@***dy: Deine "provokante" Frage muss man natürlich mit dem nötigen Augenzwinkern betrachten. Aber ich finds gut dass immer mal wieder jemand stichelt...
Im Hinblick auf offene(re) Beziehungen aller Art ist ein Fundament wohl das Verständnis des (Un-)Treuebegriffs, um mal nicht von einer Definition zu reden, die ohnehin schwer ist.
Um hier nicht allzu allgemeintheoretisch zu werden möchte ich hier nur kurz von mir persönlich schreiben.
Betrachte ich es als Untreue, wenn meine Partnerin mit einem anderen Mann schläft, ohne mir davon zu erzählen? Nein. Als ängstliche Schwäche, mir davon vorher zu erzählen, ja. Warum? Weil es für mich irrelevant ist. Ich habe das Glück zu wissen, was ich meiner Frau bedeute. Ich weiß, welche Opfer sie für mich bringen würde, wenn es mir schlecht ginge. Dass sie mir in den wichtigen Dingen des Lebens treu wäre ohne wenn und aber.
Sex und Liebe ist wichtig, aber es ist ein viel zu essenzielles Bedürfnis, um kontrollierbar zu sein. Es ist für mich absolut verständlich, dass die meisten Menschen Angst davor haben, sich diesem mächtigen Teil des Menschseins (oder ist es eher ein archaisches Artefakt aus unserer "Tierzeit"?) zu stellen. Und ich halte absolut nichts davon, diese wichtige Arbeit mit sich selbst durch Zwang und Druck fördern zu wollen.
Ich habe in den letzten Jahren für mich selbst versucht, eigene Antworten auf meine Fragen zu meiner Sexualität zu finden. Was ich über mich herausgefunden habe, ist Teil meiner Identität geworden, der ich mich stellen konnte. Und inzwischen fällt es mir leicht, diese Identität zu zeigen und zu ihr zu stehen. Für mich ist Monogamie keine Lösung (ohne das an dieser Stelle näher ausführen zu wollen, dazu habe ich schon viel geschrieben).
Partnerschaften leben vom miteinander. Unvereinbare Vorstellungen von Treue oder dem sexuellen Verhalten innerhalb der Beziehung können ein existenzielles Problem sein, wenn nicht einer der beiden Partner seine Einstellung so ändert, dass er mit dem Arrangement ehrlich auskommt und leben kann. Dass ein Freidenker auf Dauer seine Freiheit für irrationale Ängste des Partners opfert kann aus meiner Sicht nur ein frommer Wunsch sein. Dass ein ängstlicher Partner seine Verlustängste und den "Sinn" seiner Liebe gemeinsam mit einem geliebten Menschen zu verstehen lernen kann, daran glaube ich, wenn dann, schon eher.
Alles andere ist eine Zeitbombe. Und für mich ist es keine Frage, dass derjenige, der nicht monogam leben möchte (und das ist der, der weiß, dass er im richtigen/falschen Moment schwach werden würde), in seiner Beziehung aktiv werden, sich und seine Bedürfnisse kennen lernen und verstehen muss, um dann mit seinem Partner- so er ihn denn wirklich liebt - rechtzeitig den richtigen Weg (Therapie, Trennung, Einigung über die Beziehungsform, "Freibrief", etc.) einzuschlagen. Ich fürchte, die einzigen Hilfsmittel hierbei sind Ehrlichkeit und Sanftmut.