Alltagssexismus...
Die Diskussion um Brüderle und die um Chebli gehört insofern bestenfalls hier rein, weil sie illustriert, wie heuchlerisch diese Debatte mitunter verläuft:
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Der Fall von Sawsan Chebli ist irgendwie ein Sturm im Wasserglas.
Die Dame kam zu dem besagten Vortrag erst zu spät, stellte sich nicht vor, setzte sich auf den falschen Platz und war
dann angepisst, dass man sie nicht sogleich erkannt hatte. Klar, die Äußerung des Botschafters war selten unprofessionell - nur hat sie in der Situation auch nicht gerade durch Professionalität geglänzt.
Ein nicht unerheblicher Teil ihrer Empörung dürfte daher rühren, dass ihr Äußeres für mehr Aufmerksamkeit sorgt als ihre Kompetenz und ihre Position, jedenfalls deutet ihr kaum verhülltes unreifes Gepose ("danach hielt ich den Vortrag frei auf Deutsch und Englisch") am Ende des FB-Posts darauf hin - wer sich allerdings selbst von ihrer Eloquenz überzeugen möchte, dem sei auf eigene Gefahr dazu geraten, sich Youtube-Videos von ihr anzuschauen.
Ich habe hier jedenfalls eine gewagte Theorie: Frau Chebli geht es vor allem um die Selbstprofilierung als Diskriminierungsopfer, nicht zuletzt auch deswegen, weil sie dann immer wieder darauf zurückfallen kann, wenn sie unter Kritik steht (was, da sie ihre Stellung höchstwahrscheinlich primär ihrer doppelten Quotenfunktion verdankt und weniger ihrer Eignung, kaum zu vermeiden ist). - und ist vor allem deswegen auf den Sexismus-Zug aufgesprungen.
Denn dass eine Frau, die laut eigener Aussage vor allem deswegen kein Kopftuch trägt, weil man damit hierzulande keine Karriere machen kann (
https://de.wikipedia.org/wik … 3.84u.C3.9Ferungen_zum_Islam), ausgerechnet dann überrascht ist, wenn sie auf ihre Äußerlichkeiten reduziert wird, weil sie aussieht wie aus dem Modelkatalog entsprungen, kann ich mir schwerlich vorstellen - ist genau das doch die zentrale Begründung für die islamische Vorschrift der züchtigen Bedeckung.
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Brüderle dagegen war zwar mehr ein Thema, aber auch kein besonders gut geeignetes, um endemische sexuelle Belästigung anzukreiden.
Brüderle wurde außerhalb der normalen Arbeitszeiten von der Journalistin an der Bar angesprochen, als er schon einiges getankt hatte (zumindest kommt er in ihren Schilderungen alles andere als nüchtern rüber), und hat sie daraufhin fleißig angebaggert. So weit, so schlecht.
Daraus allerdings eine Sexismus-Debatte zu basteln ist schon absurd. Wenn man mal davon absieht, dass das ein klarer Fall von "Schrödingers Sexismus" war (eine Aktion ist solange gleichzeitig sexistisch und nicht sexistisch, bis die Frau sich entschieden hat, ob sie sich belästigt fühlt oder geschmeichelt), gibt die Situation den Skandal auch einfach nicht her:
• der Mann hat nicht aktiv den Kontakt mit ihr gesucht, sondern sie mit ihm
• er ist nicht körperlich übergriffig geworden, sondern beließ es bei Anzüglichkeiten
• er hat nicht versucht, sie zu isolieren, sondern das ganze Gespräch fand an einem mehr oder weniger öffentlichen Ort statt (und seine Mitarbeiterin war auch dabei und hat ihn rechtzeitig ins Bett geschickt, bevor er sich noch mehr blamiert)
• und vor allem: Er war mindestens mal angetrunken und nicht etwa im Vollbesitz seiner geistigen Kräfte.
Wer hier ernsthaft behaupten kann, dass ihm etwas vergleichbares nie passieren würde, der muss schon über eine bemerkenswerte Disziplin auch im verkehrsuntüchtigen Zustand verfügen oder ist Abstinenzler.
Damit man mich nicht falsch versteht: Ich kann jede Frau verstehen, die nach einem solchen Kompliment von Herrn Brüderle direkt eine Dusche braucht, um die Schmach abzuwaschen. Nur hier zu erwarten, dass Männer auch unter den gegebenen Umständen nicht nur 90%, sondern 100% Selbstkontrolle haben, kommt einem faktischen Alkoholverbot gleich. Und das vor dem Hintergrund, dass die Kontaktanbahnung nun mal nach wie vor Männern obliegt und auch in so manchem Fall der Amor Ethanol überhaupt erst dafür gesorgt hat, dass jemand seinen Mut gefunden hat, die Frau auch anzusprechen (nicht jeder Schwips endet in einem unerwünschten sexuellen Übergriff).
Den #aufschrei-Shitstorm
deswegen loszutreten, erschien mir zumindest folgerichtig äußerst deplatziert. Nur war es in dem Fall so, dass Anne Wizorek (die Hauptinitiatiorin von #aufschrei, die es mit Fakten nicht so hat und bei Bedarf auch gerne mal mit kreativer Zahlenmagie glänzt
http://www.faz.net/aktuell/f … -von-der-wiesn-14004617.html ) das vor allem deswegen gestartet hat, weil sie zur Avantgardistin eines neuen deutschen Netzfeminismus werden wollte - was auch passt, da sie laut eigener Aussage ein Fan der amerikanischen Ausgabe davon ist und Jessica Valenti zu ihren Heldinnen zählt.
[ein kleiner Exkurs zu Jessica Valenti: Über die sei nur soviel gesagt, dass sie sich Jahre lang wortreich und lautstark über sexuelle Belästigung beklagt hatte, nur um sich, nachdem sie die 35 überschritten hatte, über deren Ausbleiben zu beklagen. Schuld daran, dass sie das vermisste war - man ahnt es - das Patriarchtat. Nein, das habe ich mir nicht aus den Fingern gesaugt:
http://i.imgur.com/7lrGIuC.jpg, auch wenn sie den Titel des Artikels nachträglich geändert hat, als ihr scheinbarer Meinungswandel ein belustigtes Echo hervorgerufen hatte.]
Auf jeden Fall eine ganz tolle Truppe.
Für jemanden mit sowenig Substanz hatte ihr ihr Aktivismus jedenfalls ein bemerkenswertes Maß an Publizität beschert, auch wenn ich mich nicht darauf verlassen würde, dass der deutsche Netzfeminismus wirklich in großem Stil Karrieren zum abheben bringen kann.
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@*******eny
Dabei darf nicht vergessen werden, dass es neben Altfeministinnen, die offen aussprechen, dass das Ziel ihres Feminismus nicht die Gleichstellung, sondern die Machtübernahme in der patriarchalen Gesellschaft ist, auch junge Frauen mit modernen feministischen Ansichten gibt. Auch diese jungen Frauen werden durch Altfeministinnen angefeindet. [...] Es gibt aber im Gegensatz zu Schwarzer, Stokowski und Co auch junge Frauen, wie beispielsweise Emma Watson, die Feminismus anders interpretieren und männliche Machtausübung nicht durch weibliche ersetzen wollen. Ihre Maxime ist eine tatsächliche, echte Gleichstellung, die es Frauen ermöglicht so leben zu können, wie sie wollen.
Einspruch:
Was du beschreibst, ist eher ein Konflikt zwischen radikalen und gemäßigten Feministinnen als einer zwischen Altfeministinnen (2. Welle) und "modernen" (3. Welle). Die Tendenz dazu, trotz wortreicher Lippenbekenntnisse zum Konzept der Geschlechtergleichheit Männer nach Strich und Faden zu dämonisieren un anzufeinden, gibt es jedenfalls auch in letzterer, und zwar nicht zu knapp ("mansplaining", "manspreading", "male tears" etc.).
Stokowski würde altersmäßig zur dritten Welle gehören, ihre pathologische Männerfeindlichkeit (der - schließlich ist man Anhängerin der Theorie des Intersektionalismus - nur dann abgefedert wird, wenn es nicht gegen solche geht, die weiß und heterosexuell sind) steht allerdings der der vorangegangenen Hardcorefeministinnen in nichts nach.
Dass Schönwetterfeministinnen wie Emma Watson tatsächlich "Echte Gleichstellung"(tm) im Sinne haben, wage ich allerdings zu bezweifeln - auch dieser Fraktion geht es in letzter Instanz wohl darum, alle Privilegien und Vorzüge des Mann-Seins zu genießen, allerdings ohne gleichzeitig die Nachteile in Kauf zu nehmen.
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@*****and
Eine kleine Anmerkung zu deinem ansonsten sehr guten Beitrag:
Keine dieser Frauen war je ursprünglich selbst betroffen, aber immer ganz vorne dabei dies professionell zu organisieren und am Laufen zu halten.
Margarete Stokowski wurde tatsächlich in ihrer Jugend vergewaltigt (und entwickelte in der Folge selbstzerstörerisches Verhalten wie Essstörungen und Ritzen) - das schildert sie zumindest selber in ihrem Buch "Untenrum frei". Es würde jedenfalls ihre doch sehr ausgeprägten Neurosen erklären.
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Zum Thema #metoo, Machtmissbrauch etc. schreibe ich später noch was.