Seit einer Weile lasse ich meine kurze Affäre Revue passieren, denn es ist alles noch dermaßen frisch, dass ich eigentlich ständig darüber nachdenke und es mich zum Teil sehr belastet.
*******ady:
Was war schön??
Für mich war es schön, wie einfach der Umgang anfangs miteinander war. Sehr ungezwungen und fröhlich und weil wir ansonsten privat rein gar nichts miteinander zu tun hatten, waren die wenigen Stunden, in denen wir uns immer gesehen haben, richtige "Quality Time". Man hat immer etwas Schönes unternommen und hatte immer Spaß, weil Spaß eigentlich auch das einzige war, was einem in dem Moment wichtig war. Man hat sich Mühe gegeben, die gemeinsame Zeit so gut wie möglich zu gestalten und die Probleme zu Hause zu lassen.
Es war auch einfacher, sich aufeinander einzulassen, weil keinerlei Verpflichtungen zur Debatte standen, aber in meinem Fall auch, weil wir ansonsten nicht befreundet waren. Man kannte sich, aber davor haben wir uns nie verabredet oder sonst etwas unternommen. Alles war nur reduziert auf die kurzen, gemeinsamen Stunden, darüber hinaus war da wenig - hier und da mal eine Nachricht über Whatsapp. Man hatte also ansonsten seine Ruhe voneinander und musste sich nicht weiter miteinander beschäftigen. Man hat sich allein auf das Positive konzentriert und ich für meinen Teil fand das zumindest am Anfang unheimlich befreiend.
Normalerweise bin ich extrem schüchtern, phasenweise fast schon sozialphobisch, und brauche entweder eine Menge Zeit, um Menschen an mich heranzulassen, oder aber einfach den richtigen Mitspieler, der mich aus meinem Schneckenhaus hervorlocken kann.
Meine Affäre war eben so ein Typ. Extrovertiert, sehr ungezwungen, steht immer im Mittelpunkt der Aufmerksamkeit und kann mit jedem stundenlang ein Gespräch am Laufen halten, ohne dabei zu anstrengend zu werden. Er zieht einen einfach mit.
Ich mochte auch, dass er ein ziemliches Stück älter war als ich und daher immer noch etwas altmodisch und "rau", was mir persönlich durchaus gefällt. Er konnte aber auch sehr frech und absolut versaut sein und mir gefiel dieser Kontrast zwischen Gentleman und Schwein. Aufgrund seiner spontanen, einladenden Art hatte ich sehr schnell keine Berührungsängste mehr und bin in sehr kurzer Zeit mehr aus mir herausgekommen, als in all den Jahren zuvor.
*******ady:
Was war schwer zu durchleben???
Einerseits gab es ein paar private Konflikte. Wie zum Beispiel, dass er der Vater der besten Freundin meiner Tochter ist und ich Angst davor hatte, die Freundschaft der Mädchen zu zerstören, sollte seine Frau davon Wind bekommen. Dann war da noch die Tatsache, dass er sehr unglücklich in seiner Beziehung ist, die Lösung aber eher außerhalb der Beziehung gesucht hat, anstatt daran zu arbeiten. Und dann natürlich die Reaktion meines Freundes auf die ganze Geschichte.
Ich habe eine offene Beziehung und zu Beginn hat mein Freund gesagt, dass er nicht wissen will, wenn sich etwas Intimeres mit jemand anderem anbahnt. Also habe ich nichts von meiner Affäre erzählt, nur, dass ich mich treffe (mein Freund kannte den Mann ja auch). Irgendwann hat er aber mal ein Gespräch belauscht und es so herausgefunden, als ich die Affäre frisch beendet hatte. Seitdem hat er das Thema nicht mehr ruhen lassen können.
Zuerst wollte er nur wissen, ob wir miteinander geschlafen hatten (Nein) und dann hatten wir ausgemacht, die Geschichte einfach nicht mehr weiter zu beachten. Aber er hat das nur kurze Zeit durchgehalten und irgendwann derart herumgebohrt und Druck gemacht, dass ich regelrecht zusammengebrochen bin. Als ich ihm jedes Detail erzählt hatte, war er total zufrieden und ich habe mich furchtbar gefühlt, weil ich mir vorkam, als hätte ich etwas Falsches gemacht und wäre dafür "vor Gericht" gezerrt worden. Ich mag es nicht, mich für alles, was ich tue, zu rechtfertigen und fühle mich bei so viel Druck und Zwang enorm hilflos. Der Umgang meines Freundes mit der Affäre war und ist nach wie vor anstrengend und zermürbend.
• Erst wollte er nichts davon wissen.
• Dann wollte er alles davon wissen.
• Anschließend hat er mir klargemacht, dass er mich nicht teilen will.
• Und am Ende ermutigt er mich dazu, mit meiner Affäre zu schlafen und auf Wifesharingparties zu gehen.
Dieses kleine Intermezzo hat mir zumindest klargemacht, dass ich meinem Freund aktuell einfach nicht trauen kann, weil seine Meinung sich praktisch täglich ändert und er vollkommen unberechenbar geworden ist. Er springt von einem Extrem zum nächsten und wenn ich dafür kein Verständnis aufbringe, katapultiert er sich in die Opferrolle.
Zusätzlich war es für mich aber auch sehr schwer, meine Gefühle einzuordnen und sie im Zaum zu halten. Ich habe meine Affäre nicht geliebt (privat könnte ich nichtmal mit ihm befreundet sein, weil er einfach zu viele Charakterzüge hat, die mich stören), aber ich möchte durchaus behaupten, dass ich zumindest irgendwie verknallt war. Ich habe mir das zugestanden, weil ich durchaus zwischen Verknalltheit und Liebe unterscheiden kann und ich es nicht schlimm finde, wenn man sich trotz Partner in jemand anderen verknallt. Das heißt ja nicht, dass man seinem Partner einfach davonläuft, denn wenn man ein bisschen sein Hirn einschaltet, weiß man ja, was langfristig das Beste ist und dass es dumm wäre, sich von dieser anfänglichen Gefühlsflut übermannen zu lassen. Nur weil ich die Zeit mit jemandem genieße, will ich ihn ja nicht gleich heiraten.
Ich habe aber nicht damit gerechnet, dass meine Affäre sich verliebt und hin und wieder Sätze vom Stapel lässt, die mich total nervös gemacht haben. Das hat es mir am Ende dann doch ziemlich versaut, weil es einerseits einen ziemlichen Druck auf mich ausgeübt hat, die ganze Geschichte aber zusätzlich auch unberechenbar wurde. Ich wollte auf keinen Fall, dass ein Mann wegen mir seine Frau verlässt, mit der er seit fast zehn Jahren verheiratet ist. Davon hätte er ohnehin nichts gehabt.
In der ersten Woche hat er das Beenden der Affäre auch ziemlich locker weggesteckt, aber als wir uns danach zum ersten Mal wieder länger bei einer KiTa-Feier gesehen haben, hat er damit begonnen, ständig bei mir anzurufen. Damit macht er es mir aber auch nicht leicht, über ihn hinwegzukommen. Ich habe das Telefon tagelang ausgestöpselt.
Für mich war es schwer, eine Beziehung zu beenden, die ich eigentlich nicht beenden wollte. Und dass das Ganze jetzt nicht ruhen kann - einerseits durch das hartnäckige Verhalten meiner Affäre, aber auch durch das ständige Nachbohren meines Freundes - macht mich sehr unglücklich und kostet mich unheimlich viele Nerven. Ich bin völlig erschöpft.
*******ady:
Was habt ihr gefühlt in einer solchen Situation??
Für mich war es stellenweise unbehaglich, weil seine Frau nichts davon wusste. Und weil ich nicht einschätzen konnte, wie mein eigener Freund reagiert.
Die ersten Wochen waren richtig toll und sehr intim, danach kippte die Situation und jetzt fühle ich mich eigentlich nur sehr hilflos und unter Druck gesetzt, als ob man mich langsam unter einem großen Stiefel zerquetscht. Ich frage mich, warum ich nicht einfach mal glücklich sein darf, ohne mich dafür zu rechtfertigen, sondern alle um mich herum immer nur Erwartungen haben, die ich erfüllen soll.
*******ady:
Ist es auf Dauer Ballast und macht es einem selber nicht offen für neue Dinge???
Beides. Zum einen probiert man viele neue Dinge aus, weil man wenig voneinander weiß und noch keine festgelegte Meinung voneinander hat. Man kann quasi bei Null anfangen, zeitweise ein anderer Mensch sein, sich selbst neu erfinden.
Aber Heimlichtuerei ist ein großer Ballast. Und am schlimmsten ist es, wenn jemand eine Obsession entwickelt, weil man ihm vermeintlich etwas geben kann, was er sonst nirgendwo bekommt. Ich trage das Paket mit mir herum, andere "zufriedenstellen" zu müssen, sie emotional füttern zu müssen, und es macht mich krank.
*******ady:
Wie sieht das der Freundeskreis?
Aus meinem engsten Freundeskreis weiß keiner davon und ich würde es auch nicht erwähnen wollen.
Fazit:
Ich für meinen Teil habe mir vorgenommen, mich nicht mehr auf Menschen einzulassen, die nur Ablenkung von ihrer verkorksten Beziehung suchen.