Über dieses Thema zerbrechen sich
durchaus auch klügere Köpfe als ich den Schädel:
Was ist männlich?
© ZEIT online 13.6.2006 - 02:25 Uhr
Schlagworte: Im Arbeit Beruf Familie und Partnerschaft
Sechs ZEIT-Autoren beantworten die Frage
Josef Joffe, Herausgeber der ZEIT
Was ist heute »männlich«? Wir wissen es nicht mehr, jedenfalls nicht, wenn wir die Ikonologie der Bewusstseinsindustrie betrachten: Film und Fernsehen, Werbung und Mode. Die Frauen zeigen zwar all die richtigen sekundären Geschlechtsmerkmale (Busen, Po, Hüften), wirken aber ansonsten heftig dominant. Die Männer (Brad Pitt, L. DiCaprio) weisen dagegen eine höchst unbestimmte Sexualität auf, die in der Modewerbung geradewegs im Androgynen landet. Die Weibchen der Postmoderne weisen männliche, die Männchen überhaupt keine deutlichen Geschlechtsmerkmale mehr aus, kein Wunder, wenn die Jungs andauernd Herrenkosmetika verkaufen müssen.
Was dann »männlich« ist? Wir wussten mal sehr genau: stark, loyal, tapfer, ritterlich - die Schwachen beschützend, die Schurken bekämpfend. Das war einmal. Wer heute einen Drachen tötet, wird vom World Wildlife Fund angezeigt. Aber genug. Ich muss jetzt los, sonst kratzen mir die Jungs in meiner Selbsterfahrungsgruppe die Augen aus.
Iris Mainka, Chefin vom Dienst:
Da fragen die Männer nun, was ich männlich finde! Aber ich weiß nicht, was männlich ist. Ich kann nur sagen, was ich herrlich finde: Witz. Und Mut. Und Klugheit. Außerdem Souveränität und Selbstironie, Verlässlichkeit und Treue. Dämlich finde ich die Abwesenheit von all dem. Es gibt dämliche Männer und herrliche Frauen. Und umgekehrt.
Ich mag abends im Bett Füße, die wärmer sind als meine. Und es macht mir Spaß, mit Männern darüber zu reden, wie Frauen sind und wie Männer sind. Mit Frauen darüber zu reden, ist ein bisschen langweiliger, denn wir sind uns zu einig; viele Frauen gemeinsam wissen immer genau, was männlich ist. Eine Frau allein ist mit dieser Frage überfordert. Doch eins steht fest: Nichts ist männlicher als die Angst, nicht männlich gefunden zu werden.
Sabine Rückert, Reporterin
Ein richtiger Mann macht sich nicht klein. Er nimmt einen (klugen) Standpunkt ein und vertritt diesen mit Verve, auch wenn das unpopulär ist und ihm Gegner einträgt. Er traut sich was, er traut sich was zu. Es gibt nichts Trostloseres als einen Mann, der den Schwanz einzieht – und sei es noch so elegant.
Ein richtiger Mann gibt etwas her. Er gönnt sich was und den Menschen um sich herum auch. Es gibt nichts Jämmerlicheres als einen Mann, der das Leben nach Sonderangeboten abtastet und versucht, wo er kann, billig davonzukommen. Der mit Zuwendung, Geld und Zeit spart. Geiz ist die unsympathischste Erscheinungsform des Egoismus. Und alles andere als geil.
Gero von Randow, Chefredakteur von ZEIT online
Ein Mensch ist männlich, wenn in seinen Zellen das X-Chromosom von einem Y-Chromosom begleitet wird. Sein Part in der Fortpflanzung ist damit festgelegt. Das geht mit einer bestimmten hormonellen Grundausstattung einher, und nun wird’s fusselig, denn mit diesen Eigenschaften sind soziale Rollen verknüpft, aber was das genau bedeutet, darüber weiß die Forschung wenig. Historisch gesehen jedenfalls ist der Mann ein Totschläger und in der Mehrzahl der Fälle einer mit staatlicher Lizenz. Aber wenn Ort und Zeit diese Rolle nicht vorsehen?
Es bleibt ihm als statistisch auffällige Eigenschaft die Aggressivität. Sie kann allerdings auch sozial erwünschte Formen annehmen und heißt dann beispielsweise Führungsstärke oder auch Konsequenz und Durchhaltevermögen. Nach Auskunft der Forschung mögen Frauen das männliche Dominanzstreben durchaus, allerdings nur an ihren fruchtbaren Tagen.
Bernd Ulrich, Stellvertretender Chefredakteur
Was ist männlich? Sehr leichte Frage! Gewalt, Imponiergehabe, ewige Pubertät, mehr Monolog als Dialog und das alles im Stehen. Was ist männlich – und trotzdem gut? Schwere Frage, sehr schwere Frage. Und gefährlich dazu! Wenn es darauf eine Antwort gibt, dann wäre ja zumindest an einem Punkt der Mann überlegen. Also Vorsicht: Folgende positive Eigenschaft kommt nicht etwa bei Frauen nicht vor, sondern nur seltener; sie findet sich nicht bei allen Männern, sondern nur öfter.
Also: Männer sehen in (fast) jedem Ernst noch das Spiel, in jedem Spiel auch den Ernst. Sie sind in diesem Sinne sportlicher als Frauen. Dadurch haben sie mehr Freude (weil das schiere Spiel keine Freude macht), und sie ersparen sich allzu tiefe Verletzungen (weil der Ernst des Lebens auch ein Spiel ist). Das ist das ganze Geheimnis. In diesem Sinne ist etwa Angela Merkel männlich und Edmund Stoiber eine Frau. Aber das nur nebenbei.
Iris Radisch, Literatur-Redakteurin
Was ist ein Mann? Ich habe meine drei Töchter gefragt. Die erste Tochter sagt: Männer sind doof. Die zweite Tochter sagt: Männer finden sich selbst immer toll. Die dritte Tochter sagt: Bei den Männern klemmt es zwischen den beiden Gehirnhälften. Ich sage: Kinder, hört mir zu. Es war einmal vor langer Zeit, da waren Männer Leute, die nicht weinen konnten, die keine Töchter wollten und die ständig Krieg führten.
Das war schlimm. Und noch schlimmer als die doofen Männer waren die großen Männer. Ein großer Mann bekam nämlich nicht nur das größte Stück Fleisch und das jüngste Stück Frau. Ein großer Mann durfte auch groß denken, groß handeln und groß irren. Die großen Männer waren die gefährlichsten, denn es gab meistens niemanden mehr, der sich für noch größer hielt als sie sich selbst. Den Allergrößten unter ihnen nannte man deswegen Gröfaz. Den großen Männern haben wir das größte Unglück zu verdanken.
Muss man diesen Anregungen wirklich noch etwas hinzusetzen?
Schöne Grüße
Glyxkind