„Sex sollte sich doch nicht den regeln von In oder Out unterwerfen.
Würde mir da im allgemeinen mehr Toleranz erhoffen.
Das sollte es, tut es aber nicht. Wir haben als Gesellschaft und als Individuen ein Identitätsproblem. Zwischen Umweltzerstörer und Umweltretter, zwischen nationalen und internationalem Denken. Partnerschaften werden immer kurzlebiger, arbeitsverhältnisse auch. Heimat ist auch oft nicht mehr das, wo wir Zeit unseres Lebens wohnen.
Wir merken in der Gesellschaft, das wir eigene Identität eben nicht nur aus der reinen Selbstbeschau ziehen können. Identität braucht Beziehungen und Abgrenzungen. Ich bin nicht du - aber auch: dort gehöre ich hin.
Die Zugehörigkeit zu einer Gruppe verschafft uns Identität. Manchmal ist es der Kegelverein, manchal eine politische Partei, manchmal eine Religion. Aber auch sexuelle Ausrichtung (Hetero-, bi-, homo-, asexuell usw.), Gestaltung der Sexualität (monogam, Swinger) Gestaltung der Partnerschaftsstrukturen (Monoamor, polyamor, offene Beziehungen, Affairen) werden zur Identitätsstiftung (und damit auch zur Abgrenzung von den Anderen) herangezogen.
Neuerdings gibt es auch dies im Bereich Sexualpraktiken, incl der Abgrenzung und teilweiser Abwertung. BDSM (ist intensiver als "Vanilla"), Gangbang (Frau lässt in feministischer Manier die Männer antanzen), Cervixorgasmen (sind dann die wahren Orgasmen), Deepthroat (ist dann das ultimative Blasen) oder Wifesharing (ich bin sowas von eifersuchtsfrei) sind einige Beispiele. Unterstützt wird dies durch Werbung, Artikel, und Forendiskussion. Aus einer von vielen Möglichkeiten wird die einzig wahre Möglichkeit- weil sie inzwischen von einer Tätigkeit zum festen Bestandteil der Identität mutiert ist. Es geht dann nicht mehr ohne. Fehlt es, fühlt man sich abgelehnt- was in vielen Diskussionen so durchschlägt.
Auch der hier zugehörige Artikel im Magazin durch sein Unterteilen in sehr ungeschickter Weise die Frauen und Männer. In seinen Wertungen bleibt mir nichts anderes übrig als zu attestieren, das dort nicht über Squiting als eine von vielen Möglichkeiten gesprochen wird. Sondern das der Hype von Squirting als Hype/Lifestyle dadurch manifestiert wird, weil es zu oft darum geht, das die Schreiberin selbst squirtet, und es jenseits ihrer elitären Gruppe der Squirter hauptsächlich nur noch zwei Gruppen gibt: Männer, die das bei ihrer Frau nicht hinzukommen (Unwissenheit und Inkompetenz) und Frauen, die das auch wollen, aber sich nicht eingestehen (Wegen gesellschaftlicher Prägung)
Ich hab ja nun mit Bluevelvet in der Regel Zoff, weil wir unterschiedliche Denkweisen haben. Aber hier schätze ich ihre Motivation über die tatsächliche wissenschaftlich fundierte Sicht zu schreiben. Wenn auf dem Tisch ist, was es tatsächlich ist- steht mir immer noch frei mich dafür oder dagegen zu entscheiden.
Ja, das ist dann nicht so romantisch über die Körperlichen Vorgänge zu schreiben. Dennoch hilft es sich für oder gegen eine Praktik zu entscheiden. Und es verhindert, das eine Überhöhung der Praktik einsetzt, indem sie zum Lifestyle- zum "must have" - hochstilisiert wird.
Auch bei mir ist es so, das einige der "Must have" Praktiken mir zugefallen sind. Auch ich mache es wie du unabhängig von den Hypes um diese Sachen. Aber damit geht auch die Verantwortung einher sich immer wieder bewusst zu machen: es gibt auch andere gleichwertige Möglichkeiten. BDSM ist nicht besser als Vanilla, Wifesharing nicht besser als Monogamie usw.
Auch eine squirtende Frau hat den gleichen Wert wie eine Frau, die ohne Gleitmittel gar nicht auskommt, weil ihre Feuchtigkeit eher an eine Wüste als an einen fließenden Bach erinnert. Der Bach sollte nicht erstrebenswerter sein als eine Wüste.
Wenn ich das Gefühl bekomme, das bei eine Frau dieses Squirten erwarten kann (und sei es das missionierende: Ach komm, du willst es eigentlich doch auch) läuft was verkehrt.
Wenn die gleichwertige Pluralität der Bedürfnisse und Möglichkeiten in Gefahr ist, weil einiges plötzlich richtiger als anderes ist- muss man aktiv gegensteuern. Nicht weil es falsch ist zu squirten, sondern weil es nicht richtiger sein kann als anderes. Was heißt, das es wichtig ist, zurückhaltend mit seiner Euphorie über die eigenen Lieblingspraktiken umzugehen. Auch wenn die eigenen Gefühle bei dieser (oder jenen) Praktik hoch schlagen- es ist nur eine von vielen Möglichkeiten.
Mir wird z.Bsp. oft unterstellt, ich sei gegen offene Beziehung- weil ich ich die Überhöhung ablehne. Ich vermute, mir wird auch unterstellt, ich wäre gegen Squirting. Das bin ich gar nicht. Ich würd mich freuen, wenn es öfter geschieht. ABER: Es geht auch ohne. Es muss sich deswegen niemand verbiegen. Wenn meine Frau nicth squirtet habe ich nicht das Gefühl, das sie mir etwas vorenthält, ich zu doof dazu bin oder/und die böse Gesellschaft sie negativ beeinflusst hat. Squirten ist nichts, wonach ich bohren und drängeln muss. Ich habe deswegen keine "defekte Frau". squirtet sie (irgendwann)- gut. Wenn nicht- auch gut. Und ich glaube ihr, das es für sie nicht weiniger lustvoll ist. Squirten ist für uns kein mehr an Liebes-, Lust- oder Lebensqualität.