@******ena:
Ich hoffe, wir verstehen uns richtig - in deinem Beitrag macht mich allein das Wort "clichéehaft" stutzig: Das genaue Verhältnis von "selbstbestimmten" zu "nicht-freiwilligen" Prostituierten wäre wohl nur schwer zu bestimmen, aber dass es Frauen gibt, die durch Machenschaften hart an der oder jenseits der Grenze zur Legalität in die Prostitution getrieben werden (und die finanziell nicht angemessen "entschädigt"/"entlohnt" werden), und dass diese Frauen im Vergleich zu den "selbstbestimmten" Prostituierten nicht den kleineren, sondern den größeren Anteil ausmachen, halte ich nicht für ein Klischee, ich bin davon überzeugt. Und ich halte es für angemessen, in einer solchen Frage lieber über- als unterkritisch zu sein, sozusagen den Anteil an "Opfern" lieber zu überschätzen als ihn zu unterschätzen, da ich glaube, dass aus dem zweiten Fall leichter "Folgeschäden" entstehen als aus dem ersten. Ich weiß die Welt lieber für "zu schlecht" als "zu gut" gehalten, da nur ersteres Anlass zu Veränderung gibt.
@*********enzo: Ich glaube ja, ich sehe deinen Punkt. Um aber auch meine Argumentation noch einmal zu bekräftigen:
Ist Prostitution eine Dienstleistung wie jede andere?
Sie sollte es im Idealfall sein. In einer „perfekten Welt“ könnten sich ausschließlich selbstbestimmte Menschen aus freien Stücken dazu entschließen, mit ihrem Körper sexuelle Dienstleistungen anzubieten – als gleichberechtigte Option etwa neben der Option, Friseur zu werden oder einen Kurierdienst anzubieten.
Sie kann es im Einzelfall sein. Wenn die Frau (oder der Mann) sich freiwillig für diesen Beruf entscheiden kann – dann gibt es für mich keinerlei moralische Bedenken.
So ist es aber de facto nicht in jedem Fall.
Da es leider in zu vielen Fällen nicht so ist (Prostitution entweder unter Zwang oder als eigentlich nicht gewünschte und psychisch belastende „letzte Zuflucht“), sollte ein potenzieller Kunde kritisch bleiben. Der „real existierende“ Menschenhandel macht es mir unmöglich, „die“ heutige Prostitution
in ihrer Gesamtheit als „normale“ Dienstleistungsbranche, Prostitution schlechthin als „normales“ Gewerbe anzusehen.
Ergo:
Den einzelnen, selbstbestimmten Tausch von Sex gegen Geld (oder andere Dienstleistungen?) kann man als „Dienstleistung“ ansehen.
<=>
Die Gesamtheit des „Wirtschaftszweigs“, den man in der Welt als „Prostitution“ bezeichnet, sollte nicht als „normale“ Dienstleistungsbranche neben andere Branchen wie etwa die Telekommunikationsindustrie gestellt werden – dafür ist der Grad an Kriminalität und Ausbeutung in meinen Augen zu hoch.
Unterlaufen ließe sich so eine Argumentation natürlich dann, wenn man - „marxistisch“ - arbeitsteilige Produktion generell für Ausbeutung erklärt oder etwa den möglichen Grad an Ausbeutung in „angeseheneren“ Branchen wie dem Tourismus (OECD-Länder > Entwicklungsländer) herausstellt. Dann wäre wohl das Geschäft mit Prostitution (und seine engsten Brüder, illegaler Waffen- und Drogenhandel) nicht mehr das schwarze unter weißen Schafen, sondern das noch etwas schwärzere unter lauter schwarzen Schafen.
[...dass] nur ein offener und nicht mehr diskriminierender Umgang mit diesem Beruf die negativen Begleiterscheinungen bekämpfen kann.
Jawohl!
Was ich mir wünsche ist nicht, dass es keine Prostitution mehr gäbe, sondern dass sich potenzielle Freier die Hintergründe klar vor Augen halten, dass sie im Bewusstsein halten, welche Mechanismen in diesem Geschäft
in besonderem Maße wirken. Wem tue ich mit meinem „Kauf“ den größten Gefallen? Der Gedanke, dass es zuvorderst ein schmieriger, zynischer, menschenverachtender Zuhälter sein könnte, widert mich an. Die „Macht der Konsumenten“ sollte auch in dieser immer noch „unnormal kriminellen“ Branche versuchen, die richtigen zu belohnen, die „Guten“ zu bezahlen und die „Schlechten“ (von denen es meiner Einschätzung nach zu viele gibt) auf ihrer „Ware“ sitzen zu lassen.
Positive Gegenbeispiele, taugliche Beispiele für "gute" Prostitution (die ich für meinen Teil aber noch nicht als „Normalfall“ ansehen kann) mögen etwa doityourself oder magdalena mit ihrem Callboy und ihren Bekannten beschrieben haben.
(statt "Keinen Cent!")
H.