Ausblick in eine mögliche Zukunft: Die Erotik des Cyber-Men
Die Verdinglichung der Erotik und die Ent-Idealisierung des Eros dürfte in naher Zukunft auf die Spitze getrieben werden. Nämlich dann, wenn der Eros und die Erotik nur noch selbstbezüglich wirken, und den Anderen zur Selbstfindung und Selbsterfüllung nicht mehr braucht. Die Virtualität der Dinge tritt in eine entscheidende Phase - und die Unterscheidung von Virtualität und Realität verschwimmt zunehmend in einem User, der zur Schnittstelle wird. Der israelische Historiker Yuval Noah Harari zeigt in seinem Buch: Homo Deus auf, dass die menschliche Zukunft des nächsten Jahrhunderts ganz im Zeichen der Selbstoptimierung stehen wird. Biotechnologie und Neurowissenschaften, der Fortschritt in der Medizin und die KI-Technologie können erreichen, dass zumindest ein Teil der Menschen (was wird aus den anderen?) bis zu 150 Jahre alt werden. Vielleicht ist ein Backup des menschlichen Hirns mit allen individuellen Persönlichkeitsmerkmalen im Bereich des Möglichen. Dann wäre theoretisch, die Ewigkeit erreicht. Harari ist kein Verschwörungstheoretiker und kein SiFi - Autor, sondern wissenschaftlicher Historiker, der die Linien nach vorne zieht und sich in den Zukunftslaboratorien von Microsoft und Google umgesehen hat. Er formuliert in seinem Buch noch sehr vorsichtig. Hingegen zeigt die Erfahrung, wo technische Möglichkeiten und ein Marktbedürfnis zusammenkommen, wird es ernst.
Die schöne neue Welt der Erotik wird wahrscheinlich schon in wenigen Jahren dergestalt virtualisiert, dass das Internet der Dinge und die Algorithmen menschlicher Bedürfnisse die Befriedigung im virtuellen Raum fast gefühlsecht erleben lässt. Dafür wird es auch einen offenen Markt und eine Begeisterung für das Neue geben und die Erotikindustrie wird diesen Trend im Gegensatz zu Neuentwicklungen der deutschen Autoindustrie nicht verschlafen. In den 3D-Szenerien mit Sensoren am Körper und der Gestaltwandlung in einen Avatar wird die Erotik zu einer ganzheitlichen Simulation und Stimulierung der Sinne. Es bedarf einen Schritt weiter gedacht, dann auch nicht mehr eines echten Partners aus Fleisch und Blut je mehr die KI-Technik und ähnliche menschliche Imitate hergestellt werden in der Robotik. Auch diese werden fähig sein, erotische Dienstleistungen naturnah zu simulieren, natürlich aber nicht Liebe zu produzieren. Die Automatisierung aller Lebensbereiche wird an den Bereich der Erotik nicht vorübergehen.
Was aber bedeutet dies für den Eros, für die Erotik. Wird sie nur Ergänzung sein oder doch Ersatz? Wird sie nicht weiter optimiert zur Verdinglichung und zur bloßen Bedürfnisbefriedigung, die die Möglichkeiten einer Doll oder einem Sextoy bei weitem übersteigt? Vielleicht, weil sehr teuer, zunächst für einen kleinen Personenkreis, dann aber mit der Serienreife für die breite Masse von Konsumenten?
Ich gehe einen Schritt weiter: die Biotechnologie ermöglicht die optimierte Fortpflanzung ohne den Kontakt mit einem Anderen. Ohne Sexualakt. Auch die Erotikindustrie wird die vollkommene, erlesene Bedürfnisbefriedigung produzieren ohne, dass ein Anderer, der zunächst ein Fremder ist, einbezogen werden muss, ohne Wärme und die Sinnlichkeit eines Anderen. Eine kalte Erotik der Bedürfnisbefriedigung durch einen technisierten Eros. Ja, sogar ein privater Rassismus kann ungehemmt gepflegt werden, der das Humane ausschließt, ohne sich dafür vor anderen rechtfertigen zu müssen. Künstliche Fortpflanzung, künstliche Partnerschaft leicht gemacht. Rassismus gilt nicht für Daten und Bytes. Big Data ist neutral. Jeder kann sich seinen Traumpartner aus einem Menü aus Tools konstruieren, wenn er nur über genügend Score und Credits verfügt. Es ist ein perfekter Markt, mit Wartungsdienst und Garantiezeit. Das alte Modell kann sicherlich auch in Zahlung genommen werden, wenn ein neues, besseres Modell angeboten wird. Eine perfekte Anpassung an die Singlegesellschaft, sich vielfach schon heute über den Konsum definiert als Ausgleich zu einem zeitraubenden Beruf. Warum auch sollte man sich die Komplexität zwischen den realen Geschlechtern antun, ohnehin nur noch Halb-Werts-Zeit, wenn ein angenehmes, konfiguriertes und persönlich modifiziertes Exemplar zu Hause wartet und jeden Wunsch, jede Neigung und jede sexuelle Präferenz sofort bedient.
Anzeichen für einen solchen Wertewandel im Verhältnis zwischen natürlichen Männer und Frauen findet sich derzeit in jeder Diskussion innerhalb des Netzes. Menschen inszenieren ihren Körper und ihre mentalen Fähigkeiten wie eine Ware im Katalog. Von Klick zu Klick. Sie können genau definieren, was sie wollen und was nicht. Was Arbeitgebern und Vermietern gesetzlich nicht erlaubt ist, nämlich bei einer Ausschreibung Menschen mit Migrationshintergründen, einer bestimmten Religion oder Kultur, Hautfarbe oder Herkunft auszuschließen, ist in der Welt der virtuellen Erotik und des Datings alltäglich, vielleicht sogar geboten. Die Virtualisierung und Verdinglichung der Erotik erlaubt auch rassistisch motivierte Abweisungen, öffentlich ausgestellt, weil individuelle Neigungen und Präferenzen höher stehen als die Integrität gesellschaftlicher Kommunikation von Würde und Anerkennung. Meist wird das nicht von den Beteiligten reflektiert, ja nicht einmal besonders wahrgenommen. Aus manchen Freiheitspathos spricht die pure Verachtung des Anderen, des Fremden, des Nicht-gleichen - und erhält oftmals Beifall Zustimmung oder gar Bestärkung.
Das sind Formen eines narzisstischen Bildes des Menschen, das besonders in der modernen westlichen Gesellschaft in den letzten Jahrzehnten durch die Konsumgesellschaft, die Verdinglichung des Menschen und seiner Arbeitskraft nachhaltig kultiviert wurde. Es verändert auch den Eros und die Erotik und raubt ihr letztlich die Energie und die Fantasie, die ihr immer zugeschrieben wurde. Ein leiser, dennoch schneller Prozess von unten und von den Rändern, deren Folgen für die Gesellschaft noch nicht abzusehen ist. Wir befinden uns durch die Informationsgesellschaft und die digitale Revolution tatsächlich an einem gesellschaftlichen Wendepunkt mit Chancen und Gefahren.
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(Auszug aus: Die Epoche der Erotik - siehe HP)