Mies, ganz ganz mies
Auf dem schauspielerischen Niveau der Laienspielgruppe des Starnberger Kirchenchors präsentiert uns Autor und Regisseur Roland Reber seinen zutiefst christlich-konservativen Blick auf die moderne Welt der selbstbestimmten Erotik, die ihm offensichtlich völlig verschlossen bleibt. Der Film hat nichts von einem Kunstwerk und noch weniger von einer Dokumentation. Eher ist er eine Predigt. Seine Weisheiten sind nicht mehr als ein erhobener Zeigefinger, den der Autor sicher gerne auf Kondompackungen drucken lassen würden: „Experimentierfreudiger Sex kann zu Einsamkeit führen.“ Dass in der realen Welt häufig das Gegenteil der Fall ist, davon weiß dieser Film nichts.
Um es gleich zu sagen: An diesem Film ist nichts erotisch. Beim Anschauen bekommt man Harnverhalt und keine Lust. 24/7-Beziehungen, in denen sich ein Mensch freiwillig einem anderen rund um die Uhr sexuell unterwirft, kommen in diesem Film überhaupt nicht vor. Aber auch darüber hinaus zeigt der Film nichts, was Spaß macht. Leiden ist dort keine Möglichkeit zur Steigerung von Lust in neue Sphären, sondern eine Christenpflicht oder zumindest Christenrealität. BDSM ist dort „Entmenschlichung“ und eben keine wunderbare Möglichkeit, seine Triebe auszuleben.
Schon das Fehlen von Erotik ist eine unglaubliche Zumutung bei einem Werk, das vorgibt, sich ohne Klischees mit Swinger-Clubs und SM zu beschäftigen. Es ist vielmehr ein Film, der sich mit der Bedeutung käuflicher und institutionalisierter Sexualität für das Christentum, ja wirklich: aus christlicher Sicht!!! beschäftigt. Das ist eine Zumutung für jeden Zuschauer, der seine Sexualität lieb hat.
So ist die Recherchegrundlage dieses Films neben seinem christlichen Getue wahrscheinlich sein größtes Problem: Herr Reber, der nach eigenen Aussagen „Nicht-SMer und Nicht-Swinger“ ist, hat, man höre und staune „lange Recherchen ... in Striptease-Bars, in Swingerclubs, überall an den Orten, die es ja eigentlich angeblich nicht gibt“ unternommen (der Original-Ton der Autors reflektiert gut, was er im Film tut: schon Striptease-Bars gehören für ihm zu dem Anderen jenseits der Gesellschaft, das eine Enttabuisierung verdient). Das Schlimme: der Autor ist bei seinen „Recherchen“ offenbar nicht über Prostitution und billige Sauna-Clubs hinausgekommen. Angetreten, Klischees über SM zu zerstören, perpetuiert er sie in Vollendung: Zum tausenden Mal wird die SM-Kultur auf Domina-Studios, also ihre kommerzielle Seite, reduziert.
Die vielfältigen BDSM-Szenen und -Beziehungen überall im Land mit ihren mannigfaltigen lustvollen Selbstdefinitionen, bei denen Kommerz nahezu keine Rolle spielt, scheint der Autor nicht einmal wahrgenommen zu haben. Der Besuch einer einzigen SM-Party hätten Herrn Reber von der These abgebracht, dass SM einsam macht. Aber der Film bleibt in der kommerziellen Welt der Domina-Studios stehen.
Obgleich auch schauspielerische Leistung, Ton, Ausstattung und Beleuchtung dieses Films auf dem Niveau einer Selbstverwirklichungs-Video-AG sind, ist die schwache Recherchegrundlage offenbar das Hauptproblem. Das merkt man dann auch an ganz vielen Details, die zu unfreiwilliger Komik führen. Schlecht wird es jedem SMlern dann bei diesem Films, wenn die kommerzielle Domina ganz bewusst den Stopp-Code ihres Subs missachtet. Weil diese Codes ja gerade die Grenzen zwischen Spiel und echter Folter ziehen ist es eine massive Zumutung des Autors, so ahnungslos damit umzugehen. Schlecht wird es auch jedem Swinger-Paar bei diesem Films, wenn es seine Leidenschaft in der Form eines Hausfrauen-Puffs dargestellt sehen, in dem jede Menge unappetitlicher Solo-Männer dem einzigen Paar Busen hinterher starren.
An Plattheiten hat der Film dafür um so mehr zu bieten: Bibelzitate auf dem Niveau des katholischen Kindergartens von Oberwesel und am Schluss ein Mann am Kreuz, der ohne jede Verfremdung „Jesus“ darstellt, bis hin zum INRI-Schild über dem Holzkreuz. Abstraktion und Reflexion sind dem Macher dieses Films offensichtlich völlig unbekannt.