Interview mit dem Tod
Reporter: Guten Tag, Herr Tod.Tod: Guten Tag, Reporter. Ich muss Sie gleich am Anfang korrigieren, ich bin weder weiblich noch männlich.
R: Ähm, wie soll ich Sie dann anreden?
T: Einfach Tod.
R: Also gut, Tod. Sie sind ja eigenlich eine imposante, wenn auch etwas magere Erscheinung. Wie pflegen sie ihr Image? Verwenden Sie viel Zeit dafür?
T: Nu-un. Für mich ist Zeit nicht existent. Ich war, bin und werde. Ich bin der Anfang und das Ende. Während wir hier sitzen, vergeht für Sie keine Zeit, sie steht still sozusagen. Sonst könnte ich ja meiner Arbeit nicht nachgehen.
Wie ich mein Image pflege? Hm? Ich glaube, ich habe gar keins. Die Leute mögen mich nicht. Ich bin wie ich bin.
R: Ah, ja? (Reporter ist etwas irritiert) Wann haben Sie sich entschlossen diesen - äh - Beruf zu ergreifen? Sie sind doch quasi etwas Besonderes, niemand sonst macht diese Arbeit.
T: Ich war es schon immer. Wie ich vorhin schon anmerkte, bin ich Anfang und Ende zugleich. Mich hat es schon immer gegeben, um es zu relativieren, seit es Leben gibt.
Als Besonders sehe ich mich nicht, ich bin eine Notwendigkeit. Das Notwendige ist nie besonders und wird von den Leuten nicht gemocht. Jeder braucht den Schnitter oder Sensenmann oder wie immer sie mich auch nennen, die Menschen. Den Tieren ist das egal. Meine Sense ist für alle gleich scharf.
R: Viele unserer Leser haben uns schon die Frage gestellt, warum Sie so viele Unschuldige holen?
T: Ich frage nie nach Schuld oder Unschuld. Schlußendlich kommt mir keiner aus. Ich hole alle, wenn ihre Zeit vorbei ist.
R: Und wann ist das?
T: Na, wenn sie aus ist!
R: Wir Menschen finden es aber nicht fair, wenn Sie Kinder holen, die noch keine Chance auf ein richtiges Leben hatten.
T: Ich kenne mich ja mit dem Leben nicht so aus. Aber ist nicht jedes Leben vollkommen, ganz gleich wie lange es dauert?
Was die Fairness angeht, um solche Begriffe kümmere ich mich nicht. Sie sagen mir nichts, das ist nur für euch Menschen wichtig.
Gehen Sie hinaus und rufen Sie es dem Universum zu. "He, du bist unfair, du darfst keine kleinen Kinder sterben lassen!" Was glauben sie, dass geschieht? Dem Universum ist es gleichgültig, was hier auf der Welt passiert. Ihr seid nicht der Nabel des Universums, auch wenn Ihr's gerne glauben würdet.
Nein, um fair oder unfair kümmere ich mich nicht. Ich kümmere mich nur um die Notwendigkeit.
R: (wirkt ratlos und zögernd - sammelt sich langsam wieder) Hmpf (Räusper) Lieber Tod, Sie machen mir das Interview jetzt aber sehr schwer. Das gerät mir etwas zu sehr ins Metaphysische. Ich weiß nicht, ob das unsere Leser interessiert.
Eine andere Frage. Auf alten Bildern sieht man Sie oft auf einem weißen Pferd reiten. Machen Sie das noch immer so, oder sind Sie auf modernere Fortbewegungsmittel umgestiegen?
T: Ich habe mir wieder einen Schimmel besorgt, schließlich bin ich in nördlichen Gefielden ja der Schimmelreiter. Nein, mit den Automobilen oder Motorrädern hab ich's nicht so. Die stinken und dann hat man mit den Autos noch das Problem mit dem Parken. In Wüsten stellt das ja kein weiteres Problem dar, aber im Dschungel und in der Stadt kann's schon zu einem Problem werden.
R: (will jetzt hastig das Gespräch beenden) Danke für das Interview und auf w......
T: Ja, auf wiedersehen, und das ist Tatsache.
R: Ähm, ja. Hoffentlich nicht zu bald (flüsterflüster)
Hoffentlich haben diese Leser mehr Mumm in den Knochen, als die Leser des Reporters.
Liebe Grüße Hera