So!
Jetzt, wo ich weiss, dass unser geschätzter Frederöffner die Meinung von Akademikern zu schätzen weiss, habe ich mal was rausggesucht zur Überbrückung der Zeit bis zu dem Moment in dem er sich herablässt, mit uns zu sprechen. Online war er. Aber bedankt hat er sich nicht für unsere Beiträge. Ist ja auch keine Art, oder?
Na ja, egal, also ich hab jedenfalls was gefunden:
Der Kolonialismus brachte sowohl das Interesse Europas an fremden »Kulturen« hervor als auch das Bedürfnis, diese zu beherrschen. Die Menschenzoos, die Ende des 19. Jahrhunderts ihre Hochphase hatten, befriedigten beides auf unmenschliche Weise – und schärften damit den europäischen, rassistischen Blick. Einer der wenigen, die diese Entwicklung kritisch verfolgten, war der Schriftsteller Franz Kafka.
Tödliche Verwandlungen - Koloniale Menschenzoos und die Schaffung von »Untermenschen«
von Peer Zickgraf*
Vor etwa 100 Jahren rollte Moritz I. mit dem Zug durch halb Europa. Moritz I. war klein wie ein Zwerg, von Kopf bis Fuß schwarz-braun behaart, und mit den Füßen war er ebenso behende wie mit den Armen: »Er ist stets völlig bekleidet, schläft in einem Bett, raucht seine Zigarette, trinkt seinen Wein und wenn er reist, reist er zweiter Klasse« (Hagenbeck). Moritz I. war ein Schimpanse, der mehr Mensch war als Affe. Er trat in Kabaretts auf oder in zoologischen Gärten, aber auch vor zahlreichen Fürstenhöfen Europas. Er war nahezu weltberühmt, und höher hinaus haben es wohl wenige Tiere dieser Welt gebracht. Verbrieft ist dieser Primat der Haute Volé Europas unter anderem von Carl Hagenbeck. Hagenbeck war auch der erste Zoodirektor, der die abgebrühte Geschäftstüchtigkeit besaß, ausländische Menschen im Zoo auszustellen. Was 1874 klein begann, sollte sich schon wenige Jahre später zu einem regelrechten Boom entwickeln: Millionen hellhäutiger Menschen aus ganz Europa begafften »Neger« oder »Eskimos«, wie sie es zuvor nur mit Tieren gemacht hatten. So bilden die kolonialen Menschenausstellungen Europas das Pendant zu dem Affen Moritz I.. Menschen wurden in den Zoos zu Tieren gemacht, während Tiere vermenschlicht wurden. Insofern wurde in dieser Zeit eine neue Kategorie geschaffen: die des Untermenschen.
Was im folgenden näher betrachtet werden soll, ist nicht nur der Aufstieg eines »anthropologisch-zoologischen« Spektakels im Zeitalter des Kolonialismus, sondern der Umgang mit dem Fremden und die ideologisch-mediale Zurichtung des europäischen Blicks. Deren Folgen waren verhängnisvoll, denn sie mündeten jenseits der Begegnung mit dem Anderen unter sich verschärfenden politischen und gesellschaftlichen Bedingungen in eine rassistische Praxis der Ausschließung der Fremden, in Menschenexperimente und schließlich in Vernichtungswahn. Diese Entwicklung war ohne Zweifel keine kontinuierliche und insbesondere keine zwingende. Denn schließlich gab es in vielen europäischen Staaten koloniale Menschenzoos und ähnliche Aufführungen, ohne dass sich dort eine Vernichtungslogik durchgesetzt hätte wie im Deutschen Reich. Zweifellos repräsentieren die Menschenzoos aber die Rassifizierung des Fremden, seine grenzenlose Verfügbarkeit und völlige Entmenschlichung.
Koloniale Propaganda
Zwar ging es in den Menschenzoos vordergründig um Volksbelustigung oder um pädagogische Belehrung, doch in erster Linie handelte es sich um Kolonialpropaganda. Mehr noch: Durch die Menschenausstellungen sollte dargestellt werden, dass der weiße, zivilisierte Mann aus dem Tier einen Menschen hervorzaubern, oder vice versa Menschen in Tiere verwandeln kann. Grenzen galt es zu überwinden. Die Natur wollte man sich unterwerfen. Es gab kaum besseres zur Demonstration der Überlegenheit der weißen Kultur als die Menschenzoos, die die Betrachtenden zum Subjekt erhoben, die Betrachteten jedoch zu Objekten degradierten. Eine Annäherung und Kommunikation mit dem »exotisch« fremden Menschen ist auf diese Weise im Menschenzoo weder möglich noch gewollt. Die Entwertung des Fremden, die durch seine Gleichsetzung mit Tieren erfolgte, gibt so einen Maßstab zur Bewertung des Fremden generell. Die rassistische Repräsentation ordnet ihn dem »weißen Zivilisierten« unter. Dafür bilden die Medien die symbolische Plattform und das vermittelnde Forum, auf dem sich die öffentliche Meinung darstellt. »Schon die Tatsache, dass die Völker gegen Bezahlung zu bestaunen waren«, so Balthasar Staehelin1, »machte die Hierarchie klar, in der diese ‘Begegnung’ gefangen war. Europa sah sich damit, als Gebieterin über die für diese Schauen unentbehrlichen Technologien (Eisenbahn, Telegraph etc.) eindeutig auf dem Spitzenplatz der kulturellen und biologischen Evolution und schaute vermeintlich auf die eigene Geschichte zurück, wie sie sich vor ‘Jahrzehntausenden’ abgespielt hatte. (...) Alle sozialen Schichten trafen sich im Zoo, wo sie gemeinsam über den wilden Tieren und Menschen stehen konnten. Die Distanz zwischen Ausgestellten und Zuschauenden war so groß, dass etwaige Gemeinsamkeiten der Situation der Ausgestellten mit Teilen der Bevölkerung – ihre Abhängigkeit und Verfügbarkeit – nicht erkannt werden konnten«.
Vom Jahrmarkt zum Menschenzoo
Schauen wir uns die deutschen Wurzeln des Geschäfts mit den »exotischen Gästen« aus aller Welt genauer an und machen einen Schritt zurück: In Deutschland entstand der koloniale Menschenzoo kaum vierzig Jahre nach Goethe und lediglich drei Jahre nach der Reichsgründung. Deutschland stand im Zentrum der stürmischen Industrialisierung Europas und erwachte zu einer verspäteten und gierig-auftrumpfenden Kolonialmacht. Schon lange vor 1874 gehörte die Firma Hagenbeck beim Handel mit exotischen Tierarten zu den Größten ihrer Branche. Die Tiere wurden von speziellen Agenten auf allen südlichen Kontinenten dieser Welt gejagt. Also, Löwen, Affen, Giraffen, Elefanten, Strauße, Zebras aus Afrika, Asien, Südamerika usw. Es waren äußerst verlustreiche Jagden und für die Tiere auf ihrer Schiffsreise nach Europa zusätzlich mit grausamen Strapazen verbunden. Karikaturen jener Zeit drücken diese Szenarien überaus sarkastisch aus: Hagenbecksche Tierjäger stürzen in hohem Tempo auf einer Kutsche ihrer Beute nach, während die versammelte Tierwelt entsetzt in den Urwald davon stürmt. Begleitet von dem entsetzten Schrei: »Hagenbeck kommt!« Doch Anfang der 1870er Jahre begann der Tierhandel in ganz Europa zu stagnieren, da das Zuschauerinteresse in den Zoos merklich erlahmte. Die wirtschaftliche Krise nach der Gründerzeit hatte auch die Zoobranche erfasst. Ein mit Hagenbeck befreundeter Maler, Heinrich Leutemann, riet dem selbst ernannten »Schöpfer des Paradieses«, die Tiere aus dem äußersten Norden von Lappländern begleiten zu lassen. Kaum in Hamburg angelangt, scharten sich große Mengen von Schaulustigen um die »Fremdlinge«. Man musste nur noch das »Geld von der Straße auflesen« (Hagenbeck). Eine kapitalistische Innovation war geboren und die Krise des Unternehmens bereinigt.
In Deutschland thronte Carl Hagenbeck als Wirtschaftskapitän und prestigeheischender »König« über dem Geschäft mit dem Exotismus seiner Landsleute. Die »Völkerschauen« entpuppten sich als ein äußerst profitträchtiges Geschäft, das die Zoologischen Gärten sanierte, aber auch in Varietees, Panoptika oder in Zirkusspielen lukrativ inszeniert wurde. Hagenbeck allein produzierte bis 1913 54 Menschenausstellungen, wobei weit mehr als die Hälfte der importierten Eingeborenenstämme aus den traditionellen Tierfanggebieten stammte. Es war eine Selbstverständlichkeit, den ausgestellten Menschen ihre Würde zu nehmen und sie als Ware im Schaustellergeschäft feilzubieten. Gegen Eintrittsgeld bekam man seine »Neger« oder »Singhalesen« zu sehen. Zuweilen konnte man die sexuell attraktiven Frauen – etwa in den Panoptika – sogar »unanständig berühren«. Im Vordergrund stand aber ihre Präsentation als »gute Wilde«, »Unzivilisierte« und »Kriegerische« (Staehelin). Die Distanz zum Publikum wurde betont, indem man die »Völkerschauen« im Zoo abhielt, und die visuelle Erfahrung des Fremden erlaubte einen vergleichenden und prüfenden Blick wie auf die seltenen Tiere im Zoo. Die Fremden sollten nicht wie Menschen erscheinen. Sie mußten ihre eigenen Gebräuche theatralisch zur Schau stellen, aber vor allem wurden sie in willfährige Objekte verwandelt: »Die dunklen Schönheiten (...) frieren wie die ‘Affen’ den Tag über; (...) Sobald ein warmer Sonnenstrahl den grauen Himmel durchbricht, so verlassen die Neger ihre Hütte, wie die Ameisen ihren Bau« (Zoodirektion, zitiert nach Staehelin).
Was nicht Mensch sein darf, das kann in der Vorstellungswelt eines Europäers einem Affen gleichgestellt werden. Die Hagenbecksche Verwandlungsanstalt machte sich die vorhandenen Projektionen zunutze, indem sie dieses »Spiel« ohne Grenzen perfektionierte. So wurden neue Inszenierungsmodi des »Wilden« erfunden, indem bei Hamburg-Stellingen riesige brachliegende Ländereien in eine Zooanlage verwandelt wurden, die als künstliches Paradies für die exotischen Tiere und Menschen angepriesen wurde. Hagenbeck erfand auch neue Dressurverfahren an Löwen und neue Methoden der Akklimatisation an das nordische Klima. Er verstand sich vermutlich als ein moderner Conquistador, der dem wilden Leben aus den Kolonien den Segen der Zivilisation beibrachte. Zwei Zoobesuche, die Kaiser Wilhem II. 1906 und 1909 bei Hagenbeck abstattete, unterstrichen aus der Perspektive der Macht den Wert, welchen man dieser »Volksbildung« beimaß. Hagenbeck & Co sorgten dafür, dass die exotische Ware Mensch den Europäern zur Belustigung oder für »wissenschaftliche« Zwecke in ausreichender Menge zur Verfügung stand. »Um Völkerstämme (...) zu studieren, brauchen wir nicht mehr unsägliche Anstrengungen durchzumachen. Die Wilden kommen zu uns und lassen sich erforschen«.
Unwert des Lebens
Die Charakteristik der »Völkerschauen« begann sich mit der zunehmenden innereuropäischen Konkurrenz um die Kolonien merklich zu verändern. Die Inszenierungen der Fremden wurden um die Jahrhundertwende 1900 betont aggressiver und menschenverachtender. Jetzt waren in den »Eingeborenenschauen« in erster Linie nicht die guten Wilden zu bestaunen, sondern degenerierte, böse Untermenschen, mit denen die Wissenschaft ihr Huhn zu rupfen hatte. Hagenbecks Leistung für die Forschung wurde nun gerühmt, da »diese ethnologischen Wanderausstellungen (...) für die in den Laboratorien arbeitenden Gelehrten (...) von dem allerhöchsten Werthe« seien (zit. in: Staehelin). Mit einigen menschlichen Exponaten wurden bereits rassenkundliche Forschungen betrieben, mit dem Anspruch wissenschaftliche Erkenntnisse zu gewinnen: So etwa kraniologisch-anatomische Vergleiche an Völkerschauteilnehmern aus Australien und Nordrußland, d.h. Vergleiche von unterschiedlichen Schädelformen. Diese führte etwa der bayrische Professor Kollmann an 32 Menschen durch. Unter dem Titel »Beiträge zu der Rassen-Anatomie der Indianer, Samojeden und Australier« äußerte Kollmann sich in folgender Weise: »Die vergleichende Betrachtung war äußerst lehrreich. (...) Das Gesicht freilich ist bei dem Australier außerordentlich hässlich. (...) Wahrscheinlich rührt ein Theil dieses unangenehmen Erstaunens bei der ersten Besichtigung der Australier von der dunklen Farbe her.« In den deutschen Kolonien begannen Mediziner seit 1884 mit einer Reihe von grausamen sowie mörderischen Menschenversuchen. Schon 1911 erhoben sich im Deutschen Reich Stimmen, die diesen Rassismus auf die Spitze trieben und – wie etwa der Jurist Karl Binding – »die Freigabe der Vernichtung lebensunwerten Lebens« forderten.
Kafkas »Bericht für eine Akademie«
Ein merkwürdiges Phänomen haftet der Menschenzoo-Epoche an: weder die groteske Inszenierung des Fremden noch die in den Kolonien sich zuspitzende Entmenschlichung riefen in Deutschland wie auch in anderen europäischen Staaten großen Protest hervor. Zu den wenigen, die diese Entwicklung kritisch betrachteten, gehörte Franz Kafka. Der Schriftsteller besuchte 1911 erstmals eine Menschenausstellung im Prager Zoo – und er wusste über Moritz I. Bescheid. Es wird häufig bemerkt, dass Kafkas Werk eine visionäre Kraft innewohne und dass er darin die unpersönliche Macht in der Moderne bis hin zum staatlichen Terror vorweggenommen habe. Sein Interesse für Menschenzoos bringt er am eindrucksvollsten in seinem Stück »Bericht für eine Akademie« (1917) zum Ausdruck.2 Hier stellt er die Verbindung zu dem menschgewordenen Affen her. In einer Umkehrung der realen Situation im Menschenzoo blickt der Kolonisierte – verkörpert als Affe – auf die Kolonisatoren. Aus dem realen Schimpansen Moritz I. geht bei Kafka die Figur des Affen »Rotpeter« hervor. Vor den hohen Herren der Akademie berichtet Rotpeter von den Stufen seiner Menschwerdung. Es beginnt mit der Jagd durch Hagenbecks Häscher, dann kommt die Verfrachtung per Schiff in einem Käfig: »Affen gehören bei Hagenbeck an die Kistenwand – nun so hörte ich auf Affe zu sein«. Aus nacktem Überlebenszwang entschließt sich Rotpeter der menschlichen Zivilisation beizutreten. Wurde er noch durch die Gewalt einer Gewehrkugel aus dem Tierreich vertrieben, so erklimmt er mit dem Erwerb der Sprache die erste Stufe der Menschwerdung. Rotpeter beobachtet die Matrosen auf dem Schiff, er lernt das Spucken, das Pfeiferauchen und auch den Schluck aus der Schnapsflasche. Ihm gelingen die ersten menschlichen Laute, und zur Krönung kommen in Hamburg die Dressur und die Durchschnittsbildung eines Europäers hinzu. Erst diese Leistung bewahrt ihn vor dem Zoo und sichert ihm eine Stelle im Varieté.
Die ihm abverlangten Kulturleistungen repräsentieren ein Ordnungssystem, das aus Normierungszwängen, unsichtbarer Gewalt der Medien und Körperbeherrschung zusammengesetzt ist. Was Moritz I. also ermöglichte, war die moderne Disziplinar- und Medienmacht, die allgegenwärtige Dressur von Tieren und Menschen in Europa. Es war die völlige Assimilation an die Herrschaft und an den normierten Blick der Europäer, erkauft zum Preis der Persönlichkeitsvernichtung, der Auslöschung spontaner körperlicher Regungen und Emotionen. In diesem Abbild unterworfenen Fleisches spiegelte sich in unermesslicher Arroganz die Zivilisation und die ihr angehörigen Herrenmenschen. Die Assimilierung der Fremden an Europa setzte die Entwirklichung und Nichtanerkennung ihrer Kultur voraus. In Kafkas Werk spiegelt sich diese Dimension in einer tödlichen Verwandlung von Menschen, die zu Insekten degradiert werden und schleichend ihr Lebensrecht verlieren: »Weg muß er«, rief die Schwester, » das ist das einzige Mittel, Vater. Du mußt den Gedanken los werden, daß es Gregor ist. (...) Aber wie kann es Gregor sein? Wenn es Gregor wäre, er hätte längst eingesehen, daß ein Zusammenleben von Menschen mit einem solchen Tier nicht möglich ist (...)«. Zuvor hatte sich der Handlungsreisende Gregor in einen Käfer verwandelt. Die Kälte und Gleichgültigkeit seines familiären und beruflichen Umfelds haben ihn zu einem absolut Fremden gemacht, den seine eigene Schwester nicht mehr als den Bruder erkennt, und folglich ums Leben bringen möchte. Kafkas Dichtung »Die Verwandlung« ist zugleich eine Metapher auf die Erniedrigung und Verfolgung der jüdischen Bevölkerung in der Diaspora.
Schrankenlose Macht
Im »Bericht für eine Akademie« spiegelt sich zusätzlich die Dimension der in ihrer Identität völlig ausgelöschten Fremden. Auch die mörderischen Menschenexperimente in den Kolonien hat Kafka in der »Strafkolonie« dichterisch verarbeitet: »Die Ungerechtigkeit des Verfahrens und die Unmenschlichkeit der Exekution war zweifellos. Niemand konnte irgendeine Eigennützigkeit des Reisenden annehmen, denn der Verurteilte war ihm fremd...«. Ein ungehorsamer Soldat, der Macht hündisch ergeben, soll seine Strafe mit einer Foltermaschine in den Körper eingeschrieben bekommen. Die Exekution scheitert am Widerstand des Reisenden. Nun legt sich der Offizier selbst unter den mörderischen Apparat – nicht zuletzt aus Loyalität zur geliebten Maschine. »Die Macht hat hier keine Schranken. (...) Diese Schrankenlosigkeit – hier bei Kafka ist sie geträumt und gestaltet. (...) Nicht daran scheitert die Qual (d.h. die Folter, P.Z.), daß etwa eine ganze Gesellschaft, die Ordnung, der Staat empört aufstünden, sie zu hindern – nein, die Ersatzteile der Maschine sind nicht in Ordnung, und der neue Kommandant der Strafkolonie ist, im Gegensatz zum alten, ein Modernist und unterstützt den Maschinenoffizier und sein Folterwerk nicht so recht, aber er duldet es doch auch« (Tucholsky 1920 in der »Weltbühne« über Kafkas »Strafkolonie«).
Es scheint, dass Kafka keine Grausamkeit der Moderne verborgen blieb. Nicht die der rassistischen Ausschließung des Fremden, auch nicht die Drohung durch den industriell geprägten Vernichtungsfuror des modernen, staatlichen Terrors. Alle Gewalt und Macht wird bei Kafka von ihrer technischen, avancierten sowie barbarischen Seite erfasst. Zugleich sucht sein Schreiben Orte jenseits der Macht auf, als Zufluchtsorte und Provinzen der Menschlichkeit. Mit jeder einzelnen Zeile seines Werkes schreibt sich Kafka weiter fort vom Machtpol und verwandelt sich als Künstler in vielfältige Mensch- und Tiergestalten, wie in den Affen Rotpeter, von dessen realem Vorbild Moritz I. unsere Betrachtung des Menschenzoos ihren Ausgang nahm.
Anmerkungen:
Balthasar Staehelin: Völkerschauen im Zoologischen Garten Basel 1879-1935, Basel, 1989.
Franz Kafka: Das Franz Kafka Buch, Frankfurt am Main, 1983.
*Peer Zickgraf ist Online-Redakteur und Lehrbeauftragter an der Universität Marburg
Dieser Text erschien zuerst in: iz3w Nr. 258 (Januar/Februar 2002), S. 35-37,
Ist sogar von einem Lehrbeauftragten einer Universität. Also mehr kann man doch nicht mehr erwarten, oder?
Gespannt auf ein Zeichen des TE wartend, June
... and it burns, burns, burns ...