Natürlich würde ich mit einer Rollstuhlfahrerin ins Bett gehen. Oder die Couch. Oder den Boden. Oder den Tisch
Ich bin auch selbst eine &nicht zum ersten Mal hier.
Ich schlitterte aus einer Welt, in der es keine/kaum Berührungsängste oder extreme Vorurteile gegenüber Rollstuhlfahrern gab in den Joy. Aus einer Welt mit Menschen, die mich gewöhnt waren, weil sie mit mir aufgewachsen sind in eine Welt mit erstaunlich vielen Menschen, die gar keine Berührungspunkte zu Rollstuhlfahrern haben.
Natürlich hagelte es Kontaktabbrüche am laufenden Band, sobald das böse Wort "Rollstuhl" erwähnt wurde.
Grade weil ich es absolut nicht erwartet hatte machte es mich fertig und ich bekam einen unfassbaren Drang das warum zu verstehen.
Glücklicherweise gab es erstaunlich viele Menschen, die sich darauf eingelassen haben mir alle Fragen zu ihrem "Problem Rollstuhl" zu beantworten.
Natürlich gibt es die Gruppe "Es ist einfach nicht attraktiv. Genauso wie ich Frauen mit der Haarfarbe x, der Augenfarbe y oder der Statur z nicht attraktiv finde".
Tja, C'est la vie. Es passt einfach nicht immer.
Sehr viele haben einfach Berührungsängste, weil sie nie wirklich Kontakt zu Rollstuhlfahrern hatten.
Ich will niemanden beleidigen aber ich muss es mal ganz klar sagen. Sehr viele dieser Menschen haben unfassbar absurde Vorstellungen vom Alltag eines Rollstuhlfahrers und deren Fähig- und Möglichkeiten. Und die Unterscheiden sich bei jedem Rollstuhlfahrer. Trotzdem ist eine sehr verbreitete Meinung, dass
jeder Rollstuhlfahrer so gut wie gar nichts alleine kann.
Sehr oft wurde mir gesagt, man könne sich Sex nicht vorstellen, weil man ja andauernd beim um-positionieren helfen müsse und Angst habe, dabei durch fehlende Erfahrung zu verletzen.
Tja, meine lieben Freunde. Es gibt da etwas, das nennt sich Kommunikation. Mit dieser lässt sich so etwas klären. Ich wage zu behaupten, dass sehr viele überrascht wären, wenn sie feststellen, wie wenig Hilfe einige Rollstuhlfahrer(natürlich nicht alle) brauchen. Und, dass sie tatsächlich wissen wobei sie Hilfe brauchen und die nötige Hilfe auch gut beschreiben können. Genauso wenn etwas an der Hilfestellung schmerzhaft ist. So etwas kann passieren, ist aber meist kein Drama.
Mal ehrlich, mir haben Ärzte und Pflegepersonal in Krankenhäusern bei Hilfestellungen deutlich mehr Schmerzen bereitet als (teils sehr unsichere) Sexpartner.
Witzigerweise konnten sich fast alle, aus dieser Kategorie nach unseren Diskussionen ein Treffen dann doch vorstellen. Was Kommunikation und Aufklärung nicht alles bewirken kann...
Einige fühlten sich genötigt vorher noch mehrfach zu betonen, dass sie unsicher sind und vermutlich sehr unbeholfen wirken und ihnen das Leid tut. Das "geschulte Auge" bemerkt sowas natürlich meistens. Aber genau das waren oft die Menschen, die ihre Berührungsängste am schnellsten abgebaut haben. Und, zumindest in meinem Fall, gemerkt haben, dass ich eigentlich gar nicht großartig Hilfe brauche.
Dann gab es noch die Menschen, die es abgelehnt haben, weil sie sich durch Sexpartner im Rollstuhl an die Arbeit erinnert fühlen.
Wenn sie es mit einem ziemlich fitten Rollstuhlfahrer zu tun haben sind sie oft sehr überrascht, dass es sie eben nicht an die Arbeit erinnert werden, weil ihr Gegenüber nicht oder sehr selten die Hilfe braucht, die dieser Mensch von der Arbeit gewöhnt ist.
Selbes gilt für die meisten, die Angehörige im Rollstuhl haben und sehr in deren Pflege involviert sind/waren.
Diese "Kategorie" empfand den Umgang oft überhaupt nicht anstrengend. Ich hingegen...sehr. Diese Menschen neigen unbewusst dazu...schwer zu sagen. Ihre Hilfe "aufzudrücken". Einfach weil sie es gewöhnt sind Dinge für Rollstuhlfahrer zu übernehmen. Jemanden, der so sehr an seiner Selbstständigkeit hängt wie ich kann das sehr schnell an den Rand des Nervenzusammenbruchs bringen
Aber auch hier hilft: Kommunikation.
Ich glaube ich kann es nicht oft genug sagen. Kommunikation ist bei jeder Art von Berührungsängsten eine Art Heilmittel.
Aber das geht nur, wenn beide Seiten dazu bereit sind. Also meine Bitte an alle Menschen mit Berührungsängsten. Wenn ihr es plötzlich mit einem Rollstuhlfahrer oder einem Menschen mit irgendeiner anderen Behinderung zu tun habt, versucht euch von euren bisherigen Gedanken zu distanzieren. Nutzt euren Mund. Redet. Fragt was ihr fragen wollt. Sagt, was euch unsicher macht.
Der Rollstuhlfahrer eures Vertrauens/Begehrens hilft euch sicher weiter
Ich glaube, nur so können wir die Barrieren in den Köpfen einreißen. Durch
erleben.
Einige werden überrascht sein, was viele Rollstuhlfahrer können. Und man lernt nie aus. Selbst Menschen, die mich seit Jahren kennen schauen mich schockiert an, wenn ich sage, dass ich ein 2m hohes Bücherregal, quasi mit einem nutzbaren Arm und im sitzen nicht nur zusammengeschraubt sondern auch hingestellt habe.
Natürlich brauchen nicht alle Rollstuhlfahrer quasi gar keine Hilfe. Aber genauso wenig sind nicht alle Rollstuhlfahrer zu "gar nichts" in der Lage.
Schert nicht alle über einen Kamm. Redet. Es hilft.
So, damit beende ich meine Wall of Text. Vielen Dank für die Aufmerksamkeit
MelodyofSilence over and out.