Machen Kompromisse unglücklich?...
... das kommt drauf an, was für ein Typ man ist.
Hallo Joesy75,
zur Beantwortung Deiner Frage ist es hilfreich, sich das Modell der "Verhandlungsstrategien" anzuschauen. Das geht zum Beispiel
hier.
Nach diesem Modell gibt es bei zwei Ebenen (Sach- und Personenebene) fünf grundsätzliche unterschiedliche Verhandlungsstrategien:
• ist einem das Ergebnis der Thematik wichtig, die Beziehung zur Gegenpartei aber nicht so sehr: Durchsetzen ("um jeden Preis"),
• ist das Ergebnis weniger wichtig, die Beziehung zur Gegenpartei auch nicht: Vermeidung ("mir egal, laß uns später drüber reden..."),
• ist das Thema weniger wichtig, die Beziehung zur Gegenpartei aber: Anpassung, Nachgeben ("wir machen's so, wie Du willst"),
• ist das Ergebnis halbwegs wichtig, die Person aber auch: Kompromiß (man trifft sich halt irgendwo in der Mitte) und:
• sind einem Ergebnis und Person sehr wichtig: die Kooperation ("win-win").
Das Modell unterstellt, daß es neben diesen Strategien auch die entsprechenden persönlichen Veranlagungen gibt, d.h. Leute, die grundsätzlich eher nach einer der Varianten unterweg sind (die "Harmoniesüchtigen", die "Revoluzzer"...) - und die sich in ihrer Rolle glücklich fühlen.
Insofern: ein Durchsetzer und eine Harmoniebedürftige passen zum Beispiel prima zusammen.
Um bei eher gleicher Prädisposition glücklich zu werden, ist die Kooperation ein Weg. Dazu ist es unabdingbar, neben der "Was willst Du?" die "Was steckt dahinter?"-Frage zu stellen.
Ein verbreitetes Beispiel ist die Sache mit der Apfelsine. Zwei Menschen treffen aufeinander: "Ich möchte die Orange." - "Ich möchte die Orange auch."
Nach dem Modell gäbe es folgende Varianten:
Durchsetzen: "Ich will und nehme mir die Orange, egal wie es Dir damit geht. Basta!"
Vermeidung: "Hm. Irgendwie doof. Laß uns morgen nochmal drüber reden..."
Nachgeben: "Ich will, daß Du zufrieden bist - nimm Du die Apfelsine."
Und meistens: Kompromiß: "Dann nehmen wir jeder eine halbe Orange." Macht das glücklich?
Die Variante "win-win" könnte so aussehen: "Okay, wir haben beide Interesse an der Orange. Warum möchtest Du sie denn?" - "Ich will einen Kuchen backen und brauche die Schale für das Aroma. Und Du?" - "Ich habe Durst und möchte den Saft trinken." Einer bekommt die Schale, einer den Saft - Win-win statt unzufriedenstellender Kompromiß.
Lange Rede, kurzer Sinn: der üblicherweise als angeblich einzige Lösung kolportierte Kompromiß ist vielfach nicht der einzig gangbare Weg. Öffnet man sein Denken, ist mehr möglich. Mehr Glücklichmachendes.
Viele Grüße,
Thomas