Die Quadratur des Kreises
Eine offene Beziehung zu leben können sicherlich viele. Sie aber richtig zu leben, vermutlich nur wenige.
Was ist nur so schwierig daran? Die Gesellschaft will uns bekanntlich in die Mongamie reinzwängen, zu welcher der Mensch aber nicht wirklich fähig ist. Denn 40-50 Jahre (oder mehr) seines Lebens nur noch mit einem Partner Sex zu haben, ist einfach nicht wirklich sexy, stellt keinen Reiz dar und wird allzu schnell langweilig. Neue Ziele braucht der Mensch und diese sind schnell gefunden. Auf der Arbeit, im Supermarkt, im Sportverein, im Urlaub. Der Weg zum Seitensprung ist somit sehr kurz.
Die sog. "offene Beziehung" soll hier Abhilfe verschaffen, das Fremdgehen mit all seinen unschönen Folgen verhindern. Nur, wie bei allen anderen Süchten bzw. schönen Dingen des Lebens macht die Dosis das Gift.
Unser Er hat vor 10 Jahren mit einer anderen Partnerin diese offene Beziehung ge- und ausgelebt. Mit einem unschönen Ende: Der Trennung.
Die Ausgangslage: Eine eingeschlafene Sexualität, Avancen von anderen bzw. mit anderen und 1.000 Fragen im Kopf: Wie ist der Sex mit der / mit dem? Wie schmeckt der / die? ...
Diese Fragen suchten Antworten und die Vereinbarung der oB war nach 2-3 ausdiskutierten Rotweinabenden getroffen. Spielregeln wurden aufgestellt, No Go's und "Exit-Optionen" eingebaut. Schnell wurde die Beziehung um einzelne Männer und Frauen erweitert. Am Anfang war alles noch unbeschwert, leicht und spannend. Der Sex mit anderen war aufregend und lohnenswert. Einige Fragen im Kopf wurden genauso beantwortet wie Sehnsüchte gestillt. Mit der Zeit kam allerdings auch hier Routine und nahezu ein Alltag dazu. Nun galt es neue Ziele zu definieren und neue Sehnsüchte zu befriedigen. Und genau hier war das Ende der Beziehung begründet: Wir ertappten uns dabei, mehr Zeit mit anderen Sexpartnern zu verbringen, sie wurden zu sehr in den Alltag integriert, so dass die Trennlinie zwischen unserer Beziehung und den Sexbeziehungen zu den anderen immer unkenntlicher wurde. Im Laufe der Zeit wurde immer undeutlicher, wer eigentlich mit wem den normalen grauen Alltag lebt und wer mit wem die Probleme bespricht und löst.
Will sagen: Wir suchten damals das Prickelnde für wenige Stunden in der Woche, schafften es aber nicht, dieses auch so auszuleben. Das schon angesprochene "Gift" nahm in seiner Dosis Überhand und schuf Eifersüchteleien, jene, die wir eigentlich in der Theorie komplett ausschlossen. Denn es sollte ja "nur" um Sex gehen. Allerdings unterschätzten wir die Macht der Psyche. Die Streitereien nahmen zu, es wurde verglichen, missgönnt, vieles falsch verstanden. Die Trennung war irgendwann unausweichlich, da der Weg zurück zur Monogamie verbaut war. Denn das konnte sich bei uns nun keiner mehr vorstellen. Zu reizvoll war eben der Sex mit anderen.
Mit 10 Jahren Abstand und damit mit 10 Jahren mehr Lebenserfahrung lässt sich eben sagen: Eine oB kann man durchaus mit Erfolg leben, sie stellt große Vorteile dar, allerdings ist sie mit einigen Risiken verbunden.
Klare Spielregeln sind genauso wichtig wie eine permanente offene und direkte Kommunikation zwischen den Partnern. Die Beziehung sollte in kurzen Abständen in ihrer Tragfähigkeit bzw. Belastungsfähigkeit kontrolliert werden. Bei sollten wissen, dass sie in jeder Sekunde dieses Projekts die Möglichkeit haben, dieses auch sofort beenden zu können. Keiner darf sich über den Tisch gezogen oder sich zu Taten überredet fühlen.
Wenn diese Spielregeln verankert sind und beide die mentale Stärke für die oB haben, steht einem Experiment eigentlich nix im Wege. Dennoch darf man nicht vergessen, dass am Anfang eine "Probezeit" nicht das verkehrteste wäre. Denn was gestern noch strikt verboten war und eine Trennung zur Folge gehabt hätte und heute erlaubt ist, das braucht im praktischen Ausleben unweigerlich Zeit zum Verarbeiten. Und das besonders am Anfang nicht zu knapp.