Wie kann man als Dom jemandem Schmerzen zufügen wollen und ihn dennoch wertschätzen? Oder was denken Doms dabei? Und was fühlen sie?
Ich versprach ja noch eine längere Antwort. Hier ist sie:
Die meisten Doms, genau genommen die meisten BDSMler überhaupt, sind Reaktionsfetischisten. Das bedeutet, sie ziehen ihre Lust aus der Reaktion ihres Gegenübers. Wenn da jemand vor Lust vergeht, sobald der erste Schlag auf dem Hintern landet, bleibt das nicht folgenlos. Erst in dem Moment weiß Dom: Ja, es ist etwas Gutes, das ich da tue.
Wirklich großartig wird es aber dann, wenn es hier um zwei sich Liebende geht. Dann kommt zur Reaktion noch die Liebe hinzu. Vielleicht mag es nicht für jeden gelten, für mich bedeutet "jemanden lieben" jedenfalls, dass ich ohne Wenn und Aber möchte, dass es diesem Menschen gut geht. Dass er glücklich wird und bleibt. Lust ist eine Form von Glück, und so ist diese Reaktion dann gleich doppelt schön.
Die Frage ist wiederum falschrum gestellt.
Erst kommt die Wertschätzung,
dann erst der zugefügte Schmerz. Wenn du diesen Menschen nicht wertschätzt, kann auch geschehen, dass du den Widerspruch dieser Lust wahr nimmst: Jemand lässt sich weh tun, um sich gut zu tun? Hä? Ist die nicht ganz dicht?
Tust du es aber, akzeptierst du, dass dieser Mensch dir wichtig ist, dass er sehr wohl alle Tassen im Schrank hat, dass es einfach sein Wesen ist und nichts, was diesem Menschen wichtig ist, falsch sein kann, oder anders gesagt: Wertschätzt du ihn, schätzt du den Wert dieses Menschen und alles, was diesem wichtig ist ...
... dann schätzt du auch seine Lust. Und hinterfragst sie nicht mehr. Dann sagst du dir "es ist ihr Wesen, Schmerzen toll/geil/lustvoll zu empfinden".
In diesem Moment schenkst du diesem Menschen den Schmerz. Hingabe im wörtlichsten Sinne ist das, du gibst ihm das, was du beherrschst, spielst auf der Klaviatur des Schmerzes, stimmst ihn wie dein Lieblingsinstrument. Nimmst seinen gesamten Körper an, nimmst ihn wahr, jede Faser dieses Körpers. Jede Bewegung, jeder Atemzug ... alles verdichtet sich, alles ist da.
Es ist ein sehr intimer Moment. Jener vor dem ersten Schlag. Weil aller Alltag abfällt von dir. Du gibst dich auch dem Schmerz hin als passive Person. Nimmst ihn in dich auf. Spürst die Liebe in jedem dieser Hiebe, wirst an deine Grenzen geführt, durch eine harte, aber liebevolle Hand.
Kurzum: So merkwürdig es sich anfühlt, aber Schlagen hat genau in diesem Moment eine höchst romantische Note. Es ist etwas sehr Intimes. Nicht jeder beherrscht es, aber wenn es jemand kann, und wenn die Chemie stimmt, dann flirrt die Luft. Dann wird jeder Zuschauer spüren: Da liegt Liebe in der Luft.
Was du dabei nicht übersehen darfst, ist, dass zum Schmerz auch die Pausen dazwischen gehören. Eine kleine Liebkosung, ein sanfter Kuss ... ein Hauch in den Nacken, ein beherzter Griff in den Schritt, Nacken oder sonstwohin ... der Körper ganz nah, und dann wieder weg von dir ... nah und doch so fern.
Es ist ein Wechselbad der Gefühle. Stehen beide drauf, erlangen beide hierdurch ihren Schlüssel zur Tür gen ihres Lustzentrums, dann ist es eine Achterbahn, ein Rausch der Sinne. Es ist eine tour de force, ein Blick in die eigenen Abgründe, und damit deines Innersten Selbst.
Beim Sex, sagt man, vereinigen sich die Körper.
Ich habe manchmal den Eindruck, dass sich beim (BD)SM deren Seelen vereinigen.
(Disclaimer: Dieser Text kam bei klarstem Verstand zustande, weder Drogen, noch die Droge Alkohol oder sonstwelche Zusatzmittel wurden dafür benötigt. Einzig eine war aktiv: Das, was man leichthin "Leidenschaft" nennt. )