Noch zwei Stunden bis Lissabon
Noch zwei Stunden bis Lissabon. „Eigentlich genug Zeit um noch ein bisschen zu schlafen“, dachte sich Cheryl. Sie rückte sich das Kissen zurecht und legte ihre Jacke über die Beine. Mit dem Kopf gegen die Fensterscheibe gelehnt wollte sich der Schlaf allerdings nicht so recht einstellen. Das ständige Rumpeln des Zuges und die Fahrgeräusche ließen Cheryl immer wieder aus dem Schlaf fahren. Irgendwann reichte es ihr. Wütend feuerte sie die leere Coladose in die Ecke, um sie keine zwei Sekunden später reumütig aufzuheben und der Wertstoffentsorgung zuzuführen. Erneut setzte sie sich auf ihren Platz, legte die Füße hoch und blickte aus dem Fenster. Gerade als sie wieder einzudösen drohte öffnete sich die Tür. „Guten Tag, ist hier noch ein Platz frei?“ fragte der dunkelhaarige Fremde mit den stahlblauen Augen. „Ähm, ja natürlich“, sagte Cheryl, setzte sich verlegen auf und rückte ihre Frisur zurecht. „Na toll“, dachte sie sich insgeheim. „Jetzt war ich gerade kurz davor einzunicken.“ Er verstaute seinen Koffer im Gepäckfach und setzte sich ihr gegenüber. Mit einem Lächeln nickte er sie an und schlug dann den Wirtschaftsteil seiner Zeitung auf. Irgendwie war es Cheryl eben gar nicht mehr so unangenehm ein bisschen Gesellschaft zu haben. Sie betrachtete ihr Gegenüber nun doch etwas genauer. Dunkle Haare, verschmitzte Lachgrübchen, ein Mund, wie zum Küssen geschaffen – und dann waren da noch diese eisblauen Augen, die irgendwie das Feuer in ihr zum Glühen brachten.