*******ady:
Wie seht ihr offene Beziehungen? Sind sie alltagstauglich? Sind sie ehrlicher?
Ich glaube, keines von beidem trifft zwangsläufig zu. Das hängt doch sehr von den beteiligten Personen ab, ihren Gefühlen, Werten, Vorstellungen. Für die einen kommt nur Monogamie infrage und die sind auch superglücklich damit, kommen im Alltag damit zurecht und sind auch ehrlich und offen zueinander. Für mich käme eine sexuell rein monogame Beziehung nicht mehr infrage. Die Vorstellung, mich komplett auf einen einzigen Partner beschränken zu müssen, gruselt mich ein wenig. Auch bin ich der Meinung - und das ist wirklich nur meine ganz persönliche Sichtweise! - dass man, sobald man von jemandem Exklusivität verlangt, allein aufgrund der Tatsache, dass man eine Beziehung führt, auf eine bestimmte Art und Weise den Körper des anderen als Besitz beansprucht. Diese Vorstellung behagt mir nicht.
*******ady:
Wie sieht es aus mit monogamer Liebe? Ist dies nur Illusion?
"Love is a neurochemical con job", sagt der romantische Nihilist.
Nein, ernsthaft. Natürlich ist der Homo sapiens biologisch gesehen eine seriell monogame Spezies, aber nicht per se monogam. Trotzdem ist monogame Liebe keine Illusion, besonders auf die Emotionen bezogen. Für viele ist das einfach das, was sie wollen und brauchen in ihrem Leben und sie schaffen es auch, so zu leben und glücklich zu sein. Ich glaube, dass die Herabwürdigung der Monogamie für viele nur eine Ausrede ist, um ein Scheitern oder Fehler zu rechtfertigen. Dabei ist das einfach nur eine individuelle Sache. Für die einen ist es was, für die anderen nicht. End of story.
*******ady:
Oder ist dies nicht gerade am Anfang einer Beziehung das Grösste? Ineinander zu verschmelzen... Jede Minute miteinander zu verbringen.... Die Liebe zu leben und in sie eintauchen wie in ein warmes Blubberbad?
Für mich: Ja. Am Anfang einer neuen Beziehung würde ich, obwohl ich sie für die Zukunft immer direkt als offen betrachten und das auch gleich so kommunizieren würde, nicht direkt mit anderen Menschen schlafen wollen. Persönlich brauche ich die Zeit der Zweisamkeit für eine Weile, um meine Bindung zu diesem Menschen zu festigen und weil er mir anfangs auch vollkommen ausreicht.
Im Übrigen habe ich festgestellt, dass es mir auch bei potenziellen Sexpartnern für außerhalb der Beziehung so geht. Natürlich weiß ich, dass diese Menschen auch Sex mit anderen haben - vielleicht sogar mit richtig vielen - und das ist weder falsch, noch müssen sie sich dafür rechtfertigen. Aber mir gibt das ein fades Gefühl, zu wissen, dass ich letztendlich nur eine von vielen sein werde. Je mehr ich darüber erfahre, mit wem, wann und wie oft jemand Sex hat, den ich als etwaigen Sexpartner ins Auge gefasst habe, desto uninteressanter wird er allmählich für mich, bis die sexuelle Anziehungskraft letztendlich verpufft. Ich weiß um ihr Sexleben, will es aber nicht unter die Nase gerieben bekommen. Mich macht das nicht an (oder "eifersüchtig"), sondern eher ein bisschen traurig.
Zumindest am Anfang will ich mich der sicherlich absolut naiven Illusion hingeben, ein wenig besonders zu sein. Das mag daran liegen, dass ich in diesem Bereich einfach noch nicht so emotional "abgebrüht" bin. Vielleicht legt sich das später, aber aktuell macht sich bei mir dann doch ziemliche Ernüchterung breit.
*******ady:
Ich höre immer offene Beziehungen sind viel freier und ehrlicher. Aber ist das wirklich Liebe?
Für manche Menschen ist eine offene Beziehung ein "Befreiungsschlag" und sie sind damit glücklicher, als in einer monogamen Beziehung. Es gibt aber auch umgekehrte Fälle, da würde ich einfach nicht pauschalisieren.
Ja, Liebe ist dennoch existent. Ich denke es gibt einen Unterschied zwischen einem Menschen, mit dem man gerne vögeln will, weil man ihn anziehend und hübsch und aufregend findet, und einem Menschen, mit dem man sein Leben - oder zumindest einen Teil davon - gestalten will.