Sexismus oder sexuelle Belästigung?
Stellvertretend für andere Threads in Joyclub möchte ich hier, im allgemeinen und öffentlichen Zugänglichen Bereich meinen Gedanken abladen.
Versuch einer Definition:
Sexismus ist das zuschreiben oder absprechen bestimmter Eigenschaften aufgrund des Geschlechts.
Sexuelle Belästigung ist „konkretes, sexuell bestimmtes Verhalten, durch das sich eine Person unwohl und in ihrer Würde verletzt fühlt.“ (Wikipaedia)
Über sexuelle Gewalt braucht man nicht diskutieren. Ist aus gutem Grund verboten und muss strafrechtlich geahndet werden.
(Ausnahme: dort wo es in gegenseitigen Einverständnis als erotische Spielart praktiziert wird - SSC: Safe, sane, consensual)
Sexuelle Belästigung ist oft nicht strafrechtlich verboten. Keine Frage, jemanden ungefragt an den Geschlechtsteilen zu berühren ist verboten. Eine Machtposition auszunutzen ist zumindest verpönt und gesellschaftlich sanktioniert. Wo aber Belästigung anfängt ist eine gesellschaftliche Übereinkunft und in starkem Masse von den konkreten Umständen abhängig. Am Arbeitsplatz gelten andere Regeln als in der Kneipe, im Museum am FKK Strand oder im JoyClub.
Vielleicht bin ich der letzte Heilige
aber ich mag ungefragte Berührungen nicht. Hände schütteln OK, aber Begrüssungsküsse sind mir eigentlich schon zu viel. Es sei denn, wir kennen uns seit Jahren und freuen uns wirklich uns zu sehen. Lieber spiele ich mit Worten und mache vorsichtig zweideutige Angebote – aber auch da muss ich Sie schon lange kennen um ihre Reaktion vorausahnen einschätzen zu können.
Exkurs: Die unangenehmsten 90 Minuten des letzten Jahres waren auf einem Kurzstreckenflug bei dem mein Sitznachbar – ein höchst unattraktiver Mann – mir durch seine weit gespreizten Beine uns seinen ausladenden Ellbogen permanent zu nahe gekommen ist …
Eines stört mich aber an der aktuellen Debatte. Das unreflektiert sexuelle Gewalt und sexuelle Belästigung mit Sexismus verwechselt wird. Sexuelle Belästigung und Gewalt sind in hohem Masse mit Sexismus verbunden – sind aber nicht gleichzusetzen. Und umgekehrt. Die aktuelle #metoo Debatte mit dem Unterton „alle Männer sind Schweine“ zu führen ist sexistisch. Das ist sexistisch, weil allen Männern unterstellt wird sexuelle Gewalt / sexuelle Belästigung anzuwenden wenn sie nur die Gelegenheit dazu hätten.
Menschen aufgrund ihres Geschlechts in Täter und Opfer einzuteilen ist sexistisch. Ja, gerade bei Sexueller Belästigung gibt es wahrscheinlich weitaus mehr Männer als Täter – aber bei weiten nicht alle Männer sind Täter. Und nicht alle „Nicht-Täter“ sind deswegen Opfer.
Es ist gut und richtig über gesellschaftliche Konventionen und Grenzen zu sprechen – aber bitte nicht mit pauschalen, sexistischen Verdächtigungen und Vorwürfen. Der Unterschied zwischen Mann und Frau ist weitaus geringer als uns manche Bestsellerautoren erklären wollen. Viel stärker als genetische Dispositionen wirken Erziehung und Umwelteinflüsse auf unsere Verhaltensweisen.
Grundsätzlich wäre es mir lieber, wenn einige Menschen sich weit mehr Zurückhalten würden und den Freiraum und die Würde des Gegenübers respektieren würden. Das betrifft nicht nur den Fluggast der der meine körperliche Nähe gesucht hat. Das Betrifft auch Alphamännchen die meinen, sich aufgrund ihrer Machtposition sexuelle Belästigungen leisten zu können (das betrifft auch die kesse Blondine die mir im Zug gegenüber sitzt und mir ihre Titten ins Gesicht drückt – Sorry, alles zu seiner Zeit).
Aber – gleichzeitig gibt es einen Trend alles was nur den leichten Anschein des erotischen und des körperlichen hat aus der öffentlichen Wahrnehmung zu drängen. Vor 25 Jahren ist eine deutsche Wochenzeitschrift mit dem Titelthema „Cybersex“ erschienen. Auf dem Cover war eine Frauenbrust abgebildet. Viel, viel zu viel nackte Haut um heute bei Facebook zitiert zu werden.
Was soll das? Nur weil man manche Themen und Bilder aus der Öffentlichkeit verbannt (und Facebook ist heutzutage ein öffentliches Medium) macht man die Welt nicht besser. Ich kenne das nur aus den Medien – aber was man so hört, dürfen amerikanische Universitäten manche Themen nicht mehr ansprechen weil es die StudentInnen verstören könnte. Man macht die Welt bequemer und friktionsfreier wenn man kontroverse Themen ausklammert, gleichzeitig macht man die Menschen anfällig die alten Fehler zu wiederholen.
OK – aber das ist mittlerweile an anderes Thema und sollte an anderer Stelle diskutiert werden.
Aber es ist gut wenn die Debatte über sexuelle Belestigung geführt wird und wenn darüber gesprochen wird, was jenseits des akzeptierten und erlaubten liegt. Ich will in keiner prüden verklemmten Wekt leben in der die Kinder vom Storch gebracht werden - aber es sollte Grenzen geben und ich arbeite jeden Tag daran die Grenzen für mich und für die andere zu finden.
v.