Wie erklärt man jemandem, warum der Eine gerne Kaffee trinkt, der Andere Tee und ein Dritter keins von beidem? Nicht mal die Kaffeetrinker sind sich untereinander einig, der Eine mag Kaffee weil er eben nach Kaffee schmeckt, ein anderer nur dann wenn er nach Milch und Zucker schmeckt. Wer hat nun recht? Wer muss sich entwickeln, was ist das Ziel dabei?
Geschmäcker und Vorlieben sind erst mal wie sie sind - und niemand hat da mehr Recht als ein anderer. Sie können sich mit der Zeit verändern, sie müssen aber nicht. Und diese Veränderung ist auch erst mal keine Verbesserung, sie ist schlichtweg nur eine Veränderung.
Noch nicht genug der Möglichkeiten, nun gibt es neben den generellen Vorlieben auch noch andere Faktoren, die das Verhalten beeinflussen können. Man kann Kaffee mögen, ihn aber nicht trinken weil man ihn nicht verträgt. Da gibt es dann unter Umständen die Möglichkeit, auf eine Alternative auszuweichen. Espressomethode für weniger Säure, Entkoffeinierung, andere Gebräue die immerhin so ähnlich schmecken - oder eben auch nur wenig Kaffee ab und zu.
Handelt es sich um solche Faktoren, die nichts mit der eigentlichen Neigung zu tun haben mag eine Auseinandersetzung mit dem Thema eine Veränderung bringen. Handelt es sich aber schlichtweg nur um den Geschmack nutzt alle Überzeugungskraft nicht - Geschmack entwickelt sich nicht aus einer Logik heraus. Und niemand kann wirklich überzeugend erklären warum ihm das Eine schmeckt und das Andere nicht - und es hat auf den Geschmack eines Anderen auch überhaupt keine Auswirkungen.
Man kommt nicht umhin, den Geschmack eines anderen zu akzeptieren - auch wenn es nicht der Eigene ist. Man kann zwar hinterfragen ob es abgesehen von dem Geschmack noch andere Faktoren gibt - aber wenn dem nicht so ist bleibt einem nichts anderes übrig als das eben als den Geschmack des Anderen zu akzeptieren. Und dann stellt sich die Frage ob man miteinander etwas genießen kann oder nicht. Verursacht mir bereits der Geruch von Kaffee Übelkeit nutzt es mir nicht, mit jemandem Kaffee trinken zu gehen auch wenn ich selbst keinen trinken muss, der Geruch allein sorgt schon dafür dass mir der Genuss vergeht.
Ich glaube mittlerweile dass es mit der Haltung zu Sex genau das Gleiche ist. Es gibt keinen Universalgeschmack - und nichts was in diesem Falle richtiger oder falscher wäre und wo man hinkommen müsste. Eine Entwicklung und Veränderung kann stattfinden, muss aber nicht - und das Eine ist genauso richtig wie das Andere. Die Frage ist immer nur, können die Beteiligten etwas gemeinsam genießen oder nicht - und das ist immer eine individuelle Frage.
Ich hatte den Begriff Demisexualität in den Raum geworfen und möchte das noch mal aufgreifen, als Beispiel dafür dass es eben nicht
die 'normale' Einstellung zu Sex gibt die jeder irgendwie erreichen müsste - denn die gibts einfach nicht. Sieht man doch allein hier im Thread schon. Selbst die die sich vermeintlich einig darüber sind dass Sex egal mit wem ok und normal wäre sind sich in der Sache lange nicht einig - und sie legen überhaupt keinen Wert darauf, die Einstellungen eines anderen zu übernehmen. Es gibt Menschen die brauchen keine emotionale Nähe zum Sexpartner (und das ist völlig wertfrei), es gibt welche die brauchen Sympathie und es gibt welche, die brauchen eine stärkere emotionale Nähe - und alle diese Vorlieben wollen ja auch nicht untereinander vertauscht werden.
Demisexualität wird, je nach Quelle, als kleine Variation von Asexualität definiert, so nach dem Motto, bei emotionaler Nähe ist es nicht ganz so asexuell. Das mag als Definition herhalten, ich glaube aber dass solche Aspekte nicht schwarz oder weiß sind sondern irgendwo auf einer großen Karte näher an der einen oder anderen Seite.
Ich würde mich selbst beispielsweise als eher demisexuell betrachten. Echtes Verlangen entwickelt sich bei mir nun mal nur dann, wenn ich eine emotionale Beziehung zu jemandem habe - und dann bin ich alles andere als asexuell. Ohne emotionalen Draht wird sich aber nichts tun bei mir - und ich habe das oft genug ausprobiert. Ich kann das, aber wozu sollte ich? Es ist gefühlsmäßig für mich eher uninteressant, da ist Selbstbefriedigung durchaus befriedigender. Was nun das Interesse an mehreren Partnern parallel angeht, das halte ich bei mir zwar für prinzipiell möglich - aber für nicht sehr wahrscheinlich. Ich kann mehrere sehr intensive emotionale Bindungen parallel haben (wie vermutlich jeder Mensch) - es muss aber nicht in allen auf Sex hinauslaufen. Unmöglich wäre es nicht. Jeder andere sexuelle Kontakt ohne emotionale Verbindung wäre aber für mich völlig reizlos.
Ich habe damit überhaupt kein moralisches Problem - und ich würde auch nicht unbedingt einen Partner ausschließen der das anders empfindet als ich - das hängt aber alles auch wieder von der Gesamtsituation ab. Es kann mich stören, es muss aber nicht. Ein - um es mal plakativ zu sagen, auch wenn es nicht eigentlich abwertend gemeint ist - Schürzenjägertyp wäre für mich definitiv ein NoGo. Denkbar wäre für mich, wenn, nur jemand der seinerseits trotzdem selektiv ist und eine emotionale Bindung zu seinen Partnerinnen eingeht - im Prinzip also polyamor eingestellt ist.
Deswegen leben aber die, die das anders sehen immer noch nicht falsch - nur eben nicht passend für eine Beziehung mit mir.