Single - der uralte Traum vom freien Individuum
Satire
Ich wohne zusammen mit meinem Fernseher an einem sicheren Ort. Damit liege ich, wenn man repräsentativen Umfragen trauen darf, voll im Trend. Denn seit einigen Jahren scheint die Single-Erfolgskurve in der Hitliste der abgefahrensten Haushaltsformen steil nach oben zu zeigen.
Ein Single. Wie stolz das klingt. Auf jeden Fall besser als „zu schüchtern“, „zu häßlich“ oder „zu doof“. Und der Gewinn an Freiheit ist mit nichts zu vergleichen. Ich kann gehen und kommen wann ich will, ich streite mich nicht mit mir und wenn ich einmal nicht weiß, wo ich um diese Zeit noch herkomme, dann schmeiße ich mich nicht wütend aus der Wohnung, sondern rufe am nächsten Tag meine Kumpels an. Es ist einfach großartig.
Auch wenn ich mir das Singledasein anfangs einfacher vorgestellt habe. Denn einmal davon abgesehen, daß man sich viel zu oft alles selber machen muß, werden einem Alleinstehenden wie mir von der Gesellschaft alle möglichen Knüppel zwischen die Beine geworfen. Dabei lebe ich lediglich den uralten Menschheitstraum vom freien, emanzipierten Individuum, das sich unbehelligt von einer feindlichen Umwelt zu einer eigenständigen Persönlichkeit entfalten kann, die sich irgendwann nicht mehr erinnert, wann sie eigentlich angefangen hat Selbstgespräche zu führen.
Im Fernsehen sieht das einfach aus
Ja, im Fernsehen, da sieht das immer so einfach aus. Aber haben Sie eine Ahnung was das Singledasein kostet? Nehmen wir nur mal meinen Hausrat und vergleichen ihn mit dem einer sechsköpfigen Familie. Ich habe einen Staubsauger. Genau wie eine sechsköpfige Familie. Und da geht die Ungerechtigkeit schon los.
Gerecht wäre, wenn eine sechsköpfige Fämilie auch sechs Staubsauger kaufen müßte. Schon wegen der Arbeitsplätze. Genauso Waschmaschinen, Geschirrspüler, Stereoanlagen und so weiter. Aber von wegen! Statt dessen die Hiobsbotschaft, daß das Kindergeld schon wieder angehoben wird. Ich könnte heulen. Jedermann weiß, daß die kleinen Racker eh viel zu schnell aus den teuren Klamotten rauswachsen. Aber bitte, wir haben‘s ja!
Eine ganze grüne Gurke
Und dann die gesunde Ernährung. Ich meine die vielgepriesene Vollwerternährung mit allem Pipapo, mit frischem Obst und Gemüse und so. Kann mir einer der neunmalklugen Biobauern mal erklären, wie ich als Alleinstehender eine ganze grüne Gurke herunterwürgen soll? Oder einen Kohlkopf? Es ist so demütigend.
Wenn wenigstens die Industrie ein Zeichen setzen würde, damit man merkt, daß ihr etwas am Egotrip der zurückgebliebenen Fun Generation liegt. Ich denke da an eine Gewinnbeteiligung am Verkauf von Pizza, Bier und Pornoheften. Und an Überraschungseier mit Kindersicherung. Die kleinen Hosenscheißer wissen doch den wahren Wert einer begehrten Sammlerfigur überhaupt nicht zu schätzen!
Ich frage mich, wann wird diese Gesellschaft endlich aufwachen? Vermutlich, wenn es wieder einmal zu spät ist. Denn eins dürfte sicher sein, wenn der gegenwärtige Trend der Ausgrenzung anhält, dann wird es in hundert Jahren keine Singles mehr geben, da sie naturgemäß eher scheu sind und sich nur unter heftigster Gegenwehr paaren lassen. Darum helfen auch sie mit und überweisen eine kleine Spende auf mein Konto, damit ich mir wenigstens einen roten Ferrari kaufen kann.
Vielen Dank im voraus!
Thomas