@BlueVelvet:
Eigentlich umreißt Dein Kommentar genau das, was ich sagen wollte - ein paar Nickeligkeiten meinerseits seien angefügt:
*********t6874:
Es geht also rein biologisch um einen sehr kleinen Zeitraum,wenn man bedenkt, wie alt Menschen werden. Das Patriarchat als gesellschaftliches Konstrukt hat daraus erst gemacht, dass Frauen wegen jedem Kleinkram "beschützt" zu werden haben. Die Frau und Kind waren so zum Besitz des Mannes geworden.
Ich denke, "das Patriarchat" kam erst dann wirklich zustande, als die Gesellschaften anfingen, richtig kompliziert zu werden, und die Männer für Organisationsaufgaben zuständig wurden, von denen sie vorher keine blasse Ahnung hatten, dass sie jemals existieren könnten ("Schatzi, wieso ist da kein Wasser mehr im Bewässerungskanal?! Haben die Sackheim-Beutlins den schon wieder umgeleitet?! Kannst Du das mal bitte endlich regeln?!"
)
*********t6874:
Männer müssen wesentlich mehr tun als früher. Sie müssen nicht nur arbeiten gehen und Geld abgeben, sondern heute brauchen sie erheblich mehr, damit eine Frau mit ihm zusammen sein will.
Stimmt einerseits, andererseits ist das "nur arbeiten gehen und Geld abgeben" bereits ein Vollzeitjob, insbesondere dann, wenn man keinen Spitzenberuf hat. Womit der "Christian-Grey-Faktor" durch die Hintertür wieder drin wäre.
*********t6874:
Natürlich sind all jene Männer angepiekst, weil es nicht mehr ausreicht, wenn sie einen guten Job haben und Versorger sind. Einmal gibt sich keine Frau mehr mit einem sehr bescheidenen Leben zufrieden (redet mal mit alten Frauen, wo der Mann nur Arbeiter war, wie wenig sie sich leisten durften) und mag ihren Mann wie früher auf Taschengeld und Haushaltsgeld anbetteln. Frauen erwarten heute sehr viel mehr von ihrem Partner. Soziale Skills, Freundlichkeit, er soll gut aussehen und sich gut benehmen, gut und einfühlsam im Bett, sie nicht unterdrücken und erniedrigen und so weiter.
Also nicht mehr der proletarische sizilianische Zementmischer, sondern der akademisch gebildete Yuppie (wer Zuspitzungen findet, darf sie behalten, herzlichen Glückwunsch).
*********t6874:
Es entwickelt sich auch D/s weiter. Die Partnerin lässt sich auch hier nicht in die Rolle der 50er Jahre Hausfrau drängen und erwartet natürlich Führung und sich um ihre Bedürfnisse kümmern von Dom und Lebenspartner. Er hat sie anständig zu behandeln und zu fördern und zu stärken. Souverän zu sein und zwar einerseits sexuell zu dominieren, aber das ohne echte Rücksichtslosigkeit.
Es gibt schon wenige Männer mit entsprechenden Fähigkeiten für eine normale Beziehung. Und noch seltener Doms die D/s tauglich sind.
Damit beschreibst Du eigentlich ganz wunderbar den "strukturellen", soziologischen Faktor, auf den ich von Anfang an hinauswollte.
*********t6874:
Mein Eindruck ist, dass immer mehr Männer zu passiv-aggressiven Verhaltensweisen neigen, wenn sie merken, Beziehung fordert von ihnen Skills und Mühe, anstatt nur eine gefügige brave Frau daheim zu haben, die leicht zu befriedigen ist und ihnen wenig Arbeit bereitet. Diese (nicht wenigern) Männer wünschen sich natürlich die gute alte Zeit zurück. Und viele glauben, die ein bisschen SM affin ticken, dass sie hier solche Frauen finden. Und weil sie einem Irrtum aufsitzen, haben natürlich die Frauen schuld und die doofe Emanzipation.
Wünschen sich diese Männer wirklich die gute alte Zeit zurück oder vermissen sie nicht vielleicht eher den
Respekt für die von ihnen immerhin erbrachten Leistungen? Man kann ja den Spieß mit Esther Vilar auch mal umdrehen:
"Was ist der Mann? Der Mann ist ein Mensch, der arbeitet. Mit dieser Arbeit ernährt er sich selbst, seine Frau und die Kinder seiner Frau. Eine Frau dagegen ist ein Mensch, der nicht (oder nur vorübergehend) arbeitet. Die meiste Zeit ihres Lebens ernährt sie weder sich selbst noch ihre Kinder, geschweige denn ihren Mann. Alle Eigenschaften eines Mannes, die der Frau nützen, nennt sie männlich, und alle, die ihr nicht nützen und auch sonst niemandem, nennt sie weibisch. … Was immer der Mann tut, wenn er arbeitet ... in jedem Augenblick ist er Teil eines gigantischen, unbarmherzigen Systems, das einzig und allein auf seine maximale Ausbeutung angelegt ist, und er bleibt diesem System bis an sein Lebensende ausgeliefert. … (Männer) tun es, weil sie dafür dressiert werden: Ihr ganzes Leben ist nichts als eine trostlose Folge von Dressurkunststückchen. Ein Mann, der diese Kunststückchen nicht mehr beherrscht, der weniger Geld verdient, hat 'versagt' und verliert alles: seine Frau, seine Familie, sein Heim, den Sinn seines Lebens – jedwede Geborgenheit."
Ist natürlich auch polemisch überspitzt und bezieht sich auf die "alten" Verhältnisse. Bloß: der "neue Mann" macht immer noch dasselbe, nur ohne den traditionellen Respekt. Da kann "mann" auch schon mal "angepiekst" sein. Bleibt natürlich die Frage, wie "mann" konstruktiv damit umgeht. Kann nicht jeder, aber es steckt auch systematische Überforderung dahinter (für die die einzelnen Frauen freilich auch nichts können).
*********t6874:
Viele Männer sehen noch nicht den Zugewinn einer starken und souveränen Partnerin an ihrer Seite. Sie möchten bequem und faul bleiben, anstatt ihre fünfzig Prozent am gemeinsamen Alltag zu übernehmen.
Finde ich jetzt manifest unfair, es sei denn, Du implizierst, dass die Frau auch fünfzig Prozent des Erwerbs übernimmt.
Bevor das jetzt missverstanden wird: ich will hier nicht konkrete Lebensleistungen gegeneinander aufrechnen, die Männer und Frauen zweifellos erbringen, sondern genau darum habe ich ja nach einer Abstraktionsebene gesucht, um eine Erklärung zu finden.