Eine andere Erfahrung
Der Artikel ist sehr interessant und mit nettem Wortwitz geschrieben. Ich habe eine Vive und einige doch recht kostspielige Videos ausprobiert. Ein paar Erfahrungen kann ich nicht ganz teilen.
Bspw. wird das Fliegengitter, bzw. die niedrige Auflösung kritisiert. Natürlich ist da klar Luft nach oben, aber die Qualität der Trailer und Filmschnipsel, die man auf diversen Seiten runterlanden kann, sind eher das Problem. Dessen Qualität würde auch auf einer VR-Brille mit höherer Qualität nicht besser aussehen. Ich hab einige Videos ausprobieren dürfen, die für 30 Minuten über 10GB an Daten brauchten. Das ist wirklich enorm viel und braucht sehr lange, trotz super Internetleitung, bis der Film überhaupt runtergeladen wurde.
Jedenfalls ist die Qualität dann wirklich gut. Das Fliegengitter, bzw. die Pixel sind zwar erkennbar, aber auch nur, wenn muss man sich darauf fokussiert - was ein wenig ironisch in Anbetracht des Geschehens ist. Lässt man sich auf das Geschehen ein, so ist alles im Umkreis von 5 Meter wirklich gut anzusehen. Selbst mit einer besseren VR-Brille (als die Vive oder Rift) wird sich da nicht viel ändern. Es bräuchte ebenso Videos mit einer viel höheren Auflösung - man bedenke das nicht nur ein Fenster, sondern eben 180-360 Grad gefilmt werden. Selbst BluRays würden vollständig ausgereizt. Ohne ein weit verbessertes Medium zur Speicherung, bzw. erheblich bessere Internetanschlüsse (die es hier in DE gibt), wird das Erschaffen und Besorgen solche hochqualitativer Filme ein ernstes Problem.
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Ein anderen Punkt, den auch
kana_69 schon beschrieb, ist etwas, was ich nirgendwo anders so erleben konnte. VR steht für mich nicht in Konkurrenz zur Realität. Ich ziehe ja auch nicht den Fernseher der Realität vor. Es ist eine interessante Ergänzung, aber kein Ersatz.
In dem Zusammenhang beeindruckt mich die Präsenz der Personen im VR. Anders als in Filmen, in denen sich höchstens eingefühlt werden kann, kann ich die "Fleischigkeit", wie der Artikel es nennt, wirklich unterschreiben. Ich bezweifele das dies etwas ist, was man gut erklären kann, wenn man VR selbst nicht ausprobiert. So bezweifele ich, das bspw. Frauen mehr objektiviert werden. Dem entgegen empfand ich mein Gegenüber tatsächlich. Ich konnte die Umgebung erleben und feine Nuance des Menschen wahrnehmen. Im Fernsehen braucht es dafür den Fokus darauf. In VR kann man sich den Fokus selbst wählen.
Die intensivsten Erfahrungen, die mir sogar Herzklopfen verursachten, waren die Momente, als mein Gegenüber ganz nah an mich herran trat. Jemanden wirklich in die Augen zu sehen vermag kein Fernsehfilm, selbst mit 3D-Brille. Aber in VR kommt das schon extrem gut rüber. Natürlich fehlen die anderen Sinne. Doch anders als in den üblichen Pornos erlebe ich die Person tatsächlich - ich kann das nicht besser beschreiben. Ich weiß wie groß sie ist, wie sie sich bewegt, und merke selbst, wenn sie ihre Nase hochzieht und zu verdecken versucht, das ihr das ein wenig peinlich ist. Das sind Aspekte die in normalen Filmen "wegfokusiert" werden. Das sind für mich Aspekte, die einen Menschen mehr noch ausmachen.
Diese Nuancen des Menschen sind das, was VR - meineserachtens - als Potenzial hat. Ich genoss das Erfahren der Person mehr, als das eigentliche Pornokriterium Sex. In Kontext der Erotik ist das etwas sehr interessantes. Jemanden derart nah zu erleben, den man keine Sekunden vorher erlebt hat, ist etwas was nicht gerade natürlich in der Realität ist. Zumindestens nicht für mich, kenne nicht viele die mich direkt anmachen und vernaschen. (Obgleich es bestimmt faszinierende Menschen gibt, die das erleben durften.)
Naja. Genug von meinem langen Essay. Ich möchte nur nochmal betonen, das VR kein Ersatz für die Realität ist. Das es Bedenken diesbezüglich gibt, verstehe ich. Aber VR ist letztlich nur ein moderner Fernseher. Nicht weniger, aber auch nicht mehr.