken. Egal ob bei Freunden oder ob bei einem (potentiellen) Partner.
Meine bisherigen Sexpartner, feste Partner, Affären waren total verschieden: ein Fensterputzer, ein Student, ein Fernfahrer (der vorher Autoverkäufer war), ein Möbeltischler (der dann später selbstständiger A&V-Händler war), ein Arbeitsloser, ein Orthopädieschuhmacher, ein Außendienstmitarbeiter.
Obwohl ich selber Akademikerin bin, war ich fast nur mit Nichtakademikern zusammen, was aber keine Absicht, sondern eher Zufall war. Es hatte sich halt nicht ergeben. Vielleicht wird mein nächster Partner ein Arzt oder Sozialarbeiter, vielleicht Richter oder Bauingenieur, vielleicht aber auch Elektriker, Tierpfleger, Koch oder Altenpfleger sein. Keine Ahnung. Wo die Liebe halt hinfällt.
Ich selbst möchte gar nicht nach meinem Beruf beurteilt werden, zumal ich momentan sowieso nicht direkt in meinem studierten Beruf arbeite und auch früher schon phasenweise in ganz anderen Berufen tätig war. Was soll das schon über mich aussagen?
Wird mir diese Frage ziemlich am Anfang des Kennenlernens gestellt, fühle ich einen inneren Widerstand und frage, ob das wichtig für das (weitere) Kennenlernen ist. Meist wird es akzeptiert, dass ich darüber zunächst keine Auskunft geben möchte. Es gibt aber auch Männer, die einem unterstellen, dass man etwas verschweigen will und unehrlich ist und die den Kontakt dann abbrechen. Gut, dann ist das halt so. Dann weiß ich aber auch, dass ICH ihnen als Mensch nicht wichtig bin.
Es ist doch tatsächlich so, dass bestimmte Berufe bei manchen Menschen gewisse (positive oder negative) Assoziationen hervorrufen, sei es nun der Arzt, der Anwalt, der Lehrer, der Beamte oder der LKW-Fahrer, Bauarbeiter, Müllfahrer, Hilfsarbeiter (analog dazu die jeweils weiblichen Gegenstücke).
Und ich gebe zu, dass auch bei mir bestimmte Berufe erst mal negative Assoziationen hervorrufen: Beamter, Versicherungsvertreter, Banker, Vorstandsvorsitzender, Geschäftsführer.
Wobei es auch verschiedene Erfahrungen gibt – ich habe schon sowohl unsympathische, korrupte Geschäftsführer kennen gelernt, als auch durchaus sehr soziale und empathische.
Aber eigentlich kommt es doch immer auf den Charakter eines Menschen an. Es gibt bestimmt in jedem Berufszweig nette Leute aber auch "Arschlöcher".
****he:
Ein Bänker oder Finanzhoschi könnte z.B. einige Sympathiepunkte bei mir machen, wenn er sagen würde, dass er seinen Job hasst und auf der Suche nach etwas anderem ist. Außendienstler, die ihre Arbeit selbst als außerordentlich wichtig und wertvoll erachten und sich über die erreichten Zahlen definieren, kriegen Punktabzug. Mir ist ein Krankenpfleger oder Dachdecker allemal lieber, als einer, der seiner Arbeit im Management oder im Coachingbereich zu viel Bedeutung beimisst.
Genau das finde ich eben total vorurteilsbeladen und habe es auch schon von anderen gehört, dass Leute in bestimmen Berufen abgelehnt werden. Mein (ursprünglich studierter) Beruf gehört auch dazu. Menschen meines Berufszweiges werden auch häufig abgelehnt, vielleicht weil sie mit solchen Menschen schlechte Erfahrungen gemacht haben. Aber sagt denn mein Beruf etwas über MICH aus?
****he:
Eigentlich ist es mir ganz recht, wenn sich jemand schnell durch Statusgelabere selbst outet. So kann ich einen Bogen um ihn machen.
Da kann ich zustimmen.
Mir ist es total unangenehm, wenn ein Mann mit seinem Besitz oder Status protzt.
Kürzlich schrieb mich auf einer anderen Plattform ein Mann an und musste gleich in seiner ersten Mail erwähnen, dass er ein altes Rittergut gekauft und ausgebaut hat, darin noch zwei Wohnungen vermietet, dass er einen Hausmeister und eine Haushälterin hat und dass er erst kürzlich noch ein großes Büro angemietet und eingerichtet hat (inklusive Zweitwohnung).
Ich will so was gar nicht wissen, schon gar nicht in einer ersten Mail. Was will mir ein Mann damit sagen?
a) I have the money, I make the rules. ODER
b) Ich bin zwar hässlich und habe einen kleinen Johannes, aber ich habe Geld.
Suspekt sind mir auch große, teure Autos. Ich setze mich da ungern rein. Und noch unangenehmer/peinlicher ist es mir dann, wenn der Typ mit mir in seinem Auto mit 200 kmh über die Autobahn düsen muss und andere Autofahrer bedrängt, dass ich dann darin fast jedesmal vor Angst sterbe. Das kann er gerne alleine machen, aber ohne mich.
Überhaupt verabscheue ich Protzerei zutiefst. Für mich ist das einer der schlechtesten Eigenschaften eines Menschen. Geht gar nicht! Liegt aber vielleicht auch an meiner eigenen Bescheidenheit und an meinem Gerechtigkeitssinn. Ich finde es einfach völlig unfair, wenn jemand in seinem Job 100 Mal so viel verdient wie ein anderer, der genau so viele Stunden arbeitet, vielleicht sogar körperlich und psychisch viel mehr belastet ist!
Ich fürchte aber, ich werde zu meinen Lebzeiten die Abschaffung dieser Ungerechtigkeiten nicht mehr erleben. Da hilft auch kein Idealismus. Dafür leben wir ja (leider) im Kapitalismus, wo, wie der Name schon sagt, das Kapital, das Geld, die Macht regieren.
Sorry, dass es so lang geworden ist.