Ein Film und ein Gedicht
... fallen mir da ein, um die Situation zu beschreiben.
***********atrix):
This is your last chance. After this, there is no turning back. You take the blue pill — the story ends, you wake up in your bed and believe whatever you want to believe. You take the red pill — you stay in Wonderland and I show you how deep the rabbit-hole goes.
Ist der Geist erst einmal aus der Flasche, kann er da nicht wieder hinein. Ist die Beziehung einmal geöffnet, kann sie nicht wieder geschlossen werden. Womit ich vom Film zum Gedicht komme:
******************n Goethe:
Hat der alte Hexenmeister
sich doch einmal wegbegeben!
Und nun sollen seine Geister
auch nach meinem Willen leben.
Seine Wort und Werke
merkt ich und den Brauch,
und mit Geistesstärke
tu ich Wunder auch.
Walle! walle
Manche Strecke,
daß, zum Zwecke,
Wasser fließe
und mit reichem, vollem Schwalle
zu dem Bade sich ergieße.
Und nun komm, du alter Besen!
Nimm die schlechten Lumpenhüllen;
bist schon lange Knecht gewesen:
nun erfülle meinen Willen!
Auf zwei Beinen stehe,
oben sei ein Kopf,
eile nun und gehe
mit dem Wassertopf!
Walle! walle
manche Strecke,
daß, zum Zwecke,
Wasser fließe
und mit reichem, vollem Schwalle
zu dem Bade sich ergieße.
Seht, er läuft zum Ufer nieder,
Wahrlich! ist schon an dem Flusse,
und mit Blitzesschnelle wieder
ist er hier mit raschem Gusse.
Schon zum zweiten Male!
Wie das Becken schwillt!
Wie sich jede Schale
voll mit Wasser füllt!
Stehe! stehe!
denn wir haben
deiner Gaben
vollgemessen! -
Ach, ich merk es! Wehe! wehe!
Hab ich doch das Wort vergessen!
Ach, das Wort, worauf am Ende
er das wird, was er gewesen.
Ach, er läuft und bringt behende!
Wärst du doch der alte Besen!
Immer neue Güsse
bringt er schnell herein,
Ach! und hundert Flüsse
stürzen auf mich ein.
Nein, nicht länger
kann ichs lassen;
will ihn fassen.
Das ist Tücke!
Ach! nun wird mir immer bänger!
Welche Miene! welche Blicke!
O du Ausgeburt der Hölle!
Soll das ganze Haus ersaufen?
Seh ich über jede Schwelle
doch schon Wasserströme laufen.
Ein verruchter Besen,
der nicht hören will!
Stock, der du gewesen,
steh doch wieder still!
Willst am Ende
gar nicht lassen?
Will dich fassen,
will dich halten
und das alte Holz behende
mit dem scharfen Beile spalten.
Seht da kommt er schleppend wieder!
Wie ich mich nur auf dich werfe,
gleich, o Kobold, liegst du nieder;
krachend trifft die glatte Schärfe.
Wahrlich, brav getroffen!
Seht, er ist entzwei!
Und nun kann ich hoffen,
und ich atme frei!
Wehe! wehe!
Beide Teile
stehn in Eile
schon als Knechte
völlig fertig in die Höhe!
Helft mir, ach! ihr hohen Mächte!
Und sie laufen! Naß und nässer
wirds im Saal und auf den Stufen.
Welch entsetzliches Gewässer!
Herr und Meister! hör mich rufen! -
Ach, da kommt der Meister!
Herr, die Not ist groß!
Die ich rief, die Geister
werd ich nun nicht los.
"In die Ecke,
Besen, Besen!
Seids gewesen.
Denn als Geister
ruft euch nur zu diesem Zwecke,
erst hervor der alte Meister."
Der Zauberlehrling. Heraufbeschworen hat er die Geister. Und dieser blöde Besen läuft und läuft. Doch hier gibt es keinen Meister, der es retten kann. Dieses Gedicht beschreibt eure Situation so trefflich, dass man fast glauben könnte, es hätte sie zuvor schon mal gegeben.
Jetzt kann ich dir doch noch bei etwas helfen. Denn in der Sache liegt nicht das Problem. Ob es nun das Öffnen der Beziehung, die rote Pille der Erkenntnis eines eingetankten Gehirns oder die wasserholenden Besen sind, weder dein Verzicht oder gar Opfer, wie von einigen vorgeschlagen und als Rücksicht verkleidet, wird da helfen, noch wird eine Zuschreibung von Krankheit dem Ganzen gerecht. Die Situation ist so trivial, wie sie verzwickt erscheint.
Hier treffen sich Selbstüberschätzung, fehlendes Selbstbewusstsein im eigentlichen Wortsinn und fehlendes Selbstvertrauen mit Ehrgeiz und Kontrollwahn. Wer von denen zuerst bei dem Treffen war, ist eigentlich wurscht. Denn eines fehlt. Eines von den eingeladenen Gefühlen ist bisher nicht erschienen. Ob es zu spät kommt, könnt nur ihr entscheiden. Dieses eine ist der Meister, der zwar nicht die Besen zähmen, so aber doch die Situation retten kann. Seine Name ist
Vertrauen.
Vertrauen
Genug mit der literarischen Erzählkunst. Ihr habt eine Vertrauenskrise. Eine veritable. Wie einseitig die ist, ist eigentlich Wurscht. Auch wenn dies von einigen als Rücksichtslos angesehen wird, für sein mangelndes Selbstvertrauen kann nur er etwas. An seinem fehlenden Selbstbewusstsein kann auch nur er etwas ändern. Er muss bei sich hinsehen und bereit sein vor diesem nicht die Augen zu verschließen. Ich habe das schon erlebt. Bei deinem Freund ist es Neid, bei anderen ist es Eifersucht. Aber eigentlich hat er es von Beginn an geahnt. Die Situation ist ihm total über den Kopf gewachsen. Er hat sich total überschätzt. Kann sich und dir das aber nicht eingestehen. Es selber war sogar treibende Kraft. Genau wie der Zauberlehrling. Und genau wie dieser sucht er verzweifelt das Wort mit dem er es beenden kann. Aber dies gibt es nicht.
Es ist eine Einstellung. Er vertraut weder sich noch dir. Dabei ist sein fehlendes Selbstvertrauen wahrscheinlich der Grund dafür, dass er dir nicht
mehr? vertraut. All seine Aktionen lassen sich darauf herunterbrechen. Er hat unterschätzt, dass du diese Öffnung ebenfalls so erfolgreich für dich nutzen würdest. Er hat massiv unterschätzt, wie sehr Neid und Eifersucht in ihm aufkommen würden, weil er nicht geglaubt hat, dass du so aus dir herausgehst. Er hat total überschätzt, was er durch die Öffnung selber für sich bekommt. Das kann man blauäugig und naiv oder auch einfach Hybris nennen.
Jetzt aber steht er vor einer Situation, die sich seiner Kontrolle entzieht. Der Schock ist heftig. Der ist auch nicht zu lindern durch ein langsamer angehen lassen und erst recht nicht durch Selbstbeschneidung. Denn der Geist ist aus der Flasche. Wenn du dich jetzt weiter und weiter selbst reduzierst machst du dich klein, machst du ihn klein. Du verlierst den Respekt vor dir und das ohne dass sich seine Angst auch nur ein winziges bißchen legen wird.
Er sieht dich, er sieht deine Bedürfnisse zum ersten Mal. Er sieht sie losgelöst von sich selbst. Du wirst gerade zum Subjekt. Das klingt viel krasser als es das sein soll, denn in anderen Lebensbereichen bist du sicher auch vorherschon von ihm als Subjekt wahrgenommen worden und wirst es auch weiterhin. Aber zuvor warst du eher wenig sexuell aktiv. Er war der explorative und der Stecher. Jetzt muss er erkennen, dass da eine Kailyn ist, die er gar nicht kennt.
Hinzukommt, dass er das Gefühl hat, dir nicht zu genügen, denn er konnte diese Kailyn nicht hervorbringen. Gerade bei einem Menschen, der so von Konkurrenzdenken beherrscht ist, wie dein Freund, ist das eine heftige Erkenntnis. Aber bis er darüber hinwegkommt, dass er weder versagt hat, weil er vielleicht nie eine Chance hatte oder gehabt hätte, noch dass du ihn deshalb weniger magst, wird Zeit brauchen.
Ich würde also eigentlich das Gegenteil dessen vorschlagen, was du bisher gemacht hast. Nimm dich nicht zurück. Er weiß jetzt eh wer du bist. Es braucht schon ziemlich viel Selbstbetrug zu glauben, dass mit Regeln und Kontrolle diese neue Kailyn irgendwie zu bändigen wäre. Sein Selbstvertrauen können auch diese Regeln nicht wiederherstellen. Du hast dich beschränkt, um ihn an diese Erkenntnis nicht ständig zu erinnern. Hast ihm den Strohhalm der Kontrolle über dich hingehalten, in der Hoffnung ihn damit an der Flucht zu hindern.
Aber damit flüchtet er. Er flüchtet vor der eigenen Erkenntnis. Er flüchtet davor sich eingestehen zu müssen, dass er nicht the-one-and-only ist. Er flüchtet vor der Erkenntnis nicht mehr Superman zu sein. Aber dem muss er sich stellen. Eure Beziehung scheitert daran, wenn er es nicht tut.
Jetzt fragst du ja danach, was du tun kannst. Auch das ist viel einfacher geschrieben als getan: Lass ihn los. Zieh ihm den Strohhalm weg und höre auf ihm bei dem Verleugnen des Offensichtlichen zu helfen. Gleichzeitig solltest du ihm zeigen, dass du ihn auch klein und schwach magst. Dass er bei dir auch unvollkommen und Zweiter sein darf. Dass du ihn nicht wegen, sondern trotz seines Ehrgeizes magst. Dass er dich nicht übertrumpfen muss, damit du zu ihm aufsiehst.
Wie du das am besten machst? Na, es ihm sagen hilft. Schmiert euch nicht mehr gegenseitig auf's Brot was ihr mit anderen macht. Ich schlage absichtlich kein echtes "Don't ask, don't tell" vor, da ich weiß, wie elend man sich dabei fühlt und es eigentlich nur eine andere Art des Strohhalms ist. Aber trotzdem musst du ihm kein Futter zum Vergleichen geben. Besonderns, wenn er es wissen will. Denn das geht ihn nix an. Es ist deine Sexualität und die des anderen Mannes. Lobe ihn für Dinge, die schief gegangen sind. Zeige ihm für Dinge Bewunderung, die er probiert hat, aber an denen er gescheitert ist. Lobe und danke ihm dafür, dass er sich seinen inneren Dämonen stellt.