Eine kleine Geschichte für Euch.....
Manchmal vermisse ich meinen Waschbrettbauch. An manchen Tagen mehr. An manchen Tagen weniger. Heute ist einer der schlimmeren Tage. Denn Dr. Sommer ist wieder in der Stadt und mit ihm kommt der Sex in die City. Ich stolziere wie ein Gockel durch die Straßen und wundere, warum mir kein Mädchen hinterher guckt.
Ich schaue verunsichert in ein Schaufenster, in denen ein paar Schaufensterpuppen verhungern. Mein Spiegelbild erinnert mich an den Tsunami. Von meiner Brust her rollt eine fast unmerkliche Welle, die sich zu einem haushohen Monster auftürmt, sobald die unteren Hautschichten vom Gürtel gebremst werden.
Ich fasse meinen Wampe an. Sie ist nicht schwabbelig, sondern überraschend hart, wenn ich sie anspanne. Ich bin wie Obelix nicht dick. Ich bin eher wie ein Nilpferd. Denn Nilpferde sind eigentlich auch gar nicht fett - ihre strammen Muskeln sehen für uns nur unförmig aus. Unter der dringend notwendigen, schützenden Fettschicht warten noch immer knallharte Bauchmuskeln. Es ist wie eine Filzdecke, die zum Transport schützend über eine wertvolle Skulptur gelegt wurde. Dann erinnere ich mich wieder wie ich auf der Loveparade 1993 mit bloßem Oberkörper getanzt habe und komme mir in meinem heute Morgen fast trotzig gewählten hautengen Muskelshirt vor wie der späte Maradona.
Die guten dünnen Zeiten
Ich gehe nach Hause und nehme mir mein Fotoalbum vor. Damals waren schwarz-weiß Fotos total hip. Das Magazin „Max“ war der Visual-Leader für Erotik. Ein Kumpel schoss eine Aktserie von mir als Bewerbung zur Fotografenausbildung am Lette Verein. Ich trage eine goldene Ballonmütze und eine Axt. Die Axt hatte ich aus der Garage meiner Eltern, gleich neben meiner Hantelbank, auf der wir im Winter wie im Sommer sechs Mal die Woche trainierten. Aber woher kam die Ballonmütze?
Ich blättere weiter. Ein anderes Foto zeigt meinen Kumpel Jörg und mich auf einer Party. Wir liegen in Levis-Unterhemden auf dem Boden, er ein weißes, ich ein schwarzes, und haben den Kopf auf den Arm gestützt, damit man unsere Bizeps sieht. Das Manöver ist so durchsichtig wie der Stoff des Tanktops.
Die Sache mit meiner Freundin
„Na, guckst du wieder die alten Fotos durch?“ Meine Freudin hat es wieder geschafft wie ein Geist aus dem Nichts hinter mir aufzutauchen. Ein Glück habe ich mich gerade nicht selbst befriedigt.
„Findest du mich zu dick“, frage ich sie gerade heraus und merke, dass das eine Frauenfrage ist. Die Antwort ist ehrlich.
„Ja, du bist zu dick. Mindestens vier Kilo.“ Wir schauen uns zusammen die alten Fotos an. Meine Frau gerät ins Schwärmen.
„Du hattest diese unglaublichen Bauchmuskeln...“ Ich fühle mich fett wie Anne Nicole Smith vor ihrem Tod.
„Wünschst du dir, dass ich wie früher bin?“ Sie reißt die Augen mit entsetzen auf.
„Mein Gott, NEIN!“ Ich bin irritiert.
„Warum nicht?“
„Maximilian, du warst so ein eingebildetes Arschloch. Erst seit du zugenommen hast, hast du zu dir selbst gefunden. Jetzt bist du, wie du wirklich bist.“
„Und wie bin ich wirklich?“
„Gemütlich, entspannt, genießerisch. Einfach perfekt.“ Ich küsse meine Freundin dankbar. Es wird ein wenig mehr draus.
Als wir dann im Bett liegen und noch zwanzig Minuten Zeit haben, vermisse ich meinen Wachbrettbauch überhaupt nicht mehr. Ich schwöre, dass der Sex besser war als in den Zeiten, als ich noch die Missionarsstellung bevorzugte, weil dabei mein Trizeps so gut zu sehen war.