Was ist eigentlich "Kunst", und was ist ein "gutes" Bild?
unscarred
Ich meine: Warum spricht man bei solchen Fotos von Kunst? Für mich ist es kein Problem schöne Menschen schön darzustellen.
Interessant ist, was unsere Gerichte für Klimmzüge veranstalten, wenn es darum geht, "Kunst" erst einmal als Begriff zu umschreiben. Wer mal ein Fragezeichen auf der Stirn haben möchte, der kann mal "BVerfG Kust Definition" eine Suchmaschine eingeben. Die "Kunstfreiheit" ist im Grundgesetz genannt, aber wirklich erklären, was Kunst nun ist, das fällt schwer.
Wer meint, dass man bei schönen Menschen nichts mehr machen muss, um "schöne" Fotos zu bekommen, der hat schon lange keine wirklich guten Fotos auch von schönen Menschen gesehen. Aus dem Stehgreif fällt mir da Peter Lindberg ein. Der hat auch die Top-Models fotografiert, aber ich würde nicht ansatzweise auf die Idee kommen, dass nur weil das Model schön und berühmt ist, ich auch nur ansatzweise solche Bilder zu machen imstande wäre.
Regeln, zur Bildgestaltung u.s.w., wurden bereits angesprochen. Aber, man muss die Regeln nicht nur kennen, und sie einzusetzen wissen, man muss, wie auch mein Fahrlehrer mal meinte, auch wissen, wann man Regeln missachten darf. Man Ray, die "Solarisation" (wenn ich nicht irre), super Bilder. Eigentlich verhunzt, wenn es nur um technisch gute und saubere Fotoarbeit ginge.
Ansel Adams, was kann man für ein Gewese um Belichtungsmessung machen (Zonenlehre). Aber wenn man seine Landschaftsaufnahmen sieht... Und wenn die Bilder als Druck oder auf dem PC schon wirken, dass Fotopapier aber noch eine größere Kontrastbreite bietet...
Und ja Fotos zeigen einen Moment. Dennoch kann auch die Momentaufnahme "eine Geschichte" erzählen. Dafür sorgt das Gehirn. Ein Moment ist keine Geschichte, ein Foto ist eine Fixierung einer einmaligen Gegebenheit, die unser Gehirn so niemals aufnehmen könnte. Aber, wir haben Lebenserfahrung. Unser Gehirn hat es gelernt, zu einer "Momentaufnahme" eine Schlussfolgerung hinzu zu fügen. Wir müssen nicht alles sehen, bzw. gesehen haben, um eine Vorstellung davon zu bekommen, was davor war, und was danach kommen wird. Wir müssen nicht warten, bis ein von uns gesehenes Raubtier uns angreift, um zu wissen, dass es grade gefährlich sein könnte. Das funktioniert auch mit anderen Dingen. Insofern bildet unser Gehirn zu einem Bild eine Geschichte, und wenn man das vereinfacht ausdrückt, ja, dann kann ein Bild auch eine Geschichte erzählen.
Perfekt ist nicht unbedingt interessant. Ich erinnere mich an die Geschichte von dem Meister und dem Schüler, der den Sen-Garten herrichten soll. Und der Schüler harkt den ganzen Garten, bis alles perfekt ist, aber der Meister ist damit nicht zu Frieden. Also macht der Schüler alle noch einmal. Und wieder ist der Meister nicht zu Frieden. Als der Schüler in fragt, was er vergessen hätte, geht der Meister zum Baum, und schüttelt ihn so, das drei Blätter auf die geharkte Fläche fallen und geht.
In dem Sinne, ein gutes Bild ist, wie hier auch schon mehrfach genannt wurde, für mich ein Bild, das ich mir länger anschauen kann, das mich fesselt, in das ich versinken kann, die Zeit verliere. Das muss kein "perfektes" Bild sein.
Und dafür wiederum ist es wichtig, dass der Fotograf entweder riesen Glück hat, einfach sein Handwerk beherrscht. Bei letzterem wird er mehr wirklich gute Bilder hin bekommen, als jemand, der einfach nur wahnsinnig viele Bilder macht. Ich muss gerade an die Geschichte mit den Affen, den Schreibmaschinenen und Shakespeare denken.
Mit Schärfentiefe kann man das Auge des Betrachters lenken. Das ist der Grund, warum ein Foto, auf dem die Iris scharf ist, man jedes Pigment zu sehen glaubt, aber die Nasenspitze schon leicht unschart wird, wesentlich faszinierender ist, als ein Portrait, das von vorn bis hinten gestochen scharf ist. Und das wiederum ist auch eine Frage der Ausrüstung. Und wer sich etwas mit Fotografie beschäftigt hat, der weiß, was 1,8 85, 1,4 85 oder gar 1,2 85 bei Mittelformat bedeutet. Da kostet dann die Objektive schnell mehr, als die meisten Handys, aber mein Handy ist zum Telefonieren, oder auch mal zum dokumentieren, aber zum Fotografieren nehme ich eine Kamera. Und auch wenn ich mir jetzt anfange, untreu zu werden, das 16-300mm hat mir im Urlaub wirklich gute Dienste getan. Es ist die eierlegende Wollmilchsau, nirgends perfekt, aber für Erinnerungsfotos unglaublich toll einsetzbar.