Wegwerfmentalität
Hallo zusammen,
das meiste was ich zu sagen gehabt hätte, haben meine Vorredner schon vorweggenommen, soviel noch speziell zu uns: Wir sind jetzt 19-einhalb Jahre zusammen, bald 10 davon verheiratet, haben zwei Kinder (7 und 3), das dritte ist unterwegs.
Als wir uns kennenlernten war meine Frau 18, ich 27. Es war und blieb für uns beide die erste Beziehung. Beide hatten wir bis dahin schon bewegte Zeiten hinter uns. Ich eine 10 Jahre währende Odyssee auf der Suche nach einer passenden Partnerin, sie gerade ihre Ära als Punkerin abgelegt.
So paßte wohl der Zeitpunkt, es war Liebe auf den ersten Blick, doch es dauerte gut zwei Jahre, bis es richtig schön wurde. Anfangs waren wir beide sehr skeptisch, ob es wohl lange gut gehen würde, denn zu unterschiedlich waren u. a. unsere Elternhäuser und Freundeskreise.
Doch irgendwie erkannten wir die Chance auf eine geniale gemeinsame Zukunft und entwickelten uns weiter aufeinander zu. Wir vertieften gemeinsame Interessen und entwickelten gemeinsame Träume. Das waren z.B. eine Familie mit Kindern und ein gemeinsames altes Haus. Nach 6 Jahren Fernbeziehung, ich studierte damals noch, während sie schon berufstätig, aber noch bei den Eltern wohnte, wagten wir den Schritt eines gemeinsamen Haushalts, gewissermaßen als Test.
Es funktionierte, nach weiteren drei Jahren heirateten wir und konnten, mit viel, viel Glück, unsere o.g. Träume verwirklichen. Erst das Haus, dann die Kinder.
Nun zu den Fragen:
Seit ihr mit einer sexuell offenen Beziehung gestartet oder habt ihr euch in der Anfangsphase aufeinander konzentriert und euch sexuell in gemeinsamer Absprache geöffnet?
Absprachen gab es nicht. Sexuelle Treue bzw. Treue an sich war für uns von Anfang an selbstverständlich ohne daß es einer Erwähnung bedurft hätte. Daß es “offene Beziehungen” gibt, wußten wir ehrlich gesagt kaum, zumal wir das aus unserem sozialen Umfeld bis heute nicht kennen, allenfalls aus Fernsehkrimis. Der Gedanke an PT und Swingerclub kam irgendwann vor Jahren mal auf, wurde aber als Zukunftsmusik verworfen und kam erst in den letzten anderthalb Jahren wieder ins Gespräch. Bis jetzt jedoch unwahrscheinlich, daß es je dazu kommen wird.
Lebt ihr in einem gemeinsamen Haushalt?
Ja, s.o. Bin jedoch die Woche beruflich viel unterwegs und sehe die Familie fast nur am WE.
Was denkt ihr sind die wichtigsten Grundlagen einer glücklichen Beziehung?
Wenn ich mal voraussetze, daß sich beide gut verstehen, einander attraktiv finden, die Chemie stimmt, dann sind sicher sehr wichtig: Gemeinsame Ideale und Wertvorstellungen, gemeinsame Ziele für die Zukunft, gemeinsame Träume, die nur zusammen verwirklicht werden können.
Sex gehört nicht unbedingt dazu. Hat in unserer Beziehung möglicherweise nicht immer die zentrale Rolle gespielt, obwohl die gesamte Bandbreite erlebt, von ekstatischer Lust bis zu totaler Frustration. Mir fehlt jedoch der faktische Vergleich mit anderen Beziehungen.
Ach ja, stimmende Finanzen tragen auch ihren Teil dazu bei!
Was hätte eure Beziehung unbedingt sterben lassen? Was sind für euch die "gefährlichsten" Liebestöter?
Ganz klar: Sexuelle Untreue! Da gäbe es aus heutiger Sicht kein Pardon. Bei vorheriger gegenseitiger Absprache jedoch, könnten wir uns evtl. darauf verständigen. Doch die Frage hat sich für uns mangels Gelegenheit nie gestellt.
Weiterer Punkt: Das nicht-mehr–attraktiv-Finden des Partners. Problem stellte sich uns bislang zu Glück nicht.
Was einmal hätte kritisch werden könnte: Beruflich bedingter Ortswechsel. Als ich nach dem Studium nicht wußte, wohin es mich beruflich verschlagen würde, stand unsere Beziehung insoweit auf dem Prüfstand, als meine spätere Frau klarstellte, daß sie ihre Heimat meinetwegen nicht verlassen würde. Fand jedoch zum Glück meinen Job nicht allzu weit weg und sollte heute doch mal der Fall eintreten, würden wir eine Lösung finden.
Noch mal zu “Kompromissen”: Die sind oft unvermeidlich, sollten auch bis zu einem gewissen Grad zu verschmerzen sein. Spätestens wenn die Verantwortung für gemeinsame Kinder da ist, können beide Partner nicht mehr tun oder lassen, was sie wollen. Da muß man sich auf Gedeih und Verderb zusammenraufen.
Was mir bei anderen ein wenig auffällt: Oft sind es die ersten und einzigen Beziehungen, die dann für immer und ewig halten. Schwer zu sagen, ob sich da gleich die “Richtigen” gefunden haben oder ob eher eine gewisse Routine im “sich Trennen” und “neu Verlieben” fehlt.
Daß heutzutage so viele Beziehungen in die Brüche gehen, ist auch ein Auswuchs dieser Konsum- und Wegwerfgesellschaft. So wie jedes technische Gerät nach einer gewissen Nutzungsdauer auf den Schrott geworfen wird, obwohl es bei entspr. Pflege, Investition und Improvisation viel länger halten könnte, wird sicher oft eine Paarbeziehung vorzeitig in den Wind geschrieben, obwohl sie zu retten gewesen wäre.
Was ich dabei nicht verstehe: Woher nehmen die Menschen eigentlich die Gewißheit, in absehbarer Zeit wieder einen neuen Partner finden zu können? Ist die Angst vor der Einsamkeit nicht viel größer? Wenn jemand in jungen Jahren schon erfahren hat, wie schwer das Partner finden sein kann, wird es dann in reiferen Jahren leichter sein?
Dann doch lieber Kompromisse schließen!
w.