Noch so ein paar Marginalien
Man kann seine Mitmenschen einfach so nehmen, wie sie nunmal sind - oder man kann sie einteilen in Solche und Solche. Weil es aber meist mehr Solche gibt, kommt man von ganz alleine zu dieser Einteilung und ist froh, wenn es wenigstens noch ein paar anständige Solche gibt. Nun gibt es aber noch mehr Kathegorien als Solche und Solche.
Zum Beispiel gibt es da die sogen. "Anlaufzeit". Es gibt nun Solche, die darauf pfeifen, bei privaten dates am liebsten nackt die Tür aufmachen bzw. sich sofort die Kleider vom Leib reissen und gleich loslegen wollen. Das sind wohl auch die, wo in die Szene am Baggersee gehen, ins Pornokino oder sogar auf den Parkplatz, wo es manchmal nur Sekunden sind zwischen dem ersten Blickkontakt und "hartem" Sex - wenn es denn überhaupt einen Blickkontakt gibt ... Aber es gibt eben auch Solche, denen sich bei den Gedanken an sowas die Haare zu Berge sträuben und eben ihre Anlaufzeit benötigen. Man muß doch wissen, mit wem man es zu tun hat und sich kennenlernen und beschnuppern ...
Und diese Anlaufzeit wird in einem "klassischen Club" in ganz hervorragender Weise geboten. In meiner "Clubzeit", die sich etwa von 1993 bis 2005 erstreckte, haben die "klassischen Clubabende" immer den gleichen Verlauf genommen: die Gäste trudelten so ab etwa 20 Uhr rum ein, zogen sich mit mehr oder weniger großem Aufwand um und tummelten sich um die Bar, wo auch ein gewisses "Schaulaufen" veranstaltet wurde. Einige verschanzten sich regelrecht hinter ihren Getränken, andere tanzten auch ein bischen, der Non-Stop-Witzeerzähler fehlte auch nie an der Bar - nur wenige trieb es jetzt schon auf die Matten: Paare mit irgendwelchen Bekannten, die "Clübchen im Club". Dann klatschte endlich jemand in die Hände und erklärte das Buffet für eröffnet, worauf die gesamte Horde darüber herfiel, wie ein ausgehungertes Wolfsrudel. Ausgehungert war man ja auch: das Buffett wurde manchmal erst so gegen 22 Uhr rum eröffnet - eine für's Abendessen ganz und gar unmögliche Zeit! Und erst nach dem Mampf, dem Verdauungskäffchen und -kippchen und dem einen oder anderen Sektchen ... dann gings auf einmal los, es strömte in die Aktionsräume - Mitternacht war da meist schon vorbei und es ging schließlich rund bis morgen früh.
Ist es heute noch so ? Ich weiß es ja nicht, aber ich nehme es einfach mal an.
Da sind wir Szenegänger etwas anders drauf - nur die vom Parkplatz halten so lange mit. Vom Baggersee geht man spätestens bei Sonnenuntergang nachhause und im Pornokino ist meistens schon Feierabend, bevor der "Betrieb" im Club überhaupt erst losgeht. Wenn dort die Korken knallen - dann liegen wir Szenegänger meist schon wieder brav in unserer Heia.
Warum manche Menschen solche langen "warm ups" brauchen, und manche von Null auf Hundert in 2,9 Sekunden hochdrehen - da gibt es viele Gründe. Einen von diesen Gründen glaube ich zu kennen:
Jeder Mensch hat einen gewissen "Sex-Charakter", ist beim Sex in einer ganz bestimmten Art und Weise drauf (oder auch drunter), die sich auch im Lebensverlauf mehrfach ändern kann. Diesem Sexcharakter steht der "Alltags-Charakter" gegenüber - manchmal unterscheidet sich dieser Alltagscharakter garnicht vom Sexcharakter - manche sind beim Sex genauso drauf (oder drunter) wie im Alltag. Nicht selten jedoch gibt es einen mehr oder weniger großen Kontrast zwischen dem Sexcharakter und dem Alltagscharakter. Es scheint manchmal regelrecht so, als ob einige beim Sex "völlig andere Menschen" werden. Da gibt's ja auch das klassische Klischee vom eiskalt-zynischen Manager, der im Club als devoter Maso-Sklave vor seiner Domina kniet, einer mondänen femme fatale, die ansonsten vielleicht eine erzsolide Sachbearbeiterin vom Einwohnermeldeamt und liebevolle Mutter ihrer Kinder ist. Aber die meisten dieser Kontraste zwischen Sexcharakter und Alltagscharakter sind wohl weitaus weniger melodramatisch als dieses romantische Klischee.
Einige scheinen das regelrecht zu genießen, beim Sex auch in dieser Hinsicht "aus sich heraus zu gehen", einige tun sich damit ein wenig schwerer. Und ich glaube, das sind diejenigen, die auch stets eine längere Anlaufzeit brauchen, ein längeres "warm up". Das "umswitchen" vom ihrem Alltagscharakter auf den Sexcharakter braucht nun mal bei manchen seine Zeit und die muß man sich dann eben nehmen, wenn's ne runde Nummer werden soll.
Und der "klassische Swingerclub" mit seinem erotischen Spiel und seinem vom "Ernst" abgegrenzten Spielfeld, dem "warm-up"-Ritual vom Umziehen, "Barbetrieb" mit "Schaulaufen" und dem Buffett bietet eben genau diese großzügige Zeit zum "warm-up" und zum stressfreien "umswitchen" vom Alltag auf Sex. Das kann auch ein exzellentes "Pornokino 2.0" nicht bieten, alleine schon, weil es da kein Buffet gibt. Am Baggersee wird ohnehin in dieser Hinsicht ja überhaupt nichts geboten und über'n Parkplatz braucht man wohl garnicht erst anfangen zu reden.
Wie es insofern in den frivolen Bars zugeht, weiß ich nicht, werde ich auch nie wissen - denn in solche Nobel-Läden würde man so ne niveaulose Assi-Schlampe wie mich erst garnicht reinlassen ! (Und für die 3,98 €, mit denen ich mich zuhause sinnlos zu besaufen pflege, kriegt man inner "frivolen Bar" wahrscheinlich noch nicht mal n anständiges Pils!)
Aber ich glaube, alleine aus diesem Grund wird der "klassische Swingerclub" noch sehr lange seine "Berechtigung" behalten: weil man dort und nur dort so genüsslich von "Alltag" auf "Sex" umswitchen kann !
LG
Niki