Ich kann hier nur als der andere Teil der Beziehung berichten, der Teil mit Nicht-ADHS, der sich an ADHS gebunden hat.
Vielleicht kurz zu mir: ich bin schon seit meiner Kindheit ein absoluter Gegenteil von allem, was irgendwie euphorisch und unruhig sein könnte, eisern und absolut diszipliniert. Ich würde nicht sagen, dass ich langweilig bin, doch gehört Routine in bestimmten Dingen, auf sich selbst hören und die Selbsterkenntnis zu einem unabdingbaren Teil der Stabilität meines Lebens.
Bis zu dem Zeitpunkt des Kennenlernens von meinem jetzigen Freund kannte ich ADHS-Betroffene nur von meinem Job und das waren dann alles Jugendliche. Ich kam mit denen relativ gut zurecht, da ich einerseits wirklich sehr geduldig und belastbar bin, aber andererseits klare Grenzen festlegen kann.
Und nun dazu, wie es ist ein Teil der Beziehung mit einem ADHS-Betroffenen zu sein.
Auf alle Fälle abenteuerlich. Was mich total begeistert, ist dieses Typische "bei allem Quatsch mitmachen". Meine Freunde sind ja oft träge und pragmatisch, da habe ich mir lange jemanden gewünscht, der einfach mitziehen kann, weil ich selbst so bin: nicht 100% festgelegt und mag neue Dinge anschauen und ausprobieren, um mir mein Urteil darüber zu bilden.
Input an kreativen Ideen und Gedanken ist hier sicher vorhanden und deckt sich echt gut.
Auch Spontanität und Beweglichkeit und ein Maß an Verrücktheit finde ich auch super.
Schwierigkeiten habe ich dagegen mit der Unbeständigkeit, die eben doch als Nebeneffekt aus der Verrücktheit und Beweglichkeit resultiert. Heute ist etwas so, morgen kann das schon ganz anders aussehen. Vor einer Woche war das noch die totale Begeisterung und Euphorie, heute ein absoluter Absturz. Da fehlt mir etwas mehr Realitätssinn. Daraus resultiert dann auch mein Gefühl, dass ich oft schlicht und ergreifend nicht weiß, woran ich bin. In dieser Sinuskurve sind dann auch noch Überempfindlichkeit und Impulsivität vorhanden.
Auch die ganzen Exzesse sind für mich so nicht nachvollziehbar und auch nicht nachfühlbar, dass man sich so dermaßen erschöpfen kann, da man ständig diesen Drang verspürt, auf Achse zu sein und sich keine Ruhe zu geben. Als Beispiel: ich drehe total am Rad, wenn ich nicht pünktlich schlafen gehe und meine Schlafstunden nicht bekomme. Mein Freund lebt dagegen ständig auf der Überholspur, da wird mehrere Tage am Stück 3-4 Stunden geschlafen, weil doch noch irgendwas gemacht werden muss, man sich mit jemandem treffen muss, usw. Bis zur totalen Erschöpfung. Und nach einem absolut Down geht es dann so weiter.
Das Gute daran ist aber, dass mich das weder auf die Palme bringt, noch übermäßig stört, da ich selbst zu meiner eigenen Ruhe bestens finden kann und mich da auch nicht rausbringen lasse. Oder nur sehr selten, wenn z.B. andere Außenfaktoren noch eine Rolle spielen.
Ob eine Beziehung dauerhaft gelingen kann, hängt meiner Meinung nach von den Beteiligten ab. Und wie diese zueinander stehen. Sprich also, ob derjenige mit ADHS die Vorzüge eines Partners erkennen kann, der ihn erdet und ob der andere Teil sich "warm anziehen", in Geduld üben und durchhalten kann.
Wenn ich meine Beziehung mit einem Wort beschreiben müsste, fällt mir spontan ein Reaktor ein. Dabei ist mein Freund ein Brennstab und ich ein Regelstab. Eine ziemlich treffende Beschreibung der Sachlage