Eigentlich wenig überraschend, dieses Thema hier zu finden. Wie sagt man so schön: Das kommt in den besten Familien vor.
Ich schildere einfach mal meine Erfahrungen. Seht es mir nach, wenn ich Eure nicht kommentiere, dazu kenne ich Euch und Eure ganz persönlichen Lebensumstände viel zuwenig.
Also, mit meiner Frau bin ich jetzt 11 Jahre zusammen, davon 8 Jahre verheiratet, mittlerweile 3 Kinder (7 Jahre, 5 Jahre, 9 Monate). Allesamt Wunschkinder, d.h. daß wir uns ganz bewußt für sie entschieden haben, mit allen und wohlbekannten Konsequenzen wie z.B. weniger Zeit füreinander zu haben. Zumindest in den ersten Jahren.
Unsere Ehe ist bis auf gelegentliche Auseinandersetzungen, die ich aber für vollkommen normal halte, absolut glücklich und meine Frau ist nach wie vor genau meine Traumfrau.
Nach unserem zweiten Kind kam zum erstenmal in mir das Gefühl auf, zuwenig Sex zu bekommen. Zudem hatte ich unausgesprochene Wünsche (neue Techniken, auch mal mit anderen, etc.). Zuerst äußerte sich das Ganze bei mir eher in Frustration und schlechter Laune. Damals dachte ich: Hey, sie muß das doch merken, daß ich mehr will. Warum kommt denn nicht von ihr? Hat Sie denn überhaupt keine Lust auf mehr?
Nun ja, damit sind wir alle nicht glücklich geworden. Mehr und mehr bin ich deswegen dazu übergegangen, das Thema Sex anzusprechen und deutlich zu sagen, daß ich mehr will. Zunächst kam keine große Reaktion, eher die bekannten Antworten: Ich bin halt so müde nach einem anstrengenden Tag mit Haushalt und Kindern. Ich bin doch nicht nur dafür da, Dein Sexspielzeug zu sein. Etc.
Ich habe gemerkt, daß Sie sich regelrecht bedrängt fühlte und daß auch dies zu nichts führt. Also verlegte ich mich eher auf mehr Einfühlungsvermögen und versuchte, auch ihre Seite zu verstehen. Und siehe da, zu meinem Geburtstag vor zwei Jahren überraschte sie mich mit einem Picknick in einem tollen Schloßpark. Sie hatte alles perfekt organisiert: Kinder waren untergebracht, Picknickkorb war mit den leckersten Sachen gepackt, Decke lag bereit. Und bei diesem Picknick sagte sie auf einmal: Wenn Du magst, erzähl mir doch mal ganz offen, was Du beim Sex haben möchtest. Das habe ich dann auch getan und sie verstand es, durch sensibles Nachfragen wirklich sämtliche Facetten rauszubekommen, die ich wahrscheinlich so einfach mich ganrnicht getraut hätte zu erzählen.
Zu wenigen Dingen sagte sie ganz ehrlich: Das ist nichts für mich und wird es auch nie werden. Doch bei den meisten Dingen erhielt ich die Antwort: Na ja, das kann man ja mal versuchen.
Ich war total überrascht und überglücklich. Es änderte zwar nichts unmittelbar am Sexleben, aber wir bekamen wieder richtige Lust aufeinander. Und wir wußten endlich, wie der andere dachte. Schon alleine das war sehr wertvoll. Nach und nach haben wir dann auch neue Dinge ausprobiert und sie zeigte sich dabei sehr offen.
Nun, gerade erst neulich, nachdem ja nun das dritte Kind da ist, kam wieder dieselbe Situation. Sie müde, ich geil. Aber diesmal war es anders. Sie konnte mich verstehen und ich sie. Und wir versuchen nun gemeinsam, die Sache so zu gestalten, daß sich beide damit wohlfühlen.
Ich habe jedenfalls einige wichtige Dinge gelernt (alle nicht neu und schon hundertmal geschrieben, aber es hilft, sie sich immer mal wieder vor Augen zu führen):
• Miteinander sprechen, nicht nur über die Organisation des Alltags, sondern über sich als Paar und über die Sehnsüchte und Wünsche jedes einzelnen.
• Ehrlich sein, nicht nur dem anderen gegenüber sondern auch sich selbst gegenüber. Dazu gehört für mich auch, sich selbst vielleicht mal einzugestehen, daß man zuviel will und der andere das nie realisieren kann.
• Versuchen, den anderen zu verstehen. Schließlich will man ja gemeinsam zu einem gemeinsamen Ziel kommen und nicht den anderen nur dazu benutzen, die eigenen Ziele zu erreichen.
• Kompromissfähig werden. Ich habe für mich festgestellt, daß ich 100% meiner Wünsche nicht erfüllt bekomme. Vielleicht würde ich eine Frau finden können, die mir 100% meiner sexuellen Wünsche erfüllt, aber wäre diese Frau auch so eine Traum-Ehefrau, Traum-Mutter, Traum-Partnerin?
Und zum Schluß möchte ich noch eine Lanze brechen für diejenigen, die den Hauptteil der Kinderarbeit machen (bei uns meine Frau, bei anderen mag das anders aussehen). Kinder fordern einen zu 100% und manchmal auch darüber hinaus. Abgesehen davon, daß man am Abend einfach kaputt ist, muß man auch gedanklich erstmal aus der Mutter/Vater-Rolle rauskommen und wieder temporär in die Frau/Mann-Rolle schlüpfen. Und das ist manchmal nicht so einfach.
So, ist ziemlich lang geworden. Hoffe, es ist trotzdem ganz interessant.
gershi