Romantik ist ... (1)
wenn's passiert.
Das Teenagerdasein 1980 im ländlichen Norddeutschland war pure Abwesenheit von Romantik. Damals, mittendrin, empfand ich alles als so sachlich und nüchtern, einfach schrecklich. Heute, mit Blick durch dieses Nostalgieorange eines alten Kodakabzugs ist es reine Sublimation:
Der durchknutschte Abend mit ihm (13) unter dem großen geblümten Millefleur-Regenschirm (ja, der mit Rüschenrand!) seiner Mutter im Frühlingsdauerregen beim stundenlangen Spaziergang durch das dunkle, stille Nachbardorf (noch ohne Bewegungsmelder, smile). Was haben wir eigentlich gesprochen? Haben wir eigentlich gesprochen? Bestimmt, sonst wäre es nicht dazu gekommen. - War echt richtiges Zungenficken!
Als mein Tischherr auf der Hochzeit meines Cousins sah er echt süß aus in diesem blauen Samtanzug mit dicker Krawatte. Ein richtiger Wolf im Schafspelz. Wie seine Hände mich immer wieder umfassten unter meinem blauen Bouclé-Kurzmantel, nah an der Haut unter dem dünnen Träger-Abendkleid, während ich (15) den Schirmstock hochhielt.
Dass meine Mutter damals die zartlila gebatikte Windel als Halstuch entnervt durchgewunken hatte, war echt cool von ihr gewesen. Und ihm gefiel das Muster auch. (Nein, ohne Hintergedanken, ... hallo??!! Smile.)
Glaube, wir hatten schon bei der goldenen Hochzeit der Großeltern meines Cousins gekuschelt, mit sechs und acht im Fernsehzimmer des Bauernhauses auf dem alten Sofa, auf dem der goldene Jubilar sonst unter der Woche "in Manchesteruniform" seinen Mittagsschlaf hielt, also nicht in der guten Stube.)
Ich weiß noch, auf die Frage nach dem späteren Beruf lautete seine Antwort: Frauenarzt oder Fensterputzer. Diese neigungskompatible Flexibilität fand ich zwar nicht ganz uncharmant, aber doch etwas zu gedehnt. Ein Grund, besser nicht mit ihm "zu gehen".
Und das war ja noch weit vor "Die unerträgliche Leichtigkeit des Seins"; ein Tomàš war er aber schon und nicht der Letzte ...