Nochmal ernsthaft ...
Hi @ll !
Jetzt nochmal im Klugscheissermodus - in meinem früheren Leben war ich ja auch eine ganz furchtbare Niveauschnepfe gewesen und auch seehr viel essen gewesen. Ich stamme aus dem Saarland, wo die französische Esskultur schon sehr früh Wurzeln geschlagen hat, und seit (und solange) ich anständig verdiente, hab ich nur zu gerne einen Gutteil meines Geldes in guten Restaurants gelassen, hatte zu diesem Behufe auch eine "gleichgesinnte" Freundin - das waren wunderschöne Abende gewesen. Diese Zeiten sind zwar entgültig vorbei für mich, aber diese diners gehören zu den Teilen des früheren Lebens, an die ich gerne zurückdenke.
Weniger angenehm waren dagegen die Geschäftsessen in den "Spesenrittertempeln", die man für private Lustbarkeiten weiträumig umfahren sollte. Denn was dort geboten wird, ist nur zu oft ein gruseliger Nepp - aber auch im Geschäftsleben gehört das gemeinsame Essen dazu, wenn man schwierige Probleme wälzen muß - oder eben andererseits Anlass hat, sich wirklich mal etwas besser kennenzulernen, als es im Besprechungszimmer möglich ist. Und auch hier hat es ein paar Leute gegeben, mit denen ich ausgesprochen gerne gegessen habe - und diese Essen waren dann auch häufig auch im geschäftlichen Sinne erfolgreich.
Je nun - was isst und trinkt man, wenn man sich kennenlernen will und es zumindest nicht ausgeschlossen werden kann, daß der Abend "im Bett" endet.
Diese Frage kann man wohl kaum allgemeinverbindlich beantworten - die Menschen sind viel zu unterschiedlich - was doch auch ganz gut so ist. Wenn sich ein zünftiger Bayer mit einer zünftigen Bayerin verabredet, muß man denen nicht einreden, sie müssten unbedingt zum Nobelitaliener gehen, sondern sie doch bitt'schön in ihr "Wirtshaus" gehen und ihr Bier literweise trinken lassen - das gehört für sie doch dazu, dabei fühlen sie sich wohl und locker, und das ist meiner Meinung nach die Hauptsache: daß man sowohl das Lokal, als auch Speisen und Getränke so wählt, daß jeder locker bleiben und sich wohl fühlen kann.
Deswegen meine ich, man sollte in dem Wunsch, etwas besonderes erleben, zu "bieten" oder "geboten zu bekommen" ein bischen Bescheidenheit walten lassen und nicht zu hoch zielen. In vielen Restaurants der oberen Preisklassen werden Leute, die nicht als "dazugehörig" betrachtet werden, ebenso hochnässig wie nachlässig behandelt - sowas kann eine teure Pleite werden. Nur in den wirklich guten Restaurants der oberen Klasse stellt sich der Service dann mit einer liebevollen Empathie, an der sich jeder Psychotherapeut eine dicke Scheibe abschneiden könnte, auch auf Gäste ein, die solche Restaurants nicht gewohnt sind, man nimmt sich dann für solche Gäste auch besonders viel Zeit und das kann dann wirklich ein super Erlebnis werden. Aber überwältigend ist auf jeden Fall auch die Rechnung. Mit Getränken sind da 4-500 € für 2 Personen schnell verfrühstückt.
Auch wenn "man's hat" meine ich, daß so ein "event" für ein Kennenlernen zweier Menschen nicht geeignet ist. Man lernt zwar dann unter Umständen ein gehöriges Stück Esskultur kennen - aber für das Gegenüber bleibt da kaum noch ein Raum.
Gerade dann, wenn man sich kennenlernen will, eventuell in die Kiste hüpfen will, sollte man maßvoll auch bei Speisen und Getränken bleiben.
Das fängt schon beim Aperitif an - die so beliebten Cocktails sind meist sehr alkohlhaltig, verschiedene Alkohle werden gemixt und mit Zucker aus Säften oder Sirup dan auch noch gepusht. Dazu kommt dann der Wein, der Sekt, der Digestif ... pffft. Davon bekommt mann keine pralle Errektion, sondern bloß einen dicken Kopp. Sherry, Port oder Wermut, gerne ruhig auch ein gutes Bier zum Durstlöschen sind da viel besser geeignet. Von den Franzosen haben wir Saarländer auch gelernt, daß man nie Wein gegen den Durst trinken darf. Deswegen mein guter Tipp: zum Wein oder Sekt (mindestens) die gleiche Menge Wasser trinken ! Die Wasserflasche sollte als allerstes auf den Tisch kommen und bis zum Kaffee auch niemals leer werden. Das kost nicht viel, aber ist die einfachste effektivste Möglichkeit, den Genuss am Abend ganz enorm zu erhöhen! Ich kaufe mir heute noch manchmal gerne eine Flasche San Pellegrino im Supermarkt.
Wein ist eine schwierige Sache - sich wirklich auszukennen, braucht viel Zeit und auch viel Geld. Keinem bricht ein Zacken aus der Krone, wenn er sich vom Service beraten lässt - ganz im Gegenteil ! Es ist aber eine Katastrophe, "blind" nach Zufallsprinzip irgendwas zu bestellen und dann voll danebenzuhauen.
In sehr guten Restaurants gibt's für die Weinauswahl den maitre oder sogar einen somelier, der ausschließlich über Wein berät und den Wein dann auch serviert, gegebenenfalls dekantiert. Auch Wein sollte man möglichst nicht durcheinandertrinken, lieber noch eine zweite Flasche derselben Sorte oder desselben Anbaugebietes. Aber diese zweite Flasche könnte für ein "Kennenlern-date" auch schon zuviel sein ...
"Harte Sachen" sind als Digestif zum Kaffee durchaus nicht unbedingt verkehrt - wenn es bei einem bleibt. Schweizer, österreichische oder elsässische Obstbrände sind ein schierer, sinnlicher Genuss, ebenso wie ein guter Malt oder Cognac.
Abends sollte man leicht essen - erst recht, wenn man möglicherweise "noch was vorhat". Rind- und Schweinefleisch liegen schwer im Magen - Geflügel, Lamm, Wild oder Fisch sind meist weniger belastend. Erst recht, wenn man noch was vorhat, ist vegetarisches oder veganes Essen gar keine schlechte Wahl - auch wenn man sich selbst nicht generell so ernährt. "Schwieriges Essen" sollte man ebenso meiden, wie geschmackliche Extremisten: Knoblauch, sehr scharfes Chili oder Thay-Curry und auch die berüchtigten Produzenten von Flatulenzen: Hülsenfrüchte, Zwiebeln und Eier. Die riecht und schmeckt man nämlich auch "hinterher".
Und weil auch Döner oder Burger zum "schwierigen Essen" gehören, ist das ein guter Übergang zu der Frage, ob für's erste Kennenlernen, erst recht dann, wenn man sich keineswegs sicher ist, ob man sich wirklich riechen kann, ein "schicker Abend" im Restaurant wirklich die "Methode der Wahl" ist, und nicht noch ne Nummer kleiner sinnvoller sein könnte. Hier in Leipzig haben sich zB sehr gute Burger-Restaurants breitgemacht. Sie bieten eine Vielfalt von sehr leckeren, originellen Burgern - natürlich auch vegatarisch und vegan - mit im Hause frisch gemachten Pommes frites (also nicht die berüchtigten "pommes") und meist ein originelles Ambiente mit fluffigem, interessanten Publikum - die Burger ißt man dort auch mit Messer und Gabel (was auch nicht so einfach ist.) Soetwas verpflichtet viel weniger, ist "worst case" in einer halben Stunde überstanden und "best case" kann man auch länger sitzen, das Lokal wechseln, bummeln ... und im allerbesten Falle hat man nicht den ganzen Abend in der Kneipe vertrödelt, sondern hat noch mehr Zeit und Kraft für's "Physische".
Afro-die-sie-jack-ische Wirkungen von Speisen und Getränken ... das mit dem Sellerie stimmt, habe ich selbst mal ausgetestet. Aber die Mengen an rohem Sellerie, die man für diese durchaus erhebende Wirkung runtermampfen muß, sind extrem: rund 1 Schüssel rohen (!) Sellerie ! Meine Restaurants-Freundin und ich, wir haben auch mal die Wirkung von Getränken in einer kleinen "Testserie" in unserer Stammkneipe erforscht. Das ist sicher auch individuell verschieden - aber bei uns war es nicht der Champus oder dergleichen, der uns zu den dollsten Nummern hinterher gepusht hatte, sondern: Weizenbier ... ausgerechnet ...
rülps ... aber auch für guten Sex muß man eben auch Opfer bringen können !
LG
Niki