Achtung, Textwand
Tannylons
Wer will, findet Wege. Wer nicht will, findet Gründe.
Wende diesen Sinnspruch mal auf einen Krebspatienten an. Oder auf jemanden mit einer chronischen Depression. Es gibt so viele Situationen im Leben, wo der reine Wille nicht ausreicht, Wege zu finden. In solchen Situationen kann es ganz schön zynisch klingen, aus einem „Ich kann nicht“ ein „Du willst ja bloß nicht!“ zu machen.
Lilalotusbluete
Und ich denke, eine Trennung wäre da die ehrlichere Lösung.
Nein, nicht, wenn keiner von beiden in Wirklichkeit eine Trennung will. Dann ist diese nicht automatisch die „ehrlichste“ Lösung, sondern dann folgt man vielleicht nur einem gesellschaftlich vorgegebenen Schema und folgt scheinbaren Automatismen.
mnn_54
Die Basis von Nähe und Liebe hat es ja gegeben bis das Trauma aufbrach.
Und wer sagt, dass die Liebe nicht fortbesteht, wenn er seine Liebe nicht von der Unzufriedenheit zerfressen lässt?
Trotz Trennung würde er die Wirtschafts- und Erziehungsgemeinschaft auch nicht los. Für ihn ist also nix gewonnen. Sie aber verliert den sicheren Rückhalt, der für die langen Jahre, die sie für die Aufarbeitung braucht, schon sehr hilfreich sein kann.
Das finde ich einen sehr guten Beitrag!
Was wäre gewonnen mit einer Trennung? Man müsste zwei Haushalte und dabei vieles doppelt finanzieren, was ökonomisch sehr belastend wäre.
Ich könnte meinen Beruf nicht mehr zur Gänze ausüben, was massive wirtschaftliche Einbußen zur Folge hätte.
Die Kinderbetreuung wäre, was den Alltag angeht, komplizierter als jetzt zu managen, und weder ich noch meine Frau wären in der Lage, die Pflege alleinerziehend zu übernehmen.
Und nein, meine Unzufriedenheit zerfrisst nicht die Liebe. Liebe besteht beidseitig fort, ansonsten hätte meine Frau auch kein Problem mit der Öffnung der Beziehung – sie kämpft auf ihre Art ja irgendwie auch um mich. Dass ihr Trauma da derart im Weg steht, tut ihr weh und verursacht auch bei ihr Leid, das ist ganz deutlich. Es geht hier immerhin um zwei Menschen, und ich finde, einen Ansatz zu suchen, um für beide die Situation bestmöglich zu verbessern, ist immer noch das beste Leuchtfeuer auf der Suche nach dem Weg.
Lilalotusbluete
...die langen Jahre, die sie versucht hat, und sie keinen Schritt weitergebracht haben.
Das würde ich gar nicht sagen. So scheint es oft, ja. Aber nur weil man noch nicht am Ziel ist, heißt das ja nicht, dass man überhaupt nicht weitergekommen wäre. Meiner Frau geht es jetzt sicherlich besser als vor 5 Jahren. Damals wäre eine Traumatherapie noch gar nicht in Frage gekommen. Deshalb widerspreche ich auch den Aussagen, dass sich in 10 Jahren nichts verändert hätte.
Das Problem momentan ist nicht, dass überhaupt nichts weiter ginge oder dass man nichts täte, sondern „nur“, dass mir bei diesem Tempo mehr und mehr die Kraft ausgeht, auch, weil die Baustellen so zahlreich sind (Beruf, Kinder, Pflege...) und sich deshalb die Frage stellt: Wie lange halte ich das noch aus oder durch?
Tannylons
Ich sag mal so, würde es tatsächlich Liebe sein, dann leidet man nicht, sondern das Gefühl der Liebe würde alles beantworten und erträglich machen.
Das klingt jetzt aber nach einer sehr eingeschränkten, romantisierenden Vorstellung von Liebe. Schaut man sich die Vielfalt der poetischen Literatur zum Thema „Liebe“ an, ist diese weitaus größer und tiefer als nur ein „schönes Gefühl“.
Um nur mal Rilke zu zitieren:
„Ach gerne möcht ich sie [meine Seele] bei irgendwas
Verlorenem im Dunkel unterbringen
an einer fremden stillen Stelle, die
nicht weiterschwingt, wenn deine Tiefen schwingen.“
Wie kann man überhaupt dem anderen seine Liebe absprechen? Nach dem Motto: „Das ist keine Liebe, wenn du leidest oder Lösungen auswärts suchst.“
@******rMD
Sehr schöner Beitrag, vielen Dank!
Worshipper_85
Hier wurde die Therapie immer wieder aufgeschoben so dass mehr als 10 Jahre verstrichen sind.
Nein, das hast du falsch verstanden: Nachdem die Therapiebedürftigkeit überhaupt erst ein paar Jahre nach der Geburt unseres ersten Kindes diagnostiziert wurde, folgten 5 Jahre Therapie, um überhaupt wieder ins „normale“ Leben zurückzufinden und die eigentliche Traumatherapie überhaupt erst vorzubereiten. In dieser Zeit auch Fehlansätze und Therapeutenversagen (gibt's leider auch). Dann Therapiepause, weil die Krankenkasse prinzipiell Therapien nur begrenzt bezahlt. 1 ½ Jahre dann meine Therapie, um an dieser Stelle voranzukommen... 10 Jahre hören sich ewig an, das heißt aber nicht, dass in dieser Zeit nichts passiert wäre. Manche Therapien dauern leider ewig. Probiert's mal aus, und lasst euch mal einen Termin beim Therapeuten geben: Ein Dreiviertel Jahr Wartezeit ist da ganz normal.
Wo_wie_wann
Es wird hier die "Vorteile" des Zölibatseins gepriessen, nur ist das nicht was der TE möchte.
Zumal ich ganz bewusst die Lebensentscheidung getroffen habe, nicht Priester zu werden und nicht den Zölibat zu leben bzw. leben zu können. Auf dieser Grundlage habe ich auf vieles verzichtet, so z.B. eine geistliche „Karriere“ bzw. diesen Beruf(ung)sweg. Unter diesen Umständen bekommt so ein „Zwangszölibat“ dann doch nochmals eine tiefere Bedeutung, denn der macht diese Lebensentscheidung dann im Nachhinein wieder zunichte.
Worshipper_85
Für mich ist ein Leben ohne Sex nicht vorstellbar.
Für mich auch nicht, aus den oben gennanten Gründen. Allerdings ist auch eine Scheidung für mich nicht vorstellbar, aus anderen Gründen. Deshalb der Konflikt. Und ist das so schwer zu verstehen, dass man in einen Konflikt gerät, in dem beide Wege gleichermaßen unvorstellbar sind? Ja, es mag dann einen „Weg“ geben, aber nicht in Form einer Lösung, sondern in Form des Ertragens des kleineren Übels.
Sorry, wenn ich so viel auf einmal schreibe, aber so kann ich die vielen Beiträge besser bewältigen. Und ihr schreibt so interessante Gedanken auf, dass ich mir die Mühe machen will, darauf auch zu antworten.