@ Lisa_Lieblich
Ich war da möglicherweise etwas zu pauschalisierend.. aber glaub mir das einfach... ich werde das hier nicht allzusehr im Detail ausführen.. aber in meinem Fall war sowohl die Midlife Crisis als auch das Fehlen guter Erziehung dafür verantwortlich.. und nicht das ominöse "keinen mehr hoch kriegen"...
Hallo Lisa_Lieblich. "Etwas pauschalierend" ist wohl etwas untertrieben. Du nimmst nun alle verallgemeinernden Aussagen zurück und beziehst Dich auf Deinen subjektiven Fall. Nun, dann kann man diesen Fall eben auch nicht auf der allgemeinen Ebene behandeln.
Aber die Schwarz-Weiß-Malerei, die Du auf der persönlichen Ebene betreibst, ist natürlich auch kommentarwürdig und läßt einiges von Deiner Einstellung verraten, die man sehr wohl auch kritisch würdigen kann. Denn Schwarz-Weiß-Malerei ist mir aus der Erfahrung heraus, dass es im gewöhnlichen Leben, von wenigen Ausnahmen mal abgesehen, weder ganz schwarz noch ganz weiß gibt -
Der Mann in meinem Falle hat ausschliesslich aus Selbstsucht und fehlendem Einfühlungsvermögen heraus gehandelt.
immer höchst verdächtig. Du kannst schließllich in den Menschen, auch wenn er Dir vertraut, ist, nicht hineinsehen, und die Aussage, er habe "ausschließlich" aus Selbstsucht gehandelt, klingt doch eher nach der Abwehr eigener, persönlicher Anteile an dem Scheitern der Beziehung, als nach einer glaubhaften Darstellung.
Neben dieser Schwarz-Weiß-Malereie, bei der also der andere seine schwarze selbstsüchtige Seele hat, und Du den Part der weißen Unschuld einnimmst, verstört mich die Gnadenlosigkeit Deines selbst ernannten Richtertums:
Ich fühle mich absolut und total dazu berechtigt, das zu kritisieren, vor allem weil nur ich alleine beurteilen kann was das bei mir ausgelöst hat... im Übrigen auch -- neben der leidigen midlife Problematik--- ein Verteidigungsgrund den ich anerkenne...
Ah, ja, "absolut und total": Es hat seinen guten Grund in unserer Rechtssprechung, dass Opfer, die zweifelsfrei Opfer sind, nicht zum Richter über den "Täter" werden sollen. Selbst wenn das Opfer der Richter wäre, der zufälligerweise von Amts wegen für seinen Fall zuständig wäre, würde er wegen Befangenheit das Urteil nicht sprechen dürfen.
Dass das Opfertum und der eigens erlittende Schmerz dazu berechtigt, über den Täter sein Urteil zu entspricht, entspricht der Logik von archaischen Rachegesellschaften.
Natürlich sind wir nicht vor Gericht. Aber das Wissen, das wir befangen sind, wenn wir verletzt und enttäuscht sind, das sollten wir auch haben, wenn wir unseren eigenen Urteilen über den anderen gegenüberstehen. In Dir scheint eines solches Wissen der Rigorisiät Deines Urteils nicht im Mindesten entgegenzustehen und mildern zu können. Und entsprechend liest sich auch die Darstellung Deines Falls: als Rache - Anklage und Urteil in einem Atemzug.
Und nun noch ein paar Bemerkungen zu Deinem Versuch, eine verallgemeinernde Ebene zu erklimmen und ein moralisches Recht aus Deiner persönlichen Erfahrung abzuleiten:
Das Recht des einen hört da auf wo das Recht des anderen anfängt..
Schon das ist falsch. Hörte das Recht da auf, wo das Recht des anderen beginnt, wären Interessenkonflikte qua Gesetz verboten. Diese gelten aber eigentlich als legitim, weil die Interessen auch als legitim, d.h. gleichberechtigt, gelten. Und die Interessen gelten als gleichberechtigt, weil die dahinterstehenden Menschen als gleichberechtigt gelten. Wenn man in den Variablen dieses "Gesetzes" die Person Deines Ex-Partner und Deine eigene einbauen würde, lautete der Imperativ: Das Recht meines Partners hört da auf, wo meines beginnt.
Hübsch ausgedacht. Vielleicht hat Dein Ex-Partner erst später die horrenden Folgen einer solchen freiheitsberaubenden Einstellung gespürt, und auch aus diesem Grund den Ausbruch aus der Beziehung in das Reich seiner Selbstbestimmung gesucht. Und das Weitere folgt ja auch sogleich:
und so wie er das Recht hatte sich von mir zu trennen habe ich das Recht nicht derart verletzt zu werden.
Ja, es gibt ein Recht sich zu trennen, und man müsste sich mal ausmalen, wie die Welt eigentlich aussähe, wenn es dieses Recht nicht gäbe .. und höre ich da ein leises Bedauern heraus? Aber es gibt kein "Recht", nicht verletzt zu werden. Wenn es das Recht gäbe, in einer Beziehung nicht verletzt zu werden (natürlich mal abgesehen von ddem Recht auf leibliche und seelische Unversehrtheit, das vor gezielten sadistischen Grausamkeiten schützen soll), nun, das wäre wirklich schön: die Welt wäre ein Paradies, der Himmel, ein uterusseliger Zustand.
Die Wahrheit ist, dass wir, auch wenn wir uns lieben, uns andauernd verletzen. Der eine Grund, dasss wir unterschiedlich sind, und so kommen wir mit unseren Interessen und Bedürfnissen dauernd in die Quere. Der andere Grund ist, dass jeder die Freiheit hat, der zu sein, der er ist.
Der Wunsch als solcher ist natürlich verständlich. Aber es ist auch ein Kinderwunsch, der, wenn er in der Erwachsenenwelt zum "Recht" würde, zu einer Gefühlsdiktatatur führte, in der der einen dauernd gezwungen wäre, sich nur innerhalb der Grenzen und Möglichkeiten bewegen zu dürfen, welche Gefühlslandschaft des anderen voraussetzt. Das Gebot, der andere dürfe nicht verletzt werden, entspricht der Forderung einer kompletten Selbstaufgabe.
Du wägst als ab, zwischen einem Recht, das es gibt, weil es die Freiheit gibt (die Freiheit sich zu trennen), und einem Recht, das es nicht geben kann, nämlich nicht verletzt zu werden, eben weil es die Freiheit gibt.
Gäbe es das Recht von Dir, nicht verletzt zu werden, hätte er dann von seinem Recht, Dich von Dir zu trennen, Gebrauch machen dürfen?
Ach ja, ich sehe Deine Antwort: Ja, hätte er. Er hätte Dich mit der Wahrheit verschonen müssen, damit Du Dich weiter die Illusion erhalten kannst. So wird Dein Recht, nicht verletzt zu werden, zu dem Recht, Dir Deine Illusionen erhalten zu können. Dass es ihm das Recht auf "seine" Wahrheit geraubt hätte, nimmst Du mit einer atemberaubenden Selbstverständlichkeit hin.
Er hätte Möglichkeiten gehabt das anders zu handhaben.. die hat er nicht genutzt weil er sich moralisch besser fühlt wenn er mir "die volle Wahrheit sagt"... die in dem Moment aber für mich nichts gutes tut... sondern mich ausschliesslich erniedrigt. Das ist für mich egozentrisch und rücksichtslos. Wie gesagt.. das Recht auf Ehrlichkeit sollte immer gegen das Recht auf nicht verletzt werden abgewogen werden..
Ich habe Dir im ersten Posting geschrieben, dass ich den Eindruck habe, dass Du auf einem ziemlich hohen Ross sitzt, und den Eindruck habe ich immer noch. Du weißt natürlich nicht wirklich, ob er andere Möglichkeiten zum Handeln gehabt hätte, Du projizierst das einfach so in ihm hinein. Und was aus den Zeilen sprichst: Das findest Du auch richtig so. Denn das kannst Du! Du bist in der Lage, in ihm hereinzuschauen, weil Du diesen flachen, schrecklichen Menschen in- und auswendig kennst, und in seine Abgründe geschaut hast. So in etwa?
Vermutlich fühlst Du Dich von ihm erniedrigt, aber ich bezweifel, ob Deine Selbstüberhebung das richtige Mittel ist, mit diesem Schmerz umzugehen.
Ich denke mal, Du erwartest zu viel Tiefe von einem Forumsposting....
Nein, ich erwarte keine "Tiefe", zumal ich an Tiefe auch nicht glaube. Aber ein wenig Selbstdistanz, ein wenig das Vermögen, seine persönlichen Erfahrungen nicht zu allgemeinern, ja, das erwarte ich schon.
Und vielleicht auch die Fähigkeit, persönliche Niederlagen nicht gleich in moralische Siege umzumünzen, den eigenen Anteil des Scheitern einer Beziehung anzuerkennen, und auch den Schmerz anzunehmen, anstatt mosaische Gesetze und moralische Richtlinien zur künftigen Schmerzvermeidung aufzustellen, und damit für sich und andere einen moralischen Kerker zu bauen, der weder dem Leben, noch der Freiheit entspricht.
Denn der Schmerz, der gehört nun mal zum Leben dazu. Selbst eine Geburt läuft nicht ohne Schmerzen ab. Und so manche Beziehung steht heute nur deswegen auf zwei Beinen, weil zwei Menschen es verstanden haben, die Schmerzen und Kränkungen, die mit dem Wohl und Werden einer Beziehung verbunden sind, annehmen und akzeptieren zu können.
Wozu auch das Annehmen persönlicher Niederlagen gehört