Ich schliesse mich voll er Aussage von
blackownspurple an:
Ich wage mich sogar noch weiter aus dem Fenster und behaupte, dass diese menschliche Schwachstelle immer der vermeintlich stärkere, führende oder auch der erfahrenere, "wissendere" Mensch ist, also in der Regel der/die Dom oder Top.
Hier unterscheide ich klar zwischen "unabsichtlichen" Handlungen, also unbeabsichtigten, unterbewussten Beeinflussungen, und "absichtlichen" Handlungen, also absichtlicher, vorsätzlicher Beeinflussung bei der Risikoabwägung und Entscheidung bei RACK, die dann auch in den strafbaren Bereich geht.
Die Aussage von
SciFi2 zeigt genau das Problem:
Bei RACK geht es aber nicht darum, dass ein freier Entscheid getroffen wird, sondern dass man die Risiken abwiegt und dass eine Einvernehmlichkeit besteht. Ersteres kann in meinen Augen vollkommen losgelöst von Subs Verfallenheitsgrad gesehen werden. Und bei zweiterem hat man wie gesagt das Problem, dass man nicht in Köpfe schauen kann.
Es geht nicht darum, dass Sub jederzeit mitentscheidet. Es geht darum, dass Sub die Entscheide mindestens mitträgt. Und hier kann ein Abhängigkeitsverhältnis natürlich klar missbraucht werden. Es steht aber nur in diesem Fall im Widerspruch zur Einvernehmlichkeitsregel.
Betrachtet man die Definition von RACK, und auch von SSC, so ist bei beiden die Vorraussetzung, dass beide Parts, Dom und Sub, geistig voll zurechnungsfähig sind, wenn sie die Entscheidungen fällen. Auch ein Mittragen einer Entscheidung ist nur möglich, wenn ich auch in der Lage bin die daraus erwachsende Verantwortung für mich und meinen Partner mit zu tragen, ich somit im Besitz meiner geistigen Zurechnungsfähigkeit bin. Natürlich muss nicht jede Entscheidung vorab diskutiert werden, dafür gibt es den Metakonsens ja, aber wenn in diesem Rahmen neue Entscheidungen anstehen, und die Objektivität der Bertrachtung und der Entscheidung sind bei dem Sub Part nicht gegeben, da die die Entscheidung maßgeblich durch die Abhängigkeit und nicht durch die rationale Risikoabschätzung bestimmt wir, so verlasse ich klar den RACK Bereich.
Ganz abgesehen von dem RACK und SSC Problematiken, kommen wir an diesem Punkt auch an strafrechtliche Grenzen, da hier dann, abhängig vom psychischen Zustand des Sub Parts, die Verantwortung großteils oder sogar ganz beim Dom liegt. Je nach nachweisbarer Sachkunde steht dann vorsätzlicher Missbrauch im Raum.
Lebe ich extreme Formen des D/s, wie 24/7 und TPE, so sollte ich als Dom sehr wohl den "Verfallenheitsgrad" bzw. Den Grad der Hörigkeit meiner Sub beurteilen können.
Kann oder tue ich das nicht, hadle ich fahrlässig, je nach Sachkunde, sogar grob fahrlässige, unter billigender Inkaufnahme von dauerhaften, psychischen Schäden bei der Sub.
Das Beispiel von
SciFi2:
Wiederum ist das nur der Fall, wenn dieses Verhältnis missbraucht wird. Ansonsten könnte man alle Ehen für ungültig erklären, die aus Liebe geschlossen wurden. Denn Liebe macht blind, heisst es ja ;).
passt gut, nur der Liebervergleich passt nicht. Wähle ich statt Liebe Hörigkeit in diesm Beispiel, so passt das Beispiel sogar sehr gut.
Kann nachgewiesen werden, dass ein Partner dem Andern zum Zeitpunkt der Eheschließung Hörig war und nicht voll geschäftsfähig, so kann die Ehe deshalb annulliert werden. Kann eine Nötigung zur Ehe nachgewiesen werden, so ist das dann mitunter strafrechtlich relevant.
SciFi2 :
Doch, klar. Inwiefern hat man einen freien Willen, wenn man gefesselt und geknebelt ist, sprich unabhängig vom eigenen Willen alles über sich ergehen lassen muss?
Wie im psychischen Fall hat man ein Problem, wenn diese Situation missbraucht wird.
Sub hat hier insofern den freien Willen, dass sie jederzeit abbrechen kann, alles was über das Abbruchsignal hinaus passiert ist strafrechtlich relevant. Es ist ganz klar an mir, dem Dom, sicherzustellen, dass meine Sub zu jedem Zeitpunkt diesen Abbruchswunsch klar signalisieren kann. Dieser ist für mich bindend, ansonsten bin ich im strafbaren Bereich.
Noch mal ganz klar: Ich möchte hier nicht den Fall von vorsätzlichem, strafbaren Handeln diskutieren. Diese Grenze ist klar und nicht Thema dieser Diskussion.
Es geht mir um den "Graubereich", wo eben RACK an seine Grenzen stößt, immer vorrausgesetzt, der Dom Part handelt nicht vorsätzlich strafbar.
"Vorsätzlicher Missbrauch der Machtposition durch den Dom" wäre ein eigenes Thema, das ich aber ganz bewusst aus dieser Diskussion raushalten will.
SciFi2 :
Wenn man es so sieht, dann könnte man es in jedem Fall sein lassen. Denn wie kannst du dir jemals sicher sein, dass ein Partner oder eine Partnerin ehrlich zu sich selbst ist?
Hier kommen wir meiner Überlegung, die zu diesem Thread mit führte, schon sehr nah, nur das Schlussargument sehe ich anders, für mich heißt es:
Ich muss sicherstellen, dass ich weiß, dass meine Sub bei der Findung einer gemeinsamen RACK Entscheidung, also der Grundlage für den Metakonsens, möglichst rational entscheidet.
Hier geht, bei steigender Abhängigkeit, immer mehr der Verantwortung, und damit auch der Verantwortung für den Selbsschutz der Sub, an mich über.
Es ist an mir, dem Dom, wenn ich diese D/s Ebene mit meine Subb betrete, dafür Sorge zu tragen, dass ich noch stärker als sowieso schon im normalen BDSM Kontext auf meine Sub, ihr Verhalten, mögliche Verhaltensänderung und ihren Selbstschutz achte. Das ist dann vergleichbar mit den Verpflichtungen bei einer Vormundschaft.
Der Thread
Sexuelle Abhängigkeit, Um- oder Anerziehung möglich? macht sehr deutlich, dass diese Verantwortung, die der Dom Part ab diesem Punkt trägt, schlagartig weit über das normale Maß im BDSM hinaus geht, da ich die Verantwortung nichtmehr mit dem Sub Part teilen kann.
Ferner zeigt dieser Thread sehr gut, dass es bei Konditionierung und Hörigkeit um Praktiken geht, die weit über das Ende einer Dom/sub Beziehung hinaus gravierende Auswirkungen haben können. Auch hier sehe ich Grenzen des RACK, da eine wirklich tragfähige Risikoabwägung, im Vorfeld der Konditionierung, eben auch die Auswirkungen einer späteren Trennung und die Langzeitwirkungen berücksichtigen müsste.