Erste-Hilfe - bis zum bitteren Ende
Allen Lesern ein gesegnetes Weihnachtsfest und
einen guten Start ins neue Jahr
Anke kam ihm zuvor. In Windeseile schrieb sie eine SMS an ihren Hirtenknaben.
„Hast du?“
„Nur den Anz. Kein KG.“, schrieb der Pfarrer zurück. Anke seufzte und begann sich den hübschen Kopf zu zerbrechen, wie sie ihrem Schützling aus der Nummer heraushelfen könne.
Derweil kam Flöter langsam zum Ende seiner Einführung:
„Hän ich noch was wischdisches vagess? - Eijoh! Vum Kurt soll ich saan, es lädschde Mol hätte zwää Leid ihr Deggel ne bezahlt und wäre ääfach abgehau. Das geht nadierlich ned. Der Monn muss jo aach läwe. Also siehn zu, dass ner eier Gedränge bezahle, wänna node gehen. So. Fange ma aan?“ Er nickte dem Sanitäter freundlich zu. Der räusperte sich noch einmal, sortierte seine Utensilien und ließ Flöter so den Applaus für seine Rede genießen.
Kleinschmidde Gredel befehligte im Flüsterton ihre Truppen:
„Falls der Parre node dringend uffs Klo muss, schiebt es Berrda drauße vorm Klofenschder Wache. Dass mer der Kerl jo ned abhaut. Es Oddi stellt sich an die Ingangsdier und schlaat Alaam wenna stiftegehn will. Schad dass mir kää Poschde uffem Herreklo uffstelle kennen. Alles klaa, ihr Mäde?“
„Eijoh!“, murmelte die Meute einstimmig.
Flöter, der inzwischen wieder bei seiner Garde Platz genommen und kurz seine Frau geküsst hatte, raunte Bickelmann ins Ohr:
„Du stehschd mir defier grad, dass der Schleicher sich ned schleicht. Wenn der uffs Klo muss, muschd du aa. Ab jäz bisch du dämm sei Schadde.“ Herbert grinste.
„Eijoh! Das kannschd du awwa singe.“
Derweil zerbrach sich Anke fieberhaft den Kopf darüber, wie sie ihrem Schützling helfen könnte. Rasch tippte sie eine weitere SMS. „Damenklo. In fünf Minuten.“ Der Pfarrer las und bestätigte ergeben. Hoffentlich ging das gut.
Der ausgebildete Rettungssanitäter Michael Gans, seit Jahren Mitglied der Stammbesatzung des BdaS*-Rettungswagens und deshalb mit allen Arten von Unfällen, selbst mit deren exotischsten Ausprägungen bestens vertraut, nahm noch einen ordentlichen Schluck Bier, griff sich den dicken Filzstift und baute sich am Flipchart auf.
„Meine Damen und Herren, auch ich begrüße sie im Namen des BdaS sehr herzlich zu unserer heutigen Nachschulung in Erster Hilfe. Ich bin zwar fest davon überzeugt, dass ein Großteil der Anwesenden, insbesondere unsere tapferen Landfrauen“ – er grüßte freundlich zum Tisch der stolz lächelnden Damentruppe – „so einen Kurs gar nicht nötig hätten. Die kürzere Vergangenheit hat ja gezeigt, dass die vorhandenen Kenntnisse fast jeder Situation gewachsen sind.“
Die Landfrauen nickten eifrig mit den Köpfen. Pfarrer Schleicher schaute tief interessiert in sein Bierglas, Flöter und Herbert feixten und Anke stand schon einmal auf und schlich Richtung Toilette.
„Dennoch“, fuhr Gans in seiner ruhigen, unaufgeregten Art fort „gibt es immer mal wieder Gelegenheiten, die den Ersthelfer zunächst überfordern können. Diesen speziellen Konstellationen wollen wir uns heute Abend widmen und wo möglich auch die eine oder andere praktische Übung dazu vornehmen. Ich bitte sie nun, verehrte Anwesende, mir ihre Fragen zu nennen. Diese werde ich hier am Flipchart zunächst notieren und wir suchen dann gemeinsam diejenigen heraus, die für sie am wichtigsten sind. Selbstverständlich können wir nur Fragen von allgemeinem Interesse behandeln. Notlagen in denen ärztliche Hilfe erforderlich ist, oder in denen spezielles Wissen anderer Fachgebiete gefordert wird, können wir natürlich nicht aufrollen. Hier bitte ich um Verständnis, wenn ich die eine oder andere Frage auslassen muss.“
Gans kannte seine Pappenheimer. Er wusste recht genau, warum er dieses ausführliche Vorwort gesprochen hatte. Es sollte ihm jedoch nicht viel helfen. Wenn die dörfliche Maschine, geschoben von den Landfrauen, einmal im Rollen war, hielt sie nichts mehr auf.
Sogleich meldete sich Kleinschmidde Gretel zu Wort:
„Zwää Sache missde dringend geklärt wääre.
„Ah, sehr schön Frau Kleinschmidt, danke für die Wortmeldung. Was brennt Ihnen denn auf der Seele?“
„Also eerschdens: Was machd ma dann, wenn ääner in seim Tauchaanzuch e Hitzschlaach kriet?“
„Ähäm“, machte Gans und rang nach Worten.
Un zwäätens: Wie kriet ma dänne Käwwich uff, wenn ma kää Blechschäär debei hot, odder die Feierwehr grad woannschda isch?“
Der Pfarrer spuckte in sein Bierglas, aus dem er gerade hatte trinken wollen. Der ganze Saal klatschte Beifall um die Behandlung dieser wichtigen Fragen zu unterstützen. Herbert hustete seinen Lachanfall in ein Taschentuch. Flöter prustete los und blies einen Mund voller Bier in feinem Sprühnebel quer über den halben Tisch.
„Ähem“, räusperte sich Gans und nochmals „ähem.“ Genau diese Art Fragen hatte er eigentlich mit seiner Präambel verhindern wollen.
Er verfiel in seinen heimischen Pfälzer Dialekt. Ein Zeichen dafür, wie sehr ihn die aufgestellte Forderung auf dem falschen Fuß erwischt hatte.
„Ähem. Also fier die Tauchaanziech is die Marine zustännisch, do kann ich nix dezu saan und die Sach midm Käwwich sollte ma vielleicht bei dera nägschd Sitzung vum Hasezüchterverein emol dischkuriere, die keennen sich jo dort mit Käwwiche aus.“ Wenn er gehofft hatte, Gretel damit klein zu kriegen, wurde er sofort enttäuscht. So leicht nahm man der die Butter nicht vom Brot.
„Schwäz ned so dumm un mach ned so e Geschiss“, tönte Gretel, von keinerlei Schamgefühl gehemmt, in der bekannten Lautstärke, „das sin alles Frooche, die wo der Bürcherschaft uff da Seel brenne. Un das männ ich wördlich. Hähähähähä. Also: schreib uff, aber zaggich.“
„Ähem, meinen sie nicht, liebe Frau Kleinschmidt, diese Themen seien besser in einem kleinen Kreis, z.B. der wöchentlichen Kaffeestunde der Landfrauen aufgehoben? Das ist ja schon die hohe Kunst der ersten Hilfe und der normale Bürger ist damit sicher überfordert.“
„Nix do!“ Gretel senkte ihren dicken Kopf wie eine Bulldogge beim Angriff. Dadurch wurde ihr Doppelkinn zum Dreifachkinn und ließ sie besonders furchterregend aussehen.
„Do hots jo schun reale Ereichnisse gäbb, wo ma die Kenndnisse gut hän gebrauche kinne, oder ihr Määde?“ Sie schaute ihren Damen auffordernd in die Gesichter und diese reagierten sofort mit lautstarker Unterstützung:
„Jawoll!“
„Das missen mir wisse!“
„Das isch wischtich!“
„Eijoh!“
„Ei allemol!“
„Schreib uff!“
Gans resignierte. „Dazu müsste man vielleicht einen… Mit diesen Themen bin ich sicher überfordert. Vielleicht könnten wir…“
Er kam nicht mehr zu weiteren Ausführungen. Die resolute Gretel hatte ihm bereits den dicken Edding entwunden und schrieb in schönsten Großbuchstaben und seitenbreit das Wort:
T A U C H A - A N Z U C H
auf die bis dahin jungfräuliche Flipchart-Seite. Und gleich untendrunter:
K Ä F I C H
Nun griff sie sich den bereit liegenden roten Filzstift und unterstrich die beiden Begriffe je zweimal.
„So“, fuhr sie fort und übernahm völlig selbstverständlich die Moderation der Veranstaltung „wämma schun debei sin: was gäbs dann noch fier indressande Theme?“
Oma Otti meldet sich zu Wort: „Isch missd emol dringend wisse, wie dass mid dera Mund zu Mund-Beatmung nochemol geht un wie ma am beschde es Gebiss rauskriet, wenns vaklämmt isch, oder wääma däm Valäzde sei Maul ned uffkriet odder wänn er sisch weichat un zabbelt.“
„Subba, Oddi“, Gretel war begeistert und schrieb sofort auf:
M U N D ZU M U N D
erhehter Schwierichkeitsgrad
„Do missen mir node emol gugge, an wämm mir das iewe kinnen. Was hämma dann fier Gebissdrääscha do heit owend?“ Sie warf einen fragenden Blick in die Runde und wie auf Kommando drehten alle Besitzer einer Zahnprothese den jeweiligen Kopf in die andere Richtung. „Eijoh. Das klääre ma dann spääda.“
Hämmer weidere Punkde vun Bedeidung?“
Die Antwort ließ nicht lange auf sich warten und kam diesmal von Funke Berda:
„No dänne gemachde Erfahrunge vum Faasenachtsumzuch misd ich alsemol wisse, wie ma vabrännde Schniedelwuzze erstversorscht?“ Das brüllende Gelächter im Saal ließ für draußen Stehende die Vermutung zu, es handele sich bei der Veranstaltung um eine Kappensitzung.
V E R B R E N N D E G L I E D E R
(Indimbereich)
Ungerührt schrieb Kleinschmidde Gredel eilfertig auf, während der Sanitäter hilflos danebenstand und die Hände rang. „Ich denge, das wääre fier heit Owend Theme genuch.“, ließ Gretel verlauten. „Jäz misse mier noch gugge, wär zu dänne äänzelne Theme es Opfa macht. Sin eichentlich vun denne sellemols valäzde Studende heit Owend e paar do?“
„Die wärre sich hiede un sin die Naacht all vorsichtshalwer bei die Momme häämgefahr.“, lachte Flöter. „Kääna do, weid und breid ned.“
Man sah Gretel an, dass sie von dieser feigen kollektiven Flucht der Burschenschaft „Palatinia“, die man ausdrücklich für heute eingeladen hatte, alles andere als begeistert war.
„Die sin fahneflichtisch, die Feischlinge? Das häddich ma jo denge kinne. Scheiß Studende, wenn de do äämol ääner brauchschd. Un was mache mir do jäz? Es misse e baar e paar vabrennde Schniedelwutze här.“
Nun begann eine fröhliche Diskussion über die Beschaffung geeigneter Opfer für diesen wichtigen Tagesordnungspunkt. Die einzelnen Vorschläge an dieser Stelle zu schildern, wäre unappetitlich und eindeutig zuviel des Guten.
Schleicher nutzte die Situation der kurzfristigen Verwirrung, raffte seine Gewänder, murmelte etwas von Toilette und strebte eilig dem Ausgang zu. Ihm folgten mit kleinem zeitlichem Abstand Oma Otti, welche stehenden Fußes die Ausgangstür der Wirtschaft besetzte sowie Funke Berda, die flugs um das Haus herum marschierte und ihre zugewiesene Stellung unter dem Fenster der Herrentoilette bezog. Bickelmann trabte befehlsgemäß Richtung Pissoir, fand dort zu seinem größten Erstaunen aber niemanden vor. Nachdem er die drei Kabinen kontrolliert und sich so vergewissert hatte, dass das Klo tatsächlich menschenleer war, verließ er seinen Posten und stellte unverzüglich Ermittlungen über den Verbleib des Pfarrers an. Kurt, der Wirt hatte niemanden gesehen, ebenso wenig Oma Otti, die Hüterin der Tür.
„Hosch du de Parre gesiehn, Oma?“
„Nä, der muss uffem Klo sin ich hän doch gesieh wierer nin isch, was willsche dann vunnem?“, fragte die Oma neugierig.
„Ei ich wolldne was froche, uffem Logus issa jedenfall ned.“
„Ned?“ Omas bestürzter Miene war zu entnehmen, dass das spurlose Verschwinden des Pfarrers sie in größte Aufregung versetzte. „Herbert, mir missen enaus ums Haus erum, dort steht es Berda Wach, dassa ned aussem Klofenschder springd.“
Herbert begriff schlagartig, welche Mächte sich hier gegen den Pfarrer verschworen hatten. Er grinste breit.
„Eijoh? Hopp, kumm mer gehen alsemol gugge, dassem nix bassiert.“
Während Oma und Bickelmann ihren Posten verließen um das Klofenster zu observieren, rissen sie klammheimlich ohne Wissen und Wollen eine gewaltige Bresche in die mühsam aufgebaute Falle.
Als Bickelmann fünf Minuten später in Begleitung der beiden Damen wieder im Saal erschien, nicht ohne vorher noch einmal das Herrenklo inspiziert zu haben, war der Drops gelutscht. Flöters fragende Blicke beantwortete er mit einem Achselzucken.
„Wo isch der Dreggsagg?“, herrschte Karlfried seinen Kumpel mit unterdrückter Wut in der Stimme an.
„Wie vum Erdboddem vaschluggt. Kää Mensch hadne gesieh. Es Oddi hot an da Dier gestann, do isser ned naus, es Berda war vorm Klofenschder, do isser aa ned naus, der muss telepordierd sin.“
„Ohleck!“, fluchte Flöter, „wämma ned alles selwat macht. Das do gäbts doch ga ned. Losse die denne zu Dritt entkomme. Das glaabt mir widda kenna.“
Währenddessen betrat Anke, von der Toilette kommend, den Saal.
„Wo waasche dann, mei Sternche?“, fragte Flöter.
„Auf der Toilette, mein Schatz, wo sonst?“
„Hasch du de Parre gesiehn?“
„Als ich gegangen bin saß er noch hier auf seinem Platz.“ Anke war die personifizierte Unschuld und lächelte verschmitzt.
„Scheiße!“, entfuhr es Flöter.
„Was hast du denn für Sorgen, mein lieber Mann? Hättest du geistlichen Beistand gebraucht?“
Karlfried zog es vor, auf diese Frage keine Antwort zu geben.
Kleinschmidde Gredel schäumte vor Wut: „Ihr sin jo so bleed wie Schiffascheiße. Wie konnde ihr denne Kerl entkumme losse? Wie stehn ich dann jäz do? Jäz fallt unser halwes Progromm ins Wassa!“ Sie fluchte noch einige Male gotteslästerlich.
„Eijoh“, ließ sich Funke Berda kleinlaut vernehmen. „Die Tagesordnungspunkte Tauchaanzuch und Käwwich falle jäz aus.“
„Un die vabrennde Schniedelwuzze aach, die Studende, die Feischlinge sin jo ned kumm“, grummelte Gredel.
„Awwa mir kinnden doch schun emol mit dera Mund zu Mund Beatmung onfange“, meinte Oma Otti. „De Herbert und de Karlfried hodde sich jo freiwillich gemeld.“
„Vun denne hat awwer kääns e Gebiss.“
„Eijoh? Wääsche das so genau?“
„Eijoh! Das sieht ma doch!“
„Un was mache ma jäz?“
„Mir kinnde doch so dun als ob…“
„Do isses awwer Essich mi däne erschwerde Bedingunge.“
„Hot schwarze Erich ned e Gebiss seit däm Busunfall sellemols?“
„Jo, das stimmt. Isch der do? Waad ich frooche mol es Hilde.“
Hilde Schwarz, von den Landfrauen immer nur liebevoll-gemein die „schwarze Witwe“ genannt, weil ihr Mann Erich als Busfahrer oft wochenlang auf Tour war, wurde von den Landfrauen gern ein bisschen geschnitten. Sie entstammte einem gutbürgerlichem Haus aus Waldfischbach, wo ihr Vater eine kleine Schuhfabrik besessen hatte, die aber in den Siebzigern Pleite ging. Eigentlich hatte sie unter Stand heiraten müssen, weil ihr Erich damals schon einen Führerschein besaß. Man kennt das ja schon. In den Tiefen des Pfälzer Waldes ist so manches Kind auf so manchem Rücksitz gezeugt worden und bildete die Basis einer jahrzehntelangen glücklichen Ehe.
Ihre gute Herkunft stellte Hilde häufig unter Beweis, indem sie hochdeutsch mit Striefen drein sprach. Sie saß mit einem Glas Riesling und leicht blasiertem Gesichtsausdruck am Ende des Landfrauentisches und bemühte sich, mit dem Pöbel nicht zu sehr gemein zu werden. Gretel nahm sie frontal, wie das ihre Art war:
„Hilde, wo ischn de Erich? Isch der do? Hot der e Gebiss?“
„Der Erich sitzt mit dem Herrn Bürgermeister zesamme am Honorentisch. Un wozu willst du wissen, ob der ein Gebiss hat? Natierlich hat der ein Gebiss, wie jeder annere Mensch auch.“
„Ich wollte jo nur wisse, ob däm sei Zäh echt sin, der hot doch domols denne Unfall gehatt, odder?“
„Eijoh, das schtimmt, awwer die Zähn hat sellemols die Zahndoktern vun Thaleschwiller fier deier Geld neu gemacht. Die sin tadellos.“
Gretel verdrehte die Augen. „Mein Gott, Hilde, machs doch ned so kompliziert, ich will doch nur wisse ob ma die Zähn eraus nämme konn. Schwätz ich chinesisch?“
„Isch wüssde nischt, was disch das angeht!“ Hilde wandte sich ab und signalisierte damit, das Gespräch sei beendet.
„Leck mich doch am…, Deppschees, bleedi“, grummelte Gretel in ihren Damenbart „war klar dass ma med mid dera Schnerrbix kää vaninftiches Wort ned schwätze konn. Was mach ichn jäz? Es gonze Progromm isch im Aasch.“ Zum ersten Mal fühlte Gretel so etwas wie Panik in sich aufsteigen.
Indessen setzte sich Michael Gans, der Sanitäter wieder in den Besitz des dicken Filzstiftes und begann weitere Programmpunkte zu sammeln. Nachdem die Landfrauen ihr Pulver verschossen hatten, kamen nun von dritter Seite die übliche Alternativvorschläge: Stabile Seitenlage, Herzmassage (am liebsten bei der Kellnerin, die Kurt für heute Abend als studentische Aushilfskraft eingestellt hatte), Abbinden einer starken Blutung, Druckverband, Benutzung eines Defibrillators (des kinnt ma doch am digge Flöder iewe, der werd denne Abbarat sowieso als eerschdes brauche) und ähnlichen Unfug mehr.
Den Landfrauen war durch die schnöde Flucht des Pfarrers die Stimmung gründlich verdorben und auch Flöter und seine Honoratiorenblase hatten sich den Abend anders vorgestellt.
Die von den Damen vorgeschlagenen wichtigen Punkte wurden also zunächst einmal auf der Prioritätenliste nach hinten gesetzt. Der Sanitäter schlug drei Kreuze und dankte dem Herrn, dafür, dass dieser Kelch an ihm vorübergegangen war.
Der Pfarrer, der nach dem Abzug seiner Bewacher in aller Ruhe die Damentoilette verlassen und seine Rechnung bezahlt hatte, kniete längst zu Hause auf dem Arme-Sünder-Bänkchen vor seinem Hausaltar und betete voller Inbrunst.
Der Kellnerin hatte er noch schnell etwas von einem dringenden Krankenbesuch erzählt und dann fluchtartig das Hermersberger Eck verlassen, während Anke an der Tür zum Nebenraum Schmiere stand und sich seine Leibwächter von ihren jeweiligen Vorgesetzten den verdienten Anschiss abholten.
Der Rest des Auffrischungskurses verlief feuchtfröhlich, nämlich so, wie man sich einen solchen Kurs auf dem Dorf vorstellt. Der eine oder andere Dorfprominente wurde ein wenig gequält. Flöter zum Beispiel begann unter der Herzmassage nach Luft zu schnappen und bot den Übenden mit der gebrüllten Bemerkung, er sei schließlich kein Indianer, der unablässig Schmerzen aushalten könne, Prügel an.
Herbert entzog sich der Mund zu Mund Beatmung, die sowohl Frau als auch Schwiegermutter bei ihm durchzuführen gewillt waren, durch die erstklassige Simulation eines Hexenschusses und verbrachte den Rest des Abends in stabiler Seitenlage, also den Kopf auf die linken Hand gestützt und das Bierglas in der rechten, an der Theke des Hermersberger Ecks.
Nach Beendigung der Veranstaltung zahlte jedermann, bis auf sieben oder acht unzuverlässige dörfliche Elemente, seinen Deckel und man zog befriedigt heim. Nur Anke begann sich zu sorgen. Sie würde organisatorisch einiges ändern müssen, das stand fest. Noch in der Nacht rief sie ihre Freundin Doris an.
*Bund der arbeitsamen Samaritaner