Beziehungsunfähig oder nur Erwartungen inkompatibel?
Ein Ereignis der letzten Tage hat bei mir einige Überlegungen ausgelöst. Zu diesen hätte ich gerne eure Meinung. Meine Überlegungen sollen nicht wertend in irgend eine Richtung sein. Daher kurz zum Hintergrund: Ich lebe polyamor (mit zwei Partnerinnen) und habe in den letzten Monaten einige Fälle von Eifersucht von Metamouren (Partner meiner Partnerinnen) erlebt. Ich schreibe diese Frage absichtlich im offenen Forum, da ich eben auch Antworten von Monos haben möchte.Polys wird sehr oft Beziehungsunfähigkeit unterstellt. Wir wären unverbindlich und bindungsscheu. Dazu gibt es viele Threads. Oft verteidigen Polys sich dann und ein gegenseitiges Hauen und Stechen beginnt. Hier im Forum genau wie in realen Beziehungen. Daneben gibt es (zumindest unter Polys) die Diskussion der Eifersuchtsfreiheit. Ob man so geboren wird, oder ob man es lernen kann? Ob es Menschen gibt, die nun mal krankhaft eifersüchtig sind und ob es dabei an Selbstliebe fehlt? Und was die Unterschiede zwischen Eifersucht, Verlustangst und Neid sind. Daneben gibt es die Definitionsdiskussionen: Was ist Liebe, was ist Polyamorie und ist promiskes Verhalten mit Polyamorie vereinbar? Und zu guter Letzt alle Diskussionen darüber, wer es denn nun leichter hat mit dem alternativen Beziehungsmodell Polyamorie: Mann oder Frau, alt oder jung, intelligent oder einfach gestrickt, Großstädter oder Landei?
Ich habe mich selber fleißig daran beteiligt und doch haben sie mir nicht geholfen.
Vielleicht schaffen wir es, nicht in diese Grabenkämpfe abzugleiten.
Mir sind in jetzt drei Fällen einige Dinge aufgefallen:
1. Beziehung wird sehr unterschiedlich verstanden. Menschen (meine Beobachtungen betreffen nur Männer), die zum ersten Mal mit Polyamorie in Kontakt kommen, erwarten von der Partnerschaft Begrenzung. Aus dem Du und dem Ich soll ein Wir werden. Bedürfnisse müssen harmonieren. Durch das Aufeinander-einlassen verlieren beide Freiheiten. Sie wollen selber einschränken und Kontrolle über den anderen, aber sie wollen auch selber Beschränkungen spüren, um sich der Verbindlichkeit des anderen bewusst zu werden. Der Freiheitsdrang von Polys wird hingegen sehr schnell als Unverbindlichkeit gedeutet. Erst recht, wenn dem Mann selber alle Freiheiten gelassen werden.
2. Verbindlichkeit wird auch sehr unterschiedlich gesehen. Das mag jetzt wirklich nur auf Männer zutreffen, aber auch eigene frühere Erfahrungen mit Frauen sprechen da eine ähnliche Sprache. Verbindlichkeit wird zum einen als gemeinsame Zukunftsplanung verstanden. Zum anderen wird mit Verbindlichkeit eine Anspruchshaltung zum Ausdruck gebracht. Der andere ist für mein Wohlergehen, Glück, Befinden verantwortlich und übernimmt diese Verantwortung. Man tut Dinge füreinander. Der schmale Grad zwischen dem füreinander da sein (dem anderen zuzuhören, sie/ihn zu trösten oder auch einfach mal anzufeuern und anzuerkennen) und dem Einfordern von Rücksichtnahme, Übernahme von Aufgaben und dem Anspruch von Bedürfnisbefriedigung ist nicht oft klar zu erkennen.
3. Konkurenz gegenüber Metamouren. Es wird gegooglt, sich verglichen, bewertet. Was hat der andere was ich nicht habe. Warum sucht sie überhaupt noch mehr? Was fehlt denn in der bestehenden Beziehung. Hier wird offenbar leichter akzeptiert, wenn der "Nebenbuhler" mit ihr verheiratet ist. Da scheinen die Fronten klar. Aber wehe es gibt neben dem Ehemann auch noch einen weiteren Partner. "Warum macht ihr das? Warum lebt ihr so?" Es ist ein Denken im Mangel, nicht im Reichtum. Man ist liebenswert nur, wenn man in etwas besser ist. Liebe und Beziehung muss man sich verdienen.
Es gibt viele Pop-Songs, welche die unterschiedlichen Sichtweisen auf "Liebe" glorifizieren: Frei lassen vs. Verschmelzen.
Kurz:
Sind wir also so beziehungsunfähig und unkommunikativ wie wir uns gegenseitig vorwerfen, oder sind nur unsere Vorstellungen von Beziehung inkompatibel und diese Differenzen überwindbar?