Ich muss mir ja immer ein Glucksen unterdrücken, wenn ich das Wortpaar „reife Männer“ sehe, versuchte man mich damit doch schon im Alter von 13 Jahren in zwielichtigen Chatrooms zu locken („na, hast interesse an einem reifen mann mit erfahrung?“). Da schüttelt’s mich von oben bis unten einmal durch – vor Missgunst! Alter schützt vor Torheit nicht – auch ausgewachsene Kerle können so unreif sein wie elfjährige Lausbuben.
Und heute? Heute ziehen mich nahezu ausnahmslos ältere (!) Männer zwischen 30 und 55 an. Wieso?
Nun, ich erkläre mir das Phänomen folgendermaßen:
OPTIK
• Falten: (Achtung, desillusionierende Aussage!) Ich finde Lebenszeichen sexy. Merkmale, die mir signalisieren, dass dieser Mensch vor mir schon ein paar Jahre lebt. Und das nicht zu knapp! Ich mag Lachfalten, Grübchen, markante Gesichtszüge. Dagegen finde ich den gebügelten, zarten Ausdruck vieler Gleichaltriger nahezu grotesk.
• Augen: Sie sind der Spiegel zur Seele, davon bin ich überzeugt. Ich mag wache, aufrichtige und mutige Blicke. Eine gewisse Lebenserfahrung und ja, auch eine gewisse Abgeklärtheit aufgrund diverser positiver, aber auch negativer Erlebnisse wirkt sich meiner Meinung nach stark auf den Augenausdruck aus. Bei Gleichaltrigen schaue ich einfach viel zu oft (wieder: es gibt Ausnahmen!) in einen Sumpf aus zu viel Tequila, YouPorn und „Lass erstmal chillen“-Gedanken.
• Haare: Was haben alle gegen graue Haare? Ich liebe meine eigenen und ich finde sie auch bei Männern sehr anziehend. Vor allem, weil Haare ja seltenst grau sind, sondern meistens silbrig schimmern.
WESEN
• Eloquenz: Ich will mich auf hohem Niveau über viele verschiedene Themen austauschen können. Nach jahrzehntelanger Übung in punkto Gesprächsführung hat man mit älteren Männern einfach oft mehr kommunikativen Spielraum.
• Selbstbewusstsein: Ich meine jetzt nicht nur Selbstbewusstsein im Sinne eines starken Egos, sondern Selbst-Bewusstsein im Sinne von „Ich vermute, wer ich bin. Ich weiß, was ich kann und möchte und was nicht“. Menschen, die im Kontakt zu sich selbst stehen, finde ich sehr anziehend. Das finde ich öfter bei älteren Männern vor als bei jüngeren.
• Bodenständigkeit: Klingt schlimm, oder? Damit meine ich aber – wie hier ja schon angesprochen wurde – eine gewisse innere Ruhe. Man hat schon vieles ausprobiert, hat sich ein paarmal neu erfunden, aber man muss auch nicht mehr jeden Scheiß mitmachen. So eine gewisse Zentrierung wirkt auf mich sehr sexy – vielleicht, weil ich selbst noch eher wirbelig unterwegs bin.
• Anspruch: Auf die Gefahr hin, dass ich jetzt sehr snobbig klinge: Es ist schön, jemanden vor sich zu haben, der mit einem gewissen Anspruch durchs Leben geht. Beim Essen, beim Trinken – aber auch bei seiner Gesellschaft. Männer, die „es sich wert sind“ und auch mal Nein sagen, wenn etwas ihren Ansprüchen nicht genügt. Aber: Mit Leichtigkeit. Toll ist es, wenn ich mit einem Mann auch mal nachts um 4 in einer ranzigen Eckkneipe sitzen und ein billiges Bier trinken kann.
• Savoir-vivre: Ich liebe es, schön essen zu gehen, mich auf Barhockern zu räkeln, im Theater tollen Stücken zu lauschen oder ähnliches. (Um dem Sugardaddy-Argument entgegen zu wirken: Das kann reizvoll sein, macht mich jedoch meistens nur verlegen. Klar ist es toll, eingeladen zu werden – und wenn der andere 10 x mehr verdient als man selbst auch logisch – aber ich finde es keine Selbstverständlichkeit.) Kurzum: Männer, mit denen man auch andere Dinge unternehmen kann als Koma-Saufen auf dem Oktoberfest, finde ich sehr angenehm – und die sind eben oft älter.
• Robustheit: Meine ganz persönliche Erfahrung, aber: Ältere Männer sind nicht so leicht aus der Fassung zu bringen. Ich rede gern Tacheles, damit kommen jüngere Männer oft nicht klar. Ich finde es toll, reflektiert reden zu können (auch wenn das bedeutet, dass man selbst mal einstecken muss).
• „Verbotenheit“: Auch wenn ich mich selbst manchmal wie eine 50-jährige Puffmutter fühle, so bin ich mir doch bewusst, wie ein Altersunterschied auf ältere Männer – aber auch auf die Öffentlichkeit wirkt. Ich mag es, Aufmerksamkeit zu erregen, jedoch ist es mir sehr wichtig, nicht als dümmliches Betthäschen gesehen zu werden. Aber die verwirrten Gesichter sind schon sehr unterhaltsam.
ich hoffe, damit konnte ich Euch meine persönlichen Eindrücke etwas näher bringen.
EDIT
Was ich noch loswerden will, um die gängigen Vorwürfe zu entkräften, die jungen Frauen oft gemacht werden, wenn sie sich als Liebhaberinnen älterer Männer„outen“:
• #lebenserfahrung: Die „Ich habe viel mehr Lebenserfahrung“-Masche zieht bei mir gar nicht. Ich maße mir an zu behaupten, dass ich in meinem Leben bisher mehr erlebt und gelernt habe als so mancher 60-Jähriger. Wie bereits mit der Reife angedeutet sagt auch das Alter nichts über den Erfahrungsstand aus (aus dem sich wohl wiederum die Reife ergibt).
• #vaterkomplex: Für einen Vaterkomplex haben mein Vater und ich ein viel zu gutes und gleichzeitig gesund distanziertes Verhältnis. Also: Fehlanzeige! Die Annahme, dass man bei älteren Männern Halt und Führung sucht, halte ich für (generalisierten) völligen Humbug.
Und noch ein Hinweis: Vielleicht habt Ihr schonmal von der „alten Seele im jungen Körper“ gehört? So fühle ich mich oft und vielleicht wäre das auch eine Erklärung dafür, wieso sich manche Menschen einfach nicht zu ihren Altersgenossen hingezogen fühlen.
So, Batty out.