Liebe TE,
WICHTIG vorab: Ich will Dich in kleinster Weise verurteilen, oder Deine Gefühle bewerten. Wie du meinem Profil entnehmen kannst lebe ich selbst polyamor, mit der "klitzekleinen" Komplikation einer sehr ausgeprägten BDSM Neigung.
Was ich hier schreibe, schreibe ich basierend auf meinen Erfahrungen aus mehren monogamen, wie polyamoren Beziehungen.
Zuerst etwas zu eurem gescheiterten Öffnungsversuch:
Der schwerwiegendste Fehler war Deinen Verlobten zu hintergehen und eure Absprache zu brechen.
Das ist für jegliche Partnerschaftsform, sei sie offen oder monogam, Gift und eine schwere Belastung. Aber gerade offene Beziehungen und gerade auch polyamore Beziehungen basieren auf absoluter Offenheit und absolutem Vertrauen, sind diese beiden Vorraussetzungen nicht gegeben, dann ist jegliche Beziehung zum Scheitern verurteilt.
Das Wort polyamor sagt ja aus, dass der polyamore Mensch alle seine Partner liebt. Wenn ich Menschen liebe möchte ich sie nicht verletzten oder hintergehen.
Jedes Beziehungmodell beruht auf individuellen Regeln und Vereinbahrungen der Beteiligten. Das müssen alle akzeptieren und auch leben, ansonsten zerbricht die Beziehung.
Das zerstöre Vertrauen Deines Verlobten wieder aufzubauen wird schwer bis unmöglich. Der Cut zu Deinem Besten Freund ist dafür unausweichlich. Daran wird, wenn Du Deine Beziehung retten willst, nichts vorbei führen, und selbst dann ist nicht gesagt, dass sich das Vertrauen wieder einstellt.
zu eurer Beziehung
Laut Deinem EP war Dein Verlobter 16 und Du 18 als eure Beziehung begann. Ihr seid jetzt auch verlobt, was heißt, dass ihr heiraten wollt (?), es sich also um eine "ernsthafte", starke Beziehung handelt. Ich nehme stark an, dass es sich um die erste ernsthaft, mehr jährige Beziehung für euch beide handelt.
Wie hier schon richtig geschrieben wurde, seid ihr Beide noch in der Findungsphase und auf der Suche nach euch selbst, beziehungstechnisch und auch sexuell.
****** TE:
Mein Verlobter (19) und ich (21) sind jetzt seit fast 3 Jahren zusammen und haben uns vor kurzem einvernehmlich dazu entschlossen mit bestimmten Regeln unsere Beziehung zu öffnen. Ich begann also etwas mit meinem besten Freund T. (21), da ich mich in ihn verliebt hatte. Mein Verlobter sah sich im Internet nach Abenteuern um, da er nun die Chance hatte, seine Bisexualität auszuleben.......
..... Nun stehen so viele Dinge zwischen uns und wir sind beide nicht wirklich glücklich. Ich weiß einfach nicht mehr was ich tun soll. Wenn es nach M. geht, werde ich T. nie wiedersehen, weil er mir nicht mehr vertrauen kann. Das kann ich mir aber nicht vorstellen. Er ist immer noch mein bester Freund und so viel mehr.. Außerdem möchte M. auf jeden Fall für immer eine monogame Beziehung und nachdem ich schon seit vielen Jahren darunter leide, dass ich immer Gefühle für mehrere Menschen gleichzeitig habe, weiß ich nicht ob ich mir das noch vorstellen kann, nachdem ich ein paar Wochen lang erleben durfte, in denen ich dies nicht unterdrücken musste. Verlassen kann ich ihn aber auch nicht, dann wäre ich auch nicht glücklich.
Wenn ich so den oben zitierten Teil deines Posts lese, kommt mir der Eindruck, dass die Öffnung eurer Beziehung primär von Dir aus ging. Zwar schreibst Du, dass Dein Verlobter seine "Bineigung" ausleben wollte, doch zweifle ich sehr an der Ausprägung dieser Neigung, wenn er so plötzlich wieder monogam sein will. Homoerotische Gedankenspielchen während der Pupertät sind keine Bineigung. Sie treten sehr häufig während der sexuellen Selbstfindung auf, die wenigsten leben sie jemals wirklich aus und noch weniger entdecken wirklich eine Homo- oder Bineigung.
Im gegen Satz dazu hattest Du ja einen aktuellen, realen Grund die Beziehung zu öffnen: Du hast Gefühle für Deinen besten Freund entwickelt.
Betrachte ich so den zweiten Teil Deine EP, so schreibst Du, dass Du schon immer starke, auch sexuelle(?), Gefühle für mehrere Menschen gleichzeitig hattest und dir auch nicht vorstellen kannst, Deinen besten Freund, nach allem was vorgefallen ist, für Deinen Verlobten und/oder eure Beziehung aufzugeben.
Lege ich den zweiten Teil Deines EP zu Grunde, so glaube ich nicht, dass Du in einer monogamen Beziehung auf Dauer glücklich wirst. Und es wäre auch nicht fair Deinem monogamen Partner gegenüber, denn eine echte polyamore Neigung wird sich nicht auf Dauer unterdrücken lassen. Das gilt es nun für Dich herauszufinden.
zur Polyamory
Anders als
bjutifool , glaube ich nicht, dass Polyamorie
eine neue Sau, die durch ein altes Dorf getrieben wird
ist.
Ich stimme aber in einem anderen Punkt mit
bjutifool zumindest vom Grundgedanken überein:
Polyamorie, wie jede Form der Öffnung einer Beziehung, bedarf einer gefestigten Persönlichkei, einem gefestigten Selbstwertgefühl und einer ausgeprägten Selbsterkenntnis aller Beteiligten. Und es bedarf des wirklichen, ungezwungenen Willens beider(!) Partner, die sich auch der Tragweite und Konsequenzen bewust sind. Für Menschen, wie euch drei, die sich noch selbst beziehungstechnisch, wie auch sexuell finden wollen und auch müssen, ist es schwer diese Vorrausetzungen zu erfüllen.
Die größten Probleme bei offenen Beziehungen sind Eifersucht, Verlustängste und "Wettbewerbsangst" (Was hat er/sie was ich nicht habe? Ist er/sie besser als ich? Liebt er/sie den oder die Anderen mehr als mich?). Dazu kommen noch zusätzlich die ganz alltäglichen Beziehungsprobleme, multipliziert mit der Zahl der Beteiligten und der Zahl der Kreuzverbindungen.
Threads wie
Warum eigentlich nicht? Getrennte Räume und
Swinger Schl.-H.: Getrennte Wege im Swingerclub zeigen, dass selbst erfahrene Swinger mit eigentlich, auf den ersten Blick, trivialen Dingen, wie Partnertausch gleichzeitig, aber in getrennten Zimmern ein Prolem haben. Somit also schon minimale Veränderungen der Konstellationen und des Ablaufs zu Problemen führen. Und hier handelt es sich um relativ anonyme, zum Großteil einmalige Kontakte ohne eine tiefere Gefühls- oder Beziehungsebene.
Zusätzlich zu diesen grundsätzlichen, persönlichen Voraussetzungen bedarf es der Reife, dass Mann wie Frau offen, ehrlich und verlässlich miteinander diskutieren können und gemeinsam gesteckte Grenzen und gemeinsam beschlossene Regeln für alle bindend sind. Äderungen sind nur in Absprache möglich. Zerstörst Du das Vertrauen, zerstörst Du die Basis.
was kann ich Dir raten / was kann ich euch raten?
Zu aller erst: Du musst Dir darüber klar werden was Du wirklich willst UND wer Du wirklich bist!
Das sind die schwierigsten Aufgaben!
Wenn möglich, sprich mit beiden, T. und M., gemeinsam. Nimm Dir eine Auszeit, wo Du beide nicht siehst. Fühl in Dich hinein welche Gefühle Du für die beiden hast. Denk über Deine, im EP beschriebenen, Gefühle zu anderen nach, die Du früher schon hattest. Schreib Dein Gedanken auf und gewinne geistig Abstand.
Stell Dir auch mal folgende Fragen und beantworte sie ganz für Dich so ehrlich wie möglich:
Warum reicht Dir die platonische Freundschaft zu Deinem besten Freund nicht mehr? Was ändert die Sexualität an der Art und Intensität Deiner Gefühle zu einem Menschen?
Warum willst Du Sex mit anderen Menschen, neben Deiner Beziehung zu Deinem Verlobten?
Wie erfüllend und befriedigend ist die Sexualität mit Deinem Verlobten?
Wie glücklich war die Beziehung zu Deinem Verlobten vor der Öffnung?
Warum wolltet ihr eure Beziehung öffnen?
Warum willst Du eine offene Beziehungen?
Hast Du noch andere Menschen, die Du liebst, und mit denen Du gerne Sex hättest?
Eines kann ich Dir mit Sicherheit, aus meiner Erfahrung, sagen: Mit Deinem Verlobten wirst Du, zu mindest mittelfristig, wenn nicht sogar wahrscheinlicher dauerhaft, nur eine monogame Beziehung führen können.
Werde Dir darüber klar, ob Du das kannst und auch willst!
Auch wird wahrscheinlich kein Weg daran vorbeiführen, Dich von deinem besten Freund zu trennen, wenn Du Deine Beziehung retten willst.
Du kannst leider nicht alles haben, darüber must Du Dir klar werden, und Du musst dann entscheiden ob Du das Eine oder das Andere willst oder doch ganz etwas was Anderes.
Wie steht eigentlich Dein bester Freund zu Polyamorie? Wäre er bereit eine polyamore Beziehung mit Dir zu führen, wenn Du dich von Deinem Verlobten trennst? Oder würde er dann auch eine monogame Beziehung fordern?
Der Kern ist und bleibt aber Deine Selbstfindung! Du musst herausfinden was Du wirklich willst, wer und was Du bist. Das ist ein schwieriger Prozess. Meist braucht es mehr als ein gescheiterte Beziehung, mehr als ein Scheitern, mehr als einen Verlust um herauszufinden, was einem wirklich wichtig ist und welchen Weg man gehen will.
Ich wünsche Dir auf jeden Fall von Herzen Glück auf Deinem Weg, wohin er Dich auch führen mag.