Vielen Dank für Euren regen Gedankenaustausch!
Natürlich ist diese Diagnose nicht gestellt worden, weil er ein Mal "Fremdgefickt" hat. Durch die Therapie weiß ich jetzt, dass er dieses Verhalten bereits seit fast 20 Jahren an den Tag legt und jede seiner Beziehungen, seit dieser Zeit, an Untreue seinerseits gescheitert ist.
Wir haben uns auch auf solch eine Weise kennengelernt... Ich bin nämlich die Frau, mit der er seine Expartnerin betrogen hat. Wir haben uns Anfang 2016 über Joyclub kennengelernt... Ich war Single, er war angeblich Single. Die Sache zwischen uns war damals noch nichts Festes, wir hatten halt Spaß zusammen. Er sagte Dates meist kurzfristig ab und erzählte die waghalsigsten Geschichten dazu. Und natürlich dachte ich mir dann immer: "Holzauge sei wachsam!", da ist doch etwas faul. Bis ich schließlich seinen Bruder kennenlernen durfte, wir waren ein Wochenende alle zusammen in Hamburg. Danach dachte ich mir dann... "Ok, ja irgendwas ist da aber es ist auf keinen Fall eine andere Frau. Ich hab schließlich einen Teil seiner Familie kennengelernt und die hätten ja was sagen müssen.". Zwei Monate später schrieb mich über Joyclub eine Frau an: "Woher kennst du meinen Freund?!..."
Ich hab ihm also bereits ein Mal eine große Lüge verzeihen müssen und als wir uns für einen gemeinsamen Weg raus aus seiner damaligen Partnerschaft entschieden hatten, gab es stets einen ganz entscheidenden Grundsatz: Wir sind immer ehrlich zu einander, immer! Denn mir war damals durchaus schon bewusst, dass ein hohes Risiko besteht, dass er auch in unserer Beziehung fremdgehen könnte. Aus diesem Grund war es für mich auch nicht unbedingt das Schlimmste ihn mit einer anderen Frau zu sehen, sondern in diesem Moment wieder die Bestätigung zu haben, dass er mich erneut belogen hat.
Aber ich schweife gerade zu sehr ab! Ich möchte hier keine Diskussion darüber entfachen, wie idiotisch es ist ihm sein Verhalten zu verzeihen oder es mit der Diagnose "Sexsucht" zu rechtfertigen, denn das mache ich beides nicht. Wir haben diese Therapie begonnen, da innerhalb unserer Partnerschaft ein gravierendes Problem aufgetreten ist und wir nun schauen müssen, ob wir unseren weiteren Lebensweg besser getrennt oder doch zusammen gehen werden. Zudem nimmt er an Einzeltherapiesitzungen teil, um die Ursachen für sein "krankes Verhalten" und anschließend Lösungswege zu finden.
Sexsucht ist ein unglaublich breitgefächertes Thema. Genau so, wie jeder Mensch individuell ist, ist es auch seine Sexualität. Als sexsüchtig bezeichnet man sowohl den Familienvater, der sich freitags zahlreiche Drogen einwirft und das ganze Wochenende, in einschlägigen Clubs, mit so vielen Frauen, wie nur irgend möglich, schläft und sonntags dann reumütig zurück zu Frau und Kindern kriecht, als auch eine Frau, die sich zehn Mal am Tag auf der Toilette ihrer Arbeitsstelle selbst befriedigen muss.
Unser Therapeut hat das relativ gut erklärt... Mit Einsetzen der Pupertät und der Erkenntnis, dass uns Selbstbefriedigung ein sehr schnelles und unglaublich erfüllendes Glücksgefühl bringen kann, stellen wir fest, wie einfach wir uns selbst belohnen können. Das ist ganz normal und absolut nicht verwerflich, so lange es nicht "missbräuchlich" eingesetzt wird. Denn bleiben wir mal bei dem Beispiel der zehn Mal am Tag masturbierenden Frau... Wenn sie dieses Hochgefühl nutzt, um Stress abzubauen und damit ihr eigentliches Problem zu unterdrücken versucht, wird ihr Verhalten als "krankhaft" bezeichnet und je nach Leidensdruck auch als Sucht.
Bei meinem Partner scheint es etwas mit Anerkennung zu tun zu haben. Er suchte hauptsächlich das Insomnia als "sein Jagdrevier" auf, da er sich dort ein Stück wie zu Hause fühlt. Er kennt die Mitarbeiter schon, ja, seit der Gründung des Clubs und beschreibt diesen Ort als Ruhepol, wo er nicht verurteilt wird. Immer wenn er also in der Vergangenheit Probleme hatte, egal ob familiär, beruflich oder in einer Beziehung, ist er dort hingegangen und hat sich sein "Glücksgefühl" geholt. Und je unzufrieden er mit sich selbst war, um so öfter musste er losziehen. Dabei kam es ihm anscheinend nicht unbedingt nur auf den Sex an, sondern auf das Jagen... "Ja, ich hab meine Arbeit verloren oder das Geld ist grad knapp aber ich konnte diese schöne Frau von mir überzeugen - man bin ich ein Held!", so ungefähr muss man sich seine Denkweise vorstellen. Und dieses Verhalten hat er 20 Jahre gelebt und es perfektioniert.
Zu diesem gewohnten Verhalten muss es aber in unserer Partnerschaft noch einen weiteren Auslöser gegeben haben, denn er bezeichnet unser Zusammenleben ebenfalls als perfekt und ohne Probleme. Daher hat er auf Fragen, wie: Warum haben Sie an diesem Abend die Entscheidung getroffen nach links, Richtung Berlin, abzubiegen und sind nicht, nach rechts, zu ihrere Familie nach Hause gefahren? Warum konnten sie nicht einfach einen netten Abend in dem Club verbringen, ohne dort mit der Frau zu schlafen?, keine Antworten. Der Therapeut vermutet, dass er etwas in sich versteckt, dem er sich vielleicht nicht mal selber bewusst ist. Eine sexuelle Neigung für die er sich schämt und die er nicht angesprochen hat, da er fürchtete mich dadurch zu verlieren. Und deshalb hat er sich an diesem Abend wieder fürs Inso entschieden und ist dort "seinen Gewohnheiten" nachgegangen, denn dort kann er so sein, wie er wirklich ist.
Hypersexualität ist in unserem Fall eher mein Problem... Ich war zu jeder verdammten Stunde, zu allem bereit und er hat mich oft zurückgewiesen. Wenn, dann hätte ich eigentlich einen Grund gehabt, meine Lust außerhalb unserer Beziehung zu stillen. Und ja, das macht das Ganze nur noch komplizierter.
Daher nochmal mein Aufruf: Gibt es Menschen dort draußen, die sich einer Sexualtherapie unterzogen haben oder es aktuell tun, die eine Form der Sexsucht als Grundlage hat/te? Und wenn ja, wie waren oder sind Eure Erfahrungen damit?